18 Abgeordnete
menhang gerissene Aeußerungen (vgl. RGSt 15,
32 ff; 18, 207 ff). Das Privileg bedeutet die Frei-
heit von jeder strafrechtlichen oder disziplinären
Verantwortung, soweit der Inhalt der Mittei-
lungen in Frage kommt, unbeschadet der Möglich-
keit eines Preßpolizeidelikts. Nach Analogie des
5*11 StG# ist auch durch § 12 die zivilrechtliche
Haftung ausgeschlossen.
3. Die Disziplin (Hubrich 389 ffg.
Als ein Gegengewicht gegen die Unverantwort-
lichkeit der A. vor außerparlamentarischen Ge-
walten erscheint die in den K der Volksvertretung
selbst über die A. geübte Disziplin. Analog der
staatlichen Disziplin über seine Beamten und der-
jenigen anderer Verbände über die Mitglieder ist
ein besonderes Gewaltverhältnis der K über ihre
A. begründet. Die Ausbildung ist in England er-
folgt, wo, ausgehend von dem Recht der Korpo-
ration, jedes Haus des Parlaments, zur Wahrung
seiner Rechte und Würde, eine Strafgewalt be-
sitzt, die auch Außenstehende ergreift. Sie bezieht
sich sowohl auf die formelle Berufsübung, wie auf
das außerparlamentarische Verhalten seiner Mit-
glieder. Strafmittel sind Ordnungsruf, Ent-
schuldigungszwang, Verweis, Haft, zeitweilige
Suspension und Ausstoßung (Hubrich 34 ff). Aehn-
lich ist das Parlamentsrecht in Amerika gestaltet.
In Frankreich (Hubrich 68 ff) hat die Auffassung
der Immunität, als einer Konsequenz der „Heilig-
keit und Unverletzlichkeit“ der Repräsentanten des
Souveräns, die disziplinäre Prävention gegen-
über Störungen des Geschäftsgangs, an Stelle
der Disziplinarstrafgewalt in den Vordergrund
gestellt. Aber auch die dritte Republik hat seit
1877/79 die Strafmittel verschärft: Ordnungsruf,
auch mit Eintragung in das Protokoll, Wortent-
ziehung, Zensur, Zensur mit zeitweiligem Aus-
schluß bis zu 14 Tagen. Mit der Zensur sind als
Nebenstrafen der Wegfall der Diäten für 1 bis 2
Monate, sowie der öffentliche Anschlag im Wahl-
kreis des Betroffenen verbunden. Belgien nähert
sich, namentlich seit dem verschärften Regl von 1897
den französischen Einrichtungen (Hubrich 402fffh.
In Deutschland machte sich, bei der zunächst
meist beschränkten Redefreiheit, das Bedürfnis nach
ausgiebiger Entwickelung der Disziplin nicht so
sehr geltend. Wo aber, wie in Bayern, schon durch
die Verf v. 26. 5. 1818, die unbeschränkte parla-
mentarische Immunität sich durchsetzte, da folgten
sofort strenge Disziplinarvorschriften (val. Gesch O
v. 28. 2. 1825). Regelmäßig war die Disziplin nicht
der Autonomie der K überlassen, sondern gesetzlich
geregelt. Zuerst in Preußen (Verf a 78) wurde
die Disziplin ganz der Autonomie der K anheim-
gestellt, und a 27 RV folgte dem Beispiel. So ist
das Disziplinarrecht des RT und preußischen LT
statutarisches, das der anderen Staaten überwie-
gend gesetzliches. Der & 11 St GB verbietet nur
das „zur Verantwortung ziehen“ eines A. außer-
halb der Versammlung, sodaß die Regelung der
Disziplin in der Versammlung dem Landesstaats-
recht überlassen bleibt, das sie weiterhin gesetzlich
regeln oder der Autonomie der K anheimstellen
kann. Geübt wird die Disziplin von dem Präsi-
denten, gegen dessen Entsch eventuell das Haus
selbst angerufen werden kann (z. B. 60 der
GeschO des R, Fassung v. 16. 2. 95). Straf-
mittel sind (Hubrich 199 ff) ORuf, Wortentziehung,
Verweis, seltener temporärer oder gänzlicher Aus-
schluß (ugl. z. B. Pr. Herrenhaus V v. 12. 10. 54
§5 9, 10; Bayr. G v. 19. 1. 72 a 27, 28). Bei der
Milde der in Deutschland praktisch üblichen Dis-
ziplinarmittel tritt der Charakter der Disziplinar-
strafgewalt, gegenüber der bloßen Abwehr von
Störungen des Geschäftsgangs, zurück. Das geht
schon aus dem Mißverhältnis der angedrohten
Uebel zu der möglichen Schwere der Delikte her-
vor. So ist auch tatsächlich die Disziplin auf das
innerparlamentarische Verhalten, speziell im Ple-
num, beschränkt. Doch könnte eine größere Strenge
(Ausstoßung, Freiheitsentziehung und eine Unter-
stellung auch des außerparlamentarischen Ver-
haltens unter die Disziplin, gesetzlich wie auf
Grund der Autonomie der K (Reich, Preußen)
eingeführt werden (Hubrich 444 ff; A. Seydel in
Annalen 1880, 415 u. Kommentar zur NV 209).
Nur die A. sind der parlamentarischen Disziplin
unterstellt, nicht aber die zur Teilnahme an den
Vhdl berufenen BMitglieder, Min und Reg-
Kommissarien (a 60 d. Preuß. Verf). Doch steht
dem Präsidenten auch diesen gegenüber das Recht
zu, die Geschäfte zu leiten und die Ordnung zu
wahren, also Mißbilligung auszusprechen und Reden
zu unterbrechen (Hubrich 424 ff führt das auf das
vom Präsidenten geübte Hausrecht zurück). Auch
die Zuhörer unterstehen nicht der Disziplinar-
gewalt, sondern dem Hausrecht bezw. der Pol-
Gewalt des Präsidenten (vgl. Bayr. Gv. 19. 1.
72 a 7. RTGeschO §62. Preußen, Herrenhaus-
Gesch O §# 63, A. Haus Gesch O 5#66).
4. Straf= und zivilprozessuale
Privilegien. Die Repräsentativ-Verf ge-
währen den A. regelmäßig in verschiedener Aus-
dehnung Privilegien gegen die Verhängung einer
Straf= oder Zivilhaft und die Durchführung von
Strafverfahren. Diese Privilegien sollen Schutz
gewähren gegen tendenziöse Verfolgungen, durch
die A. von der Ausübung ihrer parlamentarischen
Tätigkeit abgehalten werden könnten. Die be-
scheideneren Privilegien des englisch-amerikani-
schen Rechts hat die französisch-belgische Ggebung
erheblich ausgedehnt, und diese letztere ist von
maßgebendem Einfluß auf Deutschland gewesen
(vgl. Seidler, Die Immunität der Mitglieder
der Vertretungskörper, 1891, 15 ff. Aeltere
deutsche Verf Bestimmungen bei Zöpfl, Deut-
sches Staatsrecht * 2, 362 ff). Vor allem die preu-
ßische Verf und nach ihrem Vorbild die Verf des
Nordd. Bundes und Deutschen Reichs haben diese
Privilegien weit ausgedehnt (RV a 31; Preuß.
Verf a 84). Nach §& 61 der St-Päbleiben die
landesgesetzlichen Bestimmungen „über die Vor-
aussetzungen, unter welchen gegen Mitglieder
einer gesetzgebenden Versammlung während der
Dauer einer Sitzungsperiode eine Strafverfolgung
eingeleitet oder fortgesetzt werden kann“, unbe-
rührt. Es können diese Privilegien also auch in
Zukunft landesrechtlich verändert werden. Die
landesrechtlichen Normen binden alle deutschen
Gerichte, nicht nur die des betreffenden Staates
selbst (A. G. Meyer-Anschütz 341. Zuzu-
geben ist, daß aus der Verschiedenheit der einzel-
staatlichen Privilegien Schwierigkeiten der An-
wendung sich ergeben können). Reichsrechtlich
geregelt ist außerdem das Privileg der LTMit-
glieder gegen Zivilhaft §§J 904, 905 gPO.
Im einzelnen sind folgende prozessuale Privi-
legien gewährt: