Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
  
der Staat für viele öffentliche Genossen- 
schaften nur gewisse Normativbestimmungen, so 
daß diese Verbände ohne ein besonderes Statut 
überhaupt nicht in das Leben treten können. Als 
Beispiele solcher Verbände, die nur mit einem 
Statut in das Leben treten können, für das aber 
der Staat gewisse Normativbestimmungen auf- 
gestellt hat, seien genannt: Deichverbände, öffent- 
liche Wassergenossenschaften, Innungen und Hand- 
werkskammern, Krankenkassen, Berufsgenossen- 
schaften usw. Der Umfang der A. aller dieser 
Verbände kann nur für jeden einzelnen festgestellt 
werden. Ueberall erstreckt sich die A. hier auf die 
Organisation des Verbandes selbst und die Indi- 
vidualrechte des Verbandsmitglieds, ausnahms- 
weise kann die A. durch besondere Vorschrift auch 
dahin erweitert sein, daß die Rechtsverhältnisse 
dritter Personen mitergriffen werden, die dem 
körperschaftlichen Verbande selbst nicht angehören, 
z. B. bei der Berufsgenossenschaft die versicherten 
Arbeiter. Die Erfordernisse für die Aufstellung 
einer neuen Satzung richten sich natürlich nach 
dem speziellen Rechte des betreffenden Verban- 
des; entweder kann die Mitgliederversammlung 
dazu berufen oder es kann die Satzungsgewalt 
einer Repräsentantenversammlung eingeräumt 
sein, hier und da haben auch wohl körperschaftliche 
Einzelvorsteher eine beschränkte Verordnungs- 
gewalt wie z. B. der Deichhauptmann eines Deich- 
verbandes. 
Die neu aufgestellte Satzung muß in den, 
durch die Verfassung des betreffenden Ver- 
bandes vorgeschriebenen Formen verkündet sein, 
im Zweifel wird dazu aber der mündliche Aus- 
spruch vor der beschließenden Versammlung ge- 
nügen. Schon am Schluß der geschichtlichen Be- 
trachtung ist angedeutet, daß die Statuten öffent- 
lichrechtlicher Verbände insbesondere die aller öf- 
fentlichen Genossenschaften heute staatlicher 
Bestätigung bedürfen (vgl. ALR Einleitung 
## 2). Diese geschieht durch einen staatlichen Ver- 
waltungsakt, der teils vom Landesherrn (z. B. für 
Kreis= und Provinzialstatuten), teils von der höhe- 
ren Verwaltungsbehörde (z. B. für statutarische 
Bestimmungen des Gewerberechts), teils auch von 
staatlichen Selbstverwaltungsorganen (z. B. den 
Kreisausschüssen für ländliche Ortsstatuten) vorzu- 
nehmen ist [J Bestätigungl. Die Bestätigung kann 
im Zweifel natürlich von einer vorherigen be- 
liebigen Abänderung des Statuts abhängig ge- 
macht, kraft besonderer Vorschrift darf aber auch 
für einzelne Verbände z. B. Innungen und 
Handwerkskammern die Genehmigung des Sta- 
tuts nur aus gesetzlich bestimmten Gründen ab- 
geschlagen werden. Andrerseits kann unter Um- 
ständen auch beim Nichtzustandekommen einer 
Satzung auf Grund besonderer Vorschriften der 
Staat ein Statut oktroyieren. Das gilt z. B. für 
die Berufsgenossenschaften. Dem Recht der Be- 
stätigung entspricht im Zweifel kein Recht, die 
Satzungen durch Verwaltungsakt wieder außer 
Kraft zu setzen, wie solches für statutarische Be- 
stimmungen gewerberechtlicher Art unter gewissen 
Voraussetzungen der Zentralbehörde eingeräumt 
ist. Hie und da kann aber auf die Abänderung 
eines Statuts auch durch die Drohung der staat- 
lichen Auflösung des betreffenden Verbandes hin- 
gewirkt werden (z. B. bei Innungen). — Der 
Richter hat bei autonomen Satzungen zu prü= fassungsgcsetz, die 
  
Autonomie (Hoher Adel) 
fen, ob das betreffende Statut innerhalb der 
Grenzen der A. des betreffenden Verbandes, 
bezüglich des Beweises sind Statuten von der 
ZPO dem Gewohnheitsrecht und dem fremden 
Rechte gleichgestellt (3PO §s 293). 
3. Die Autonomie des Hochadels im be- 
sonderen. Kraft seiner bevorzugten sozialen Stel- 
lung hat der Hochadel sich nicht nur den altdeut- 
schen Sippeverband der weiteren Familie, um- 
gewandelt zu einer genossenschaftlichen Körper- 
schaft, erhalten können, die als besonderes Rechts- 
subiekt die einzelnen jeweiligen Genossen über- 
lebt, sondern hier finden wir auch noch, freilich 
nicht überall in gleichem Umfang die mittelalter- 
liche Befugnis des hochadeligen Hauses als eines 
besonderen Rechtskreises zu besonderer Rechts- 
bildung. Seit dem 14. Jahrhundert entwickelt 
der Hochadel in körperschaftlich organisierten 
Häusern zur Erhaltung des splendor familiae 
namentlich ein besonderes Familien= und Güter- 
recht und es gelingt ihm, das Eindringen der 
römisch-rechtlichen Normen in diesen Beziehungen 
so gut wie völlig auszuschließen. Bei dem paral- 
lelen Charakter der bezüglichen Hausgesetze und 
Observanzen entsteht so das auf die bezüglichen 
Verhältnisse des Hochadels im Zweifel anzuwen- 
dende sogen. „gemeine Privatfürstenrecht“ als 
spezielles Gewohnheitsrecht des gesamten Hoch- 
adcls, das aber von jeder partikularen Festsetzung 
eines einzelnen Hauses und im Zeitalter des Ab- 
solutismus auch von landesherrlichen Verordnun- 
gen durchbrochen werden kann. Die Mediatisie- 
rung zahlreicher Familien des Hochadels in napo- 
leonischer Zeit hat dann aber trotz à 14 Ziff. 2 
der deutschen Bundesakte dazu geführt, daß heute 
innerhalb des Hochadels in bezug auf den Umfang 
der A. eine scharfe Scheidung eingetreten ist zwi- 
schen den regierenden Familien, einschließlich der 
1866 Depossedierten einerseits, und den Mediati- 
sierten andrerseits [UDepossedierte, Me- 
diatisiertel. Die Frage des Umfangs der A. 
der hochadeligen Häuser muß deshalb nach jenen 
beiden Kategorien getrennt beantwortet werden. 
A. Der Umfang der Autonomie 
der regierenden Familien: 
Bezüglich des Privatrechts bestimmt 
à 57 Ec z. B#Be: „In Ansehung der Landes- 
herrn und der Mitglieder der landesherrlichen 
Familien sowie der Mitglieder der fürstlichen 
Familie Hohenzollern finden die Vorschriften des 
B## nur insoweit Anwendung, als nicht beson- 
dere Vorschriften der Hausverfassungen oder der 
Landesgesetze abweichende Bestimmungen ent- 
halten. Das gleiche gilt in Ansehung der Mitglie- 
der des vormaligen Hannoverschen Königshauses, 
des vormaligen Kurhessischen und des vormaligen 
Nassauischen Fürstenhauses“. Indem ein G v. 
25. 3. 04 die Sonderstellung auch auf das Herzog- 
lich Holsteinische Fürstenhaus ausdehnte, sind 
also alle 1866 Depossedierten, von denen übrigens 
die Nassauische Familie in Luxemburg wieder 
sonverän geworden, den landesherrlichen Häusern 
gleichgestellt. Derselbe Vorbehalt gilt nach GBO 
5 83 (vgl. auch § 90), nach dem EG z. GVG 82 
und nach FG#G # 189 auch für die Vorschriften 
dieser Gesetze. Ein entsprechender Vorbehalt wie 
für das BB und seine privatrechtlichen Neben- 
gesetze gilt aber auch für das Gerichtsver- 
Strafprozeß-
	        
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