Autonomie (regierende Familien)
293
ordnung, die Zivilprozeßordnung
und die Konkursordnung. Die bezüglichen
Vorschriften des EG z. GVG g 5, der StPO
5 71 Abs 1, des EG z. StPO 8 4, des EG z. 8PO
z 6, des EG z. KO 87, die sich ursprünglich nur
auf die regierenden Familien bezogen, sind nach-
träglich mit dem a 57 EG z. BGB in Einklang
gebracht (vgl. Gesetz betr. Aenderungen des
GVG und der StPO v. 17. 5. 98 a II, EG z. G
betr. Aenderungen der ZPO v. 17. 5. 98 a II
und des EG z. G betr. Aenderungen der KO vom
gleichen Tage a II Nr. 3), sodaß nunmehr auch
die Depossedierten auf allen vorgenannten Ge-
bieten A. besitzen. — Am wichtigsten ist die A. auf
dem Gebiete des Privatrechts gemäß a 57. In
erster Linie sollen also auf dem Gebiete des gesam-
ten Privatrechts die Vorschriften der Hausver-
fassungen entscheiden. Unter den Vorschriften
der Hausverfassungen einbegriffen ist als subsi-
diäre Quelle auch noch das gemeine deutsche Pri-
vatfürstenrecht, auch für dieses gilt also der Vor-
behalt des a 57 EE (vgl. P. II. 6 S 743,
RKG 2, 149;: 26, 149). Wird in den Hausverfas-
sungen auf bestehende Gesetze verwiesen, so ist
zu untersuchen, ob die fraglichen Bestimmungen
Bestandteile der Hausverfassung sein sollen oder
ob hier nur auf das allgemeine Recht verwiesen
ist; im ersteren Falle würden sie durch das BGB
unberührt bleiben, im letzteren Falle gemäß a 4
des EG z. BGB durch die Vorschriften des BG B
ersetzt werden. Soweit etwa bisher Aenderungen
der Hausverfassung nach den Landesgesetzen ab-
hängig waren von der Einhaltung gewisser Vor-
schriften, z. B. der Mitwirkung der Landesgesetz-
gebung bedarf es der Einhaltung der betreffenden
Vorschriften auch ferner, da ebensogut wie die
Hausverfassungen auch die bestehenden Landes-
gesetze aufrecht erhalten sind. Es ist auch keines-
wegs die Absicht des a 57 E z. B gewesen,
in dem Verhältnis der beiden Rechtsquellen A.
und Landesgesetze eine grundsätzliche Aenderung
herbeizuführen und das Verhältnis der Unter-
ordnung, in welchem sich richtiger Meinung nach
auch die autonomen Satzungen des landesherr-
lichen Hauses zur Staatsgesetzgebung befinden,
für die Zukunft aufzuheben. Konnte vor 1900
ein Staatsgesetz die ganze A. des landesherrlichen
Hauses beseitigen und letzteres dem gemeinen
Recht unterwerfen, so ist das auch jetzt noch der
Fall, das Verhältnis der beiden Rechtsquellen
zu einander ist eine Frage des inneren Staats-
rechts, in die a 57 nicht eingreifen will. Etwas
anderes hat Rehm (Modernes Fürstenrecht 64 fff)
aus à 57 herausgelesen, indem er den auffallenden
Gegensatz zu à 58 betont. Nach diesem sollen die
Vorschriften der Hausverfassungen für die Me-
diatisierten nur noch „nach Maßgabe der Landes-
gesetze“ gelten. Der ganze Gegensatz wird sich aber
darauf beschränken, daß auf Grund des a 57
beim Stillschweigen der Landesgesetze für die
Hausverfassungen Geltung beansprucht werden
kann, während umgekehrt die A. der Modiati-
sierten nur da Platz greifen soll, wo ihr das Landes-
recht ausdrücklich Raum gegeben hat. Der
Beweis, daß Rehms Auffassung von der reichs-
rechtlichen Garantie der landesherrlichen A. gegen
Abänderung durch einzelstaatliches Gesetz, der ich
selbst früher für das Gebiet des Privatrechts ge-
folgt bin (Der Staat und die Agnaten S 46), irrig
— — —
ist, ergibt sich aus dem genaueren Studium der
Materialien zu jenem a 57. So sagen die Motive
zum ersten Entwurf S 10:, Die A. der souveränen
Häuser muß, wie sie bisher bestanden
hat, auch ferner bestehen . . . es gehen dem
bürgerlichen Gesetzbuch vor sowohl die zur Zeit
der Einführung bestehenden, als auch die künftig
erlassenen haus= oder landesgesetzlichen Vor-
schriften“. Und die Motive zum E (früher a 33,
jetzt à 57) bemerken, daß die Fassung sich den ent-
sprechenden Bestimmungen der Ec z. GV,
zur Z3PO, zur KO und zur StPanschließe.
Das ist auch in der Tat wörtlich der Fall. Für
alle jene andern Gebiete ist aber, soweit ich sehe,
noch niemals behauptet worden, daß hier das be-
treffende Reichsgesetz die bezügliche A. gegen-
über der einzelstaatlichen Gesetzgebung habe ga-
rantieren wollen. Das ist also auch hier nicht der
Fall. Die Rehmsche Lehre wäre also nur aufrecht
zu erhalten, wenn, wie Rehm selbst freilich be-
hauptet, das landesherrliche Haus niemals der
Staatsgesetzgebung unterworfen worden wäre.
Erst recht liegt in a 57 nicht die reichsrechtliche
Anerkennung der Unentziehbarkeit von Thron-
ansprüchen. In diesem Zusammenhang ist über-
haupt darauf hinzuweisen, daß für das landes-
herrliche Haus die A. dadurch wesentliche Be-
schränkungen erfahren hat, daß wie das regierende
Haus selbst gleichzeitig eine gewisse öffentlich-
rechtliche Stellung im Staate besitzt und auch
einen öffentlichrechtlichen Verband darstellt, die
Normen betreffend die Volljährigkeit,
das Vormundschaftswesen, die Un-
veräußerlichkeit des Familiengu-
tes, die in dasselbe stattfindende Indivi-
dualsukzession ufw. die Grundlage der
bestehenden staatsrechtlichen Verhältnisse bilden.
Damitt ist freilich nicht gesagt, daß die A. des sürst-
lichen Hauses in allen bezüglichen Fragen jetzt zu
völliger Einflußlosigkeit verurteilt wäre. Nicht
immer sind die betreffenden hausrechtlichen Nor-
men in die Verfassung mit hinübergenommen,
sondern hier und da ist auch der fürstlichen Familie
noch die rechtliche Möglichkeit geblieben, mit Wir-
kung für den Staat neue hausrechtliche Normen
zu schaffen.
Was die wichtigsten Fragen der Thron-
folge und Ebenbürtigkeit anbetrifft, so sind
unter diesem Gesichtspunkt vier Gruppen von
deutschen Verfassungen zu unterscheiden. 1. In
Sachsen-Weimar, Eisenach, Anhalt, Schwarzburg-
Rudolstadt und Lippe schweigt die Verfassung über
das gesamte Thronfolgerecht, hier erscheint des-
halb die A. des landesherrlichen Hauses noch ma-
teriell unbeschränkt kompectent. 2. Eine zweite
Gruppe von Verfassungen hat das gesamte Thron-
folgerecht in die Verfassung ausgenommen durch
Bezugnahme auf die Hausgesetze. Das gilt von
Baden, Preußen, Sachsen-Meiningen, Sachsen-
Altenburg und Reuß ä. L. Hier hat die A. der
regierenden Familie ihre Kompetenz verloren,
während die Verfassung von Reuß j. L. v. 14. 4.
1852 in § 11 ein Zusammenwirken von Haus= und
Staatsgesetzgebung vorsieht und nur die Frage
der Ebenbürtigkeit noch der ausschließlichen A.
des fürstlichen Hauses überläßt. 3. In einer dritten
Gruppe von Verfassungen sind statt eines allge-
meinen Hinweises auf die Hausgesetze die sämt-
lichen Normen über die Thronfolgeordnung und