Bauwesen (IV. Württemberg)
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a 23 der BO v. 1872 an beiderseits angebauten
oder anzubauenden Ortsstraßen von der Ober-
fläche der Straße bis zur Dachtraufe gemessen,
die Breite der Straße nicht um 4,5 m übersteigen.
Die BO von 1910 trifft hier durchgreifende
Aenderungen. Einmal darf die Höhe der an die
Baulinie gestellten Vordergebäude — bei den
mit der Traufe gegen die Straße gestellten Ge-
bäuden bis zur Traufe, und bei Giebelhäusern bis
zu einem Dritteil des Giebels gemessen — das
Maß der Straßenbreite, einschließlich der im
Ortsbauplan vorgesehenen Vorgärten und Vor-
plätze nicht überschreiten (Maximalhöhe für Wohn-
gebäude: Traufe 20, Giebel 28 m); Ausnahmen
für öffentliche Gebäude, Gebäude an öffentlichen
Plätzen, in engbebauten Stadtteilen, sowie für
die Erneuerung der bestehenden höheren Gebäude
sind vorgesehen. Sodann soll die Zahl der Stock-
werke bei Wohngebäuden in Landgemeinden und
den Außenbezirken großer und mittlerer Städte
nicht mehr als 3, im übrigen nicht mehr als 4 be-
tragen; Ausnahmen sind auch hier in ähnlicher
Weise, wie bei den Bestimmungen über die Höhe
in weitgehendstem Maße zugelassen. Die Hinter-
gebäude dürfen das an der Straße zulässige Höhen-
maß der Vordergebäude nicht überschreiten.
Eine weitgehende Umarbeitung werden nach
diesen Vorschriften die auf Grund der BO v. 1872
bestehenden ortsbaustatutarischen Bestimmungen
über die Gebäudehöhe (Stuttgart, Ulm, Nür-
tingen usw.) zu erfahren haben.
d) Hoftiefe und Seitenabstand. Nach a 28 der
BOv. 1872 muß jeder B so angelegt werden, daß
im Falle eines Brandes für die Feuerlösch= und
Rettungsanstalten der erforderliche Raum gegeben
ist und entsprechende Zugänglichkeit besteht. Dem-
gemäß verlangt § 23 VWV, daß jedes Vorder-
gebäude an seiner Rückseite und jedes Hinter-
gebäude an seiner Vorderseite einen freien Hinter-
hof von mindestens 2,1 m Tiefe hat. Außerdem
sind überall, wo nicht öffentliche Feuergassen be-
stehen, genügende Zu= und Durchfahrten von
mindestens 2,1 m Breite und 2,6 m Höhe herzu-
stellen. Durch Urteil des VG. 12. 6. 93 Nr. 1618
ist anerkannt, daß diese Vorschriften, wenn sie
auch unmittelbar nur die Wahrung feuerpolizei-
licher Rücksichten bezwecken, doch tatsächlich zu-
gleich dem gesundheitspolizeilichen Interesse, der
Zuführung von Luft und Licht in das Innere der
B Quartiere dienen.
Die BO v. 1910 geht hier viel weiter. Sie stellt
2 Regeln auf:
1. Die Flächenregel (a 46): Bei jedem
Gebäude ist ein Hofraum unüberbaut zu lassen,
dessen Größe bei Gebäuden von nicht mehr als
8 m Höhe mindestens der Hälfte der überbauten
Fläche gleichkommt und bei höheren Gebäuden
mit jedem vollen Meter weiterer Höhe um drei
vom Hundert der überbauten Fläche zunimmt.
2. Die Abstandsregel (a a8) unterscheidet
zwischen Vorder= und Hintergebäuden einerseits
und Außenseiten mit Haupt= oder Nebenfenstern
andererseits. Bei Außenseiten mit Hauptfenstern
d. h. solchen, die die Zuführung des Tageslichts
zu Ausfenthaltsräumen ausschließlich oder vorzugs-
weise vermitteln, muß die Entfernung von der
Eigentumsgrenze mindestens 3 m betragen. Die-
ses Maß steigert sich bei mehr als 8 m hohen Ge-
bäudeseiten um 0,3, bei Hintergebäuden um 0,6 m
— — — —
für jedes volle Meter weiterer Höhe. Bei Hinter-
gebäuden erhöhte sich das Grundmaß und der
Steigerungssatz um das Doppelte. Bei Außen-
seiten mit Nebenfenstern genügt durchweg ein
Abstand von 2 m.
Zahlreiche Sonder= und Ausnahmevorschriften
sollen etwaige Härten, die sich aus diesen Regeln
ergeben könnten, mildern, machen aber auch ihre
Anwendung noch komplizierter. Die BO v. 1872
hatte den Ortsbausatzungen vorbehalten, Bestim-
mungen über die Gebäudeabstände zu treffen,
welche das im Gesetz vorgesehene Maß über-
schreiten, und es hatten von dieser Befugnis sehr
viele Gemeinden Gebrauch gemacht, insbesondere
finden sich überall Vorschriften über die mit den
Vordergebäuden einzuhaltenden Seitenabstände,
und hier war wieder der 3 m-Abstand am meisten
verbreitet. Eine durchgreifende Aenderung dieser
Bestimmungen auf Grund der B0O v. 1910, die
hier den Ortsbausatzungen auch Milderungen zu-
läßt, ist für die nächsten Jahren in Aussicht zu
nehmen.
e) Ueber die Konstruktion der Gebäude
sagt a 35 BO v. 1872 und a 67 B0O v. 1910:
Jeder B muß seinem Zweck entsprechend fest und
feuersicher hergestellt und auch im übrigen so an-
gelegt und unterhalten werden, daß dadurch die
Gesundheit, Sicherheit und (nach der BO v. 1910)
auch die Sittlichkeit nicht gefährdet wird. Dieser
Artikel erlangte in der Praxis eine große Bedeu-
tung. Er gab mangels besonderer Vorschriften eine
weitgehende Handhabe, um die im Interesse der
Gesundheit an Licht und Luftzufuhr zu stellenden
Anforderungendurchzusetzen und die verschiedensten
Konstruktionen der modernen Technik auf ihre Si-
cherheit zu prüfen. So müssen für alle Eisenbeton-
und alle schwierigen Eisenkonstruktionen statische
Berechnungen vorgelegt werden. Bei ihrer Prü-
fung werden die preußischen Bestimmungen zu
Grund gelegt. Den O St gab a 35 die Befugnis
zu Bestimmungen über Herstellung feuersicherer
Treppen, sowie über Dachwohnungen, Unterge-
schoß= und Kellerräume u. a. Bei Warenhäusern,
Theatern und größeren Hotels wurden auf Grund
des # 35 die erforderlichen besonderen B Vorschrif-
ten aufgestellt. Nach a 37 BO v. 1872 und a 69
BO v. 1910 sind die Außenseiten der Gebäude in-
soweit durchaus mit feuersicheren Mauern herzu-
stellen, als sie nicht 2,3 m von anderen Gebäu-
den abstehen.
Die BO v. 1910 läßt eine Reihe wesentlicher
Ausnahmen von dieser Regel zu. Vor allem ge-
nügt bei Gebäuden mit nicht mehr als zwei vollen
Stockwerken eine ausgemauerte, beiderseits ver-
blendete Fachwerkswand ohne Oeffnungen, wenn
in Entfernungen von wenigstens je 25 m (bei
Wohngebänden 50 m) entweder vorschriftsmäßige
Brandmauern erstellt oder Abstände von wenig-
stens 2,3 (6 m) eingehalten werden. Für Schup-
pen und ähnliche B. sind sowohl in der BO v. 1872
(a 10—42), als auch — und zwar in noch weit-
gehenderem Maße — in der BO v. 1910 (à 76
bis 83) weitere Erleichterungen geschaffen. Dach-
deckung der Gebäude s. a 43 BO v. 1872, a 85
BO v. 1910 — Abscheidung von Wohn= und
Scheuerräumen a 48 B0 v. 1872, a 89 B0O v.
1910 — Verschärfungen bei größeren und be-
sonders feuergefährlichen Gebäuden a 47 B0O v.
1872, a 88—92 B0 v. 1910.