Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

Jahres 1848 machten sich auch im Gewerbeverein 
geltend, die Statuten des Vereins wurden einer 
Revision unterzogen und im Regl Nr. 17 von 
1849 veröffentlicht. Die Gründung des Gewerbe- 
blattes für das Großh. Hessen als Vereins- 
zeitschrift fällt mit dieser Statutenrevision zu- 
sammen. Die Satzungen bestehen im wesent- 
lichen noch heute. Im Jahre 1867 wird die amt- 
liche Benennung „Zentralbehörde für die Gewerbe 
und den Landesgewerbeverein“ eingeführt und 
ein ständiger Sekretär bestellt (Regl 1867, 95); 
die noch heute gültige Benennung „Zentralstelle 
für die Gewerbe“ dagegen im Jahre 1892 gleich- 
zeitig mit einer Statutenänderung (Reg Bl 1892, 
83). Heute ist die „Zentralstelle für die Gewerbe“ 
die geschäftsführende Stelle für den im Jahre 
1836 gegründeten Gewerbeverein für das Großh. 
Hessen, ihr liegt die berufliche und wirtschaft- 
liche Förderung seiner Mitglieder und der ein- 
heimischen Gewerbestände ob, sie bildet die 
Vermittelung zwischen Handwerkern und Reg 
und war so eine Art Handwerkskammer im 
Sinne des Abschnitts IV Titel VI der GewO 
v. 26. 7. 97. 
Die Zentralstelle für die Gewerbe führt außer- 
dem namens des Landesgewerbevereins (Sta- 
tuten v. 10. 10. 98) unter Oberaufssicht des Min Inn 
die obere Leitung des organisierten hessischen ge- 
werblichen und besonders des baugewerblichen 
Unterrichtswesens, wie es sich aus den bescheidenen 
Anfängen des Jahres 1840 entwickelt hat (B- 
Gewerk= und Kunstgewerbeschulen, technische Lehr- 
anstalten, Gewerbe= und Fachschulen, Handwerker-, 
Sonntags-, Zcichenschulen und Abendschulen). 
Von der Zentralstelle werden alljährlich und zwar 
seit dem Jahre 1899 Meisterkurse veranstaltet und 
Vorbereitungskurse für Gesellen= und Meisterprü- 
fungen unterstützt. Auf diesem Gebiet berühren 
sich die Interessen der Zentralstelle und diejenigen. 
der Handwerkskammer. 
84. Arbeitgeber. Das Großh. Hessen besaß 
im Gegensatz zu anderen Staaten keine besondere 
Gewerbeordnung. Die allgemeinen Normen für 
die inländische Gewerbegesetzgebung waren im 
Sinne der Gewerbefreiheit durch legislatorische 
Akte (Gewerbesteuergesetz usw.) gegeben. Die 
Arbeitgeber waren daher im allgemeinen keinen 
Beschränkungen unterworfen, nur die Bpand- 
werker waren an den Befähigungsnachweis ge- 
bunden. Die Vo. 14.#. 41 forderte vom Zimmerer, 
Schreiner, Maurer, Steinhauer, Dachdecker, Zieg- 
  
  
ler, Schlosser, Spengler und Glaser die Ablegung 
der Meisterprüfung. Aufgehoben wurde dieser Be- 
fähigungsnachweis erst mit der Einführung der 
Reichsgewerbcordnung. Secit dieser Zeit stehen 
die Arbeitgeber im Bandwerk auch in Hessen auf 
reichsgesetzlich geordnetem Boden. Die Novelle 
v. 26. 7. 97 führt in §&§ 129 u. 133 wieder die Frei- 
heit beschränkende Vorschriften ein. Die Beschrän- 
kungen beziehen sich jedoch nur auf das Halten 
von Lehrlingen und die Führung des Meister- 
titels. Zur theoretischen Ausbildung ist den B- 
handwerkern durch das organisierte Gewerbe- 
schulwesens' cireichlich Gelegenheit gegeben. Es 
bestehen 16 Gewerbe-, Kunstgewerbe= und Fach- 
schulen, 118 Handwerkszeichenschulen und 37 ge- 
werbliche Fortbildungsschulen. Unter den ersteren 
Bingen, Offenbach, Worms und Gießen und 
die Kunstgewerbeschule zu Mainz. 
Ein höherer Grad der Fachbildung kann an der 
technischen Hochschule in Darmstadt er- 
worben werden, auch der Grad eines Diplom- 
Ingenieurs und Doktor-Ingenieurs. 
Die Freiheit in der Ausübung des Bauhand- 
werks selbst ist durch landesgesetzliche Vorschriften 
nicht beschränkt, nur die BäAusführungen stehen 
auf Grund der allgemeinen BO v. 30. 4. 81 
unter behördlicher Aufsicht. Hierzu besteht ein 
Erl des Min Inn über verschärfte B Kontrolle, 
als Erweiterung des a 77 der BO. Mit diesen 
Vorschriften und einigen Bestimmungen des 
St GB und des hessischen Polizeistrafgesetzes ist 
man der Freiheit bis zu einem gewissen Grad wie- 
der entgegengetreten, allerdings nur in objektivem 
Sinne, im Interesse einer gesunden BüAusführung. 
Wegen Beschränkungen subiektiver Art durch die 
Novelle v. 7. 1. 07 zur GewO (Untersagung des 
BG) und des R v. 1. 6. 09 über die Sicherung 
der BForderungen vgl. oben Bauwesen im 
Reiche. Neben der über das ganze Reich aus- 
gedehnten Tiefbauberufsgenossenschaft übt in 
Hessen die Hessen-Nassauische Baugewerks- 
berufsgenossenschaft die Bnontrolle im Sinne der 
zur Berufsgenossenschaft zusammengeschlossenen 
Arbeitgeber aus. Die verschärften Unfallverhü- 
tungsvorschriften dieser Genossenschaft stammen. 
v. 1. 1. 04. 
Die Arbeitgeber der Baugewerbe sind hinsicht- 
lich der Wahrung ihrer beruflichen Interessen an 
die seit dem Jahre 1900 in Darmstadt ein- 
gerichtete Handwerkskammer angegliedert, ge- 
hören auch meist den Ortsgewerbevereinen an 
und finden durch diese Verbindung mit der Zen- 
tralstelle für Gewerbe und der obersten Staats- 
behörde, dem Min Inn. 
5. Bauarbeiter. Wie sich die Reg die För- 
derung des Gewerbes und der Arbeitgeber hat 
angelegen sein lassen, so hat sie auch ihr Augen- 
merk den Arbeitnehmern zugewandt und Ver- 
ordnungen zum Schutz von Leben und Gesund- 
heit erlassen (V v. 9. 8. 52, betreffend Maßregeln. 
gegen die in Zündholzfabriken vorkommenden 
Kiefernknochenkrankheiten, Reg Bl 353) usw. 
Diese Verordnungen sind mit der GewO außer 
Kraft getreten, sodaß für die Bauarbeiter z. Zt. 
nur die Bestimmungen der GewO § 105, 134 
bis 139, 154, soweit sie sich auf gewerbliche Ar- 
beiter ((| beziehen, Anwendung finden. Die auf 
Bauten beschäftigten Arbeiter fallen jedoch nicht 
unter diese Bestimmungen. Die Bauarbeiter 
unterliegen der Kranken= und Invalidenversiche- 
rung genau so, wie die anderen gewerblichen Ar- 
beiter, für die Unfallversicherung ist das Baul VG 
maßgevend. Auf Grund dieses Gesetzes ist für 
Hesson die Hessen = Nassauische Baugewerks- 
berufsgenossenschaft eingerichtet, die im Interesse 
der Sicherstellung für Leben und Gesundheit der 
Bauarbeiter bei Ausübung ihres Berufs, Unfall- 
verhütungsvorschriften erlassen hat und durch 
besonderec technische Beamte überwachen läßt. Die 
befindet sich die Landesbaugewerkschule in Darm- 
stadt, die Baugewerk= und Gewerbeschule zu 
Berufsgenossenschaften werden auf diesem Ge- 
biet in den größeren Städten durch Baupoli- 
zei-Beamte unterstützt, auch diese überwachen 
dic Arbeiterschutz-Vorschriften, namentlich die 
von den BPBehörden erlassenen besonderen Be- 
stimmungen (Darmstadt Pol v. 18., 6. 0),
	        
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