Bauwesen (VII. Elsaß-Lothringen) 347
wickelt geblieben. Gesetzgebung und Rechtspre= Bodens, nicht der des Gebäudes vergütet. Ver-
chung befassen sich fast ausschließlich nur mit dem ringert endlich der Baufluchtplan die Straßen-
alignement. Der Begriff des alignement ist ein breite, so können die Anlieger die freiwerdenden
vielseitiger. Man versteht unter alignement die Straßenstücke erwerben; erwerben sie diese nicht,
den Anliegern öffentlicher Straßen bei Bebauung so darf ihnen ihr ganzer Besitz zwangsenteignet
ihrer Grundstücke auferlegten Beschränkungen,, werden.
die Feststellung der Grenzlinie zwischen Straße Die Einzelbauflucht erteilt an den Staats--,
und Privateigentum und schließlich die Grenzlinie, Bezirks= und Vizinalstraßen der Bezirkspräsident,
die Bauflucht, selbst. Die Baufslucht, die nach wenn kein allgemeiner Baufluchtplan aufgestellt
der Auffassung der französischen Jurisprudenz ist, andernfalls der Kreisdirektor; an allen übrigen
eine Legalservitut ist, besteht nicht gegenüber allen Straßen der Bürgermeister, bei Vizinalstraßen
Straßen und Wegen des Landes, sondern nur unter Zustimmung des Kreisdirektors. Gegen die
gegenüber den Staats-, Bezirks-, Vizinalstraßen, Entscheidungen ist Beschwerde an die vorgesetzte
den Vizinalwegen, den öffentlichen Straßen und Behörde möglich. Gegen die Verfügung des Be-
Plätzen der Gemeinden, den militärischen Straßen, zirkspräsidenten, durch die die Bauflucht festge-
den Eisenbahnen und Schiffahrtskanälen. Von setzt, die polizeiliche Erlaubnis zu baulichen Ar-
der Baufluchtservitut sind also befreit Privat= beiten erteilt oder Bäusführungen verhindert
straßen und Plätze, wenn sie auch dem öffentlichen oder beseitigt werden, kann Rekurs an den Kaiser-
Verkehr dienen, Feldwege, die im Privateigen= lichen Rat eingelegt werden, sofern Verletzung
tum der Gemeinden stehen, die Leinpfade und die des bestehenden Rechtes behauptet wird (V v.
natürlichen Wasserläufe; schließlich braucht an 22. 4. 02, Gl 32).
Straßen, die erst projektiert, noch nicht ausgeführt Vorsprünge, Saillies (Sockel, Pilaster,
sind, die Bauflucht nicht beobachtet zu werden. Gesimse, Erker, Balkone, Sonnen-Wetterdächer,
Jedoch greifen hier für gewisse Gemeinden Aus= Prellsteine) dürfen nur mit besonderer Genehmi-
nahmen Platz (s. a. E.). gung der die Bauerlaubnis erteilenden Behörde
Abgesehen von den auf militärfiskalischem Ge= angebracht werden. Direktiven sind in den Nor-
biet errichteten militärischen Gebäuden sind alle malreglements für die großen Straßen v. 21. 7.
an den in Betracht kommenden Straßen oder 54 a 290, 20. 9. 58 a 79 und in den Pol Verord-
Plätzen liegenden Grundstücke der Bauflucht un= nungen für die Ortsstraßen enthalten. Auch der
terworfen. Für jeden B— im weitesten Sinne ver= mit Erlaubnis angebrachte Vorsprung ist jederzeit
standen — ist Bauerlaubnis notwendig. Der zu beseitigen, wenn es die Baubehörde verlangt.
Alignementsverpflichtung muß aber nur bei Bau= Abgesehen von der strafrechtlichen Ahndung
ten unmittelbar an der Grenzlinie (le long des (§ 367 Ziff. 15) ist die Entfernung aller die Bau-
chemins, le long et joignant les routes) genügt flucht nicht einhaltenden Baulichkeiten und der
werden. Bauten hinter der Baufluchtlinie darf unerlaubten Festigungsarbeiten an Frontmauern
die Genehmigung unter dem Gesichtspunkt des zulässig. Die Zulässigkeit wird abgesehen von den
Alignements nicht versagt werden, wenn auf der Fällen dringender Gefahr bei den Straßen des
Grenzlinie eine Trennungsmauer errichtet wird. großen Straßenwesens und den Vizinalstraßen
Die Erteilung der Bauflucht im einzelnen Fall; von den Bezirksräten, im übrigen von den Zivil-
(alignement partiel) hat verschiedene gerichten ausgesprochen.
rechtliche Bedeutung je nach dem, ob ein allge- Baufällige Häuser an bööffentlichen
meiner Baufluchtplan besteht oder nicht. Ist kein Straßen sind auf Aufforderung auszubessern oder
allgemeiner Baufluchtplan vorhanden, so muß niederzureißen (Unterlassung strafbar nach § 367
BErlaubnis erteilt werden, sofern die Grenze Nr. 13 Ste#), nachdem der Bestand des Hau-
nicht überschritten wird. Die Festsetzung der Bau= ses durch Sachverständige geprüft worden ist.
fluchtlinie enthält zugleich auch die Festsetzung der Zuständig ist innerhalb der Städte für Straßen
Straßenlinie. Bauen ohne oder abweichend von des kleinen Straßenwesens der Bürgermeister
der Erlaubnis ist nach § 367 Ziff. 15 StGB straf= (à 3 Tit 11 G. v. 24. 8. 1790), sofern es sich um
bar; Beseitigung des Bauwerks kann nur verlangt große Straßen handelt der Kreiedirektor (V. v.
werden, wenn die Grenze nicht eingehalten ist. 20. 9. 1873, § 1 Nr. 12); für Gebäude an den
Ist ein allgemeiner Baufluchtplan vorhanden — goewöhnlichen Vizinalwegen ist der Bürgermeister,
seine Aufstellung ist an besondere Bedingungen ge= an solchen erster Klasse der Bezirkspräsident oder
knüpft — so sind drei Fälle zu unterscheiden. der von ihm beauftragte Kreisdirektor zuständig
Fällt Straßenbauflucht und Eigentumsgrenze zu= (a 295 Vizinalwege-Reglement). Ist die Nieder-
sammen, so wird durch die Erteilung der Einzel= reißung zu Unrecht erfolgt, war insbesondere
bauflucht an den Eigentumsverhältnissen nichts das Haus nicht baufällig, so ist der Eigentümer
geändert. Ergreift die Straßenbauflucht Privat= zu entschädigen. Ueber die Entschädigung, die
eigentum, so treten mit der Erteilung der Einzel= von dem Eigentümer der Straße, zu deren Gunsten
bauflucht die Wirkungen der Zwangsenteignung die Maßregel getroffen worden ist, zu zahlen ist,
ein. Unbebaute Flächen werden Bestandteil der erkennt der Bezirksrat in erster, der Raiserliche
Straße oder des Platzes, also öffentliches Eigen= Rat in zweiter Instanz.
tum. Bebaute oder eingefriedigte Grundstücke Besondere banrechtliche Vorschriften gel-
werden erst dann mit dem öffentlichen Eigentum ten nur in einigen Gemeinden des Landes.
verbunden, wenn der Eigentümer die Frontmauer a) In Mülhausen, Metz und Straßburg muß
abtragen läßt oder wenn sie durch Naturereignisse der Alignementsplan auch die Höhenlage
einstürzt. Um diesen Zeitpunkt möglichst bald her- (nivellement) festsetzen (Dekret v. 26. 3. 52).
beizuführen, ist die Vornahme von „travauz b) Die Erlaubnis, an den Gebäudefronten Ar-
confortatifs“ zu untersagen. Als Ersatz für die beiten vorzunehmen, die Straße vorübergehend
entzogenen Flächen wird der Wert des Grund und zu benutzen, Vorsprünge anzubringen, wird in