Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

Riederlande. (Dez. 6. 9.) 377 
vom 11. Nov. waren derartig, daß man mit der Wiederaufnahme der Feind- 
seligkeiten nicht mehr zu rechnen brauchte. Die holländ. Regierung beschloß 
daher, überflüssig gewordene Internierungen von Truppen der Kriegführenden 
aufzuheben. Die engl. Regierung erklärte, daß sie gegen die Freilassung 
auch deutscher Kriegsgefangener in Holland nichts einzuwenden habe. Eine 
Abweisung des deutschen Ersuchens um Durchzug hätte gegen das Interesse 
der Bevölkerung Nordbelgiens verstoßen, wo ein bewaffneter Konflikt nicht 
ausgeschlossen gewesen wäre und einen unbedingten Rückschlag auf die Be- 
völkerung gehabt hätte. Deshalb gestattete Holland den Durchzug unter der 
Bedingung, daß Waffen und Kriegsmaterial in Holland zurückgelaffen würden. 
Ein Protest von seiten der Entente wurde nicht erhoben. Die Kriegsschiffe 
der Kriegführenden, die in holländ. Gebiet kommen sollten, werden interniert 
werden. So ist es auch mit den aus Antwerpen kommenden Torpedobooten 
geschehen. Aus Belgien kommenden Schiffen gestattet Holland die Durchfahrt 
nach Deutschland nicht, wenn die Schiffe von belg. Eigentümern stammen. Die 
anderen Schiffe haben freie Durchfahrt nach Deutschland. (S. ferner S. 356 f.) 
6. Dez. Verbandshetze gegen die niederländ. Gesandten in China 
und Siam. 
„Reuter“ meldet, daß die chinesische Regierung eine Note an 
Holland gerichtet hat, in welcher die Zurückberufung des niederländ. Ge- 
sandten in Peking verlangt wird. Auch wird berichtet, daß ernstliche Rei- 
bungen zwischen der siamesischen Regierung und dem niederländ. Vertreter 
in Bangkok eingetreten sind. Nach der „Reuter“-Darstellung hätten beide 
Gesandte während der Kriegszeit zum Nachteil des Verbandes gewirkt. 
Das niederländ. Ministerium des Aeußeren bestätigt amtlich die 
Meldung, China habe die Abberufung des holländ. Gesandten in Peking 
verlangt. Die Schwierigkeiten seien offenbar aus der Wahrnehmung der 
deutschen und österr. Interessen durch die holländ. Gesandtschaft während 
der Kriegszeit entstanden. Von Reibungen zwischen der siamesischen Re- 
gierung und dem niederländ. Gesandten in Bangkog, der mit der Wahr- 
nehmung dieser Interessen vertraut war, sei dem Ministerium des Aeußern 
nichts bekannt. — Am 16. verläßt der holländ. Gesandte im Auftrage seiner 
Regierung Peking. 
9. Dez. (Zweite Kammer.) Asylrecht, Durchzug deutscher 
Truppen durch Limburg, Verfassungsfrage. 
Ministerpräsident Ruys de Beerenbrouck erklärt, die Regierung 
würde es leichter haben, wenn der frühere Deutsche Kaiser sich nicht 
nach Holland gewandt hätte. Er habe aber vor seiner Flucht abgedankt, 
deshalb konnte von einer Internierung nicht mehr die Rede sein. Keine 
einzige Regierungsperson habe etwas dazu beigetragen, ihn nach Holland 
einzuladen. Jetzt handle es sich um die Frage der Gastfreundschaft, eine 
alte Tradition, die in Holland seit Jahrhunderten bestehe. Jeder Versuch, 
die Anwesenheit des Kaisers als unneutral zu deuten, werde von der Re- 
gierung zurückgewiesen. Jedes andere Staatsoberhaupt würde in gleicher 
Weise empfangen worden sein. Indessen sei die heutige Lage nur vorläufiger 
Natur. Was weiter geschehen werde, hänge von der Entwicklung der inter- 
nationalen Ereignisse ab. Ein förmlicher Antrag auf Auslieferung würde 
den Gesetzen nach geprüft werden. Es sei aber möglich, daß fremde Re- 
ierungen sich mit Holland zur Anweisung eines neuen Aufenthaltsortes 
für den Kaiser in Verbindung setzten. Die Regierung wäre nicht abgeneigt, 
dem zuzustimmen, falls Holland bei den Besprechungen dieses Planes eine 
Stimme erhalte, welche mit der Ehre und Würde des Landes in Ueberein-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.