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Marine und der Schutztruppen, die Ingenieure
des Soldatenstandes (Mitglieder des Marine-,
Torpedo-, Ingenieurkorps), ferner die Feuer-
werks-, Zeug= und Torpeder-Offiziere Vorgesetzte
jedes Unteroffiziers und Gemeinen des Heeres,
der Marine und der Schutztruppen. Ferner ist
jeder Unteroffizier des Heeres, der Marine und der
Schutztruppen Vorgesetzter jedes Gefreiten und
Gemeinen des Heeres, der Marine und der Schutz-
truppen (Kriegsart. 11). Die Offiziere einer
höheren Hauptklasse stehen zu allen darauf folgen-
den, nachstehenden Hauptklassen (des Heeres, der
Marine) im Verhältnis eines Vorgesetzten (§X 13
A. KO v. 30. 10.65, vgl. hierzu auch die Klassen-
einteilung der Militärpersonen in Anlage A zum
MöStEGB). Das direkte Vorgesetztenver-
hältnis beruht auf der Uebertragung eines be-
stimmten, sei es dauernden, sei es vorübergehenden
Kommando,s, einer Dienststellung. Dieses Vorge-
setztenverhältnis besteht für die Dauer und den
Umfang des betreffenden Dienstes. Näheres hier-
zu s. Elsner v. Gronow u. Sohl, §J89 Anm. 5, Herz
und Ernst § 47 Anm. 7, Koppmann §& 89 Anm. 3.
Auch militärische Wachen werden in gewisser Be-
ziehung (in Bezug auf den Rechtsschutz gegen
Achtungsverletzung, Beleidigung, Ungehorsam,
Widersetzung und Tätlichkeiten) als Vorgesetzte
angesehen. (S. § 111 MStG#B.) Ein Gefreiter
ist an sich nicht Vorgesetzter eines Gemeinen.
Ueber die Frage, inwieweit Gefreite als Vorge-
setzte von Gemeinen anzusehen sind, hat sich das
RM verschieden ausgesprochen. In einer Ent-
scheidung des 1. Senats v. 3. 4. 01 (1, 760) ist der
Grundsatz aufgestellt, daß der Gefreite in einem
gemeinschaftlichen Dienstverhältnis, wenn kein
gemeinschaftlicher höherer Vorgesetzter zugegen
sei, ohne weiteres Vorgesetzter des Gemeinen
sei. Der 2. Senat hat in einer Entsch v. 20. 1. 04
(6,227) diesen Grundsatz als nicht mehr zu
Recht bestehend bezeichnet und entschieden, daß
der Gefreite nur dann als Vorgesetzter des Ge-
meinen anzusehen sei, wenn und insoweit er zum
Vorgesetzten desselben besonders bestimmt sei.
Diese letztere Entscheidung entspricht auch der in
der Armee herrschenden Auffassung und man wird
ihr schon um deswillen den Vorzug geben müssen,
weil durch sie eine scharfe erkennbare Grenze da-
für gezogen ist, in welchen Fällen ein Gefreiter
als Vorgesetzter zu gelten hat. Einer förm-
lichen Bestellung zum Vorgesetzten wird
es allerdings auch nach der letzten Entscheidung
des Re Nnicht bedürfen. Die Vorgesetzteneigen-
schaft kann sich auch aus anderen Umständen, z. B.
Bestimmung als Gruppenführer oder zum Führer
einer Abteilung oder eines Kommandos ergeben
(Herz-Ernst & 47, S 60).
5 4. Umfang der Befehlsbefugnis und der
Gehorsamspflicht. Der Vorgesetzte darf seine
B. Gewalt nur für dienstliche Zwecke verwenden,
nur in dienstlichen Angelegenheiten B. erteilen.
Wer seine Dienstgewalt über einen Untergebenen
zu B. oder Forderungen, die in keiner Beziehung
zum Dienste stehen oder zu Privatzwecken miß-
braucht, wird bestraft (I&§ 114 ff. Ms8GB). In
welchem Umfange der Vorgesetzte zur Erteilung
von militärischen B. befugt ist, das ist Tatfrage
und nach den allgemeinen Dienstvorschriften, mili-
tärdienstlichen Grundsätzen und den besonderen
Anordnungen der Vorgesetzten zu beurteilen.
Befehl (militärischer)
Rechtlich läßt sich der Inhalt dienstlicher B.
nicht allgemein bestimmen, da er durch die mannig-
faltigsten Rücksichten auf den Zweck des Heerwe-
sens bedingt wird. Entsprechend dem großen
Gebiete der Dienstangelegenheiten kann der Inhalt
außerordentlich verschieden sein.
Der B. Befugnis des Vorgesetzten entspricht
die Gehorsamspflicht des Untergebenen. Doch
geht diese bei Personen des Soldatenstandes weiter
als jene. Als oberster militärischer Grundsatz hat
zu gelten, daß der Untergebene den ihm in Dienst-
sachen erteilten Befehl seines Vorgesetzten unver-
züglich und unbedingt befolgen muß. Vom höch-
sten Offizier bis zum gemeinen Soldaten hat jedes
Glied der Armee in gleicher Weise die Pflicht des
Gehorsams. Auf dem unbedingten Gehorsam
der Untergebenen beruht die Sicherheit des mili-
tärischen Erfolges und die Aufrechterhaltung der
militärischen Disziplin, „der ganzen Seele der
Armee“ (Moltke in der RTitzung v. 7. 6. 72).
Die Gehorsamspflicht ist grundsätzlich eine unbe-
dingte und unbeschränkte; der Untergebene hat
grundsätzlich jede von irgend einem Vorgesetzten
befohlene Handlung, die mit dem militärischen
Dienst in Beziehung steht, auszuführen. Darauf,
ob der B. ein rechtsmäßiger ist, kommt es zunächst
grundsätzlich für die Gehorsamspflicht nicht an.
Der Untergebene ist rechtlich auch da zum Gehor-
sam verpflichtet, wo der Vorgesetzte zur Erteilung
des B. nicht befugt war. Auch wenn der Vorge-
setzte seine Dienstgewalt mißbraucht, soll der Sol-
dat gehorchen. Nach dem militärdienstlichen
Grundsatze des unbedingten Gehorsams hat der
Untergebene nicht das Recht, die Zulässigkeit des
B. zu prüfen; Gründe für den B. kann er nicht
verlangen (A.K O v. 11. 5. 1821, Koppmann #& 47
Anm. 11. RKM, 143). Behufs Erreichung der
einer Armee gesetzten Aufgabe ist es unabweisbar
notwendig, daß der Soldat den Dienstbefehlen seines
Vorgesetzten unbedingt gehorche und ihm ein Ur-
teil über die Rechtmäßigkeit und Folgen der
Dienst B. nicht gestattet werde (Mot 80). „Im
Kriege hieße es geradezu auf jeden Erfolg verzichten,
wenn man dem Untergebenen eine Kritik der B.
des Vorgesetzten gestatten wollte“ (v. Calker 102).
Im allgemeinen geht der spätere B. dem früheren
vor. B. niederer Vorgesetzter werden durch B.
höherer entkräftet. Es gilt als militärdienstlicher
Grundsatz, daß bei sich widersprechenden B. meh-
rerer Vorgesetzter der letzte B. befolgt werden
muß. Der Untergebene hat in einem solchen Falle
dem Vorgesetzten zu melden, daß er vorher einen
abweichenden B. erhalten habe. Besteht der
Vorgesetzte trotz erfolgter Meldung auf seinem B.,
so ist dieser zu befolgen (RMG6, 101). Ungehor-
sam gegen einen B. in Dienstsachen wird bestraft
nach §§ 92 ff. M StrchB. Die Strafbarkeit des
Untergebenen ist objektiv bedingt durch die Eigen-
schaft des ihm erteilten B. als eines B. in Dienst-
sachen. Unkenntnis des Untergebenen von dieser
Eigenschaft schützt nicht vor Bestrafung. Ein Irr-
tum über den Begriff des B. in Dienstsachen ist
nicht ein Irrtum über Tatumstände, der
die Anwendung des § 59 StEB begründen
könnte, sondern ein Irrtum über einen im Militär-
strafrecht unter besonderen Schutz gestellten Rechts-
begriff und kann den Täter nicht entschuldigen
(RM#G, 150; 7, 179; 8, 144). Der Gehorsam
kann äußerstenfalls durch Waffengewalt erzwun-