Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
Befehl (militärischer) 
gen werden. Nach § 124 MSte#B sind Handlun- 
en, die ein Vorgesetzter begeht, um seinen B. im 
all der äußersten Not und (kopulativ!) drin- 
gendsten Gefahr Gehorsam zu verschaffen, nicht 
als Mißbrauch der Dienstgewalt anzusehen. Da- 
bei ist unter „dringendster“ Gefahr nicht schon jede 
drohende, sondern vielmehr nur eine solche zu ver- 
stehen, durch welche die Disziplin oder die Person 
des Vorgesetzten unmittelbar gefährdet 
erscheint (RM 1, 90; 4, 139). Wenngleich nun 
der Soldat grundsätzlich jeden Dienst B. seines 
Vorgesetzten auszuführen hat, so ist doch die Ge- 
horsamspflicht keine absolute, blinde. Abweichend 
vom römischen Rechte hatte das germanische Recht 
den Grundsatz des absoluten Gehorsams, wonach 
der Untergebene allen B. seiner Vorgesetzten 
gehorchen muß, auch denjenigen B., von denen 
er weiß, daß sie eine Verletzung der Rechtsordnung 
enthalten (s. van Calker S 63 ff., 69, 72, 103). 
Das heutige Militärrecht kennt den blinden 
Gehorsam nich t. Schon das Preußische M4GB 
v. 3. 4. 45 hatte mit ihm gebrochen. Nach §# 71 
Nr. 2 dieses G war bei B. in Dienstsachen der 
Untergebene von der Gehorsamspflicht entbunden, 
a„wenn ihm bekannt gewesen, daß der Befehl des 
Vorgesetzten eine Handlung betraf, welche offen- 
bar ein Verbrechen bezweckte“. Als Verbrechen 
im Sinne dieses Gesetzes war jede strafbare Hand- 
lung anzusehen. Das Preußische MSt#B stellte 
also die Autorität des Strafgesetzes über die Ge- 
horsamspflicht. Der Sinn und die strafrechtliche 
Bedeutung jener Bestimmung wurden aber er- 
heblich eingeschränkt durch eine authentische Aus- 
legung, die sie durch die A. K O v. 27. 3. 60 erfuhr. 
In dieser wurde ausge führt, daß hier unter „Ver- 
brechen“ nur Verbrechen gegen die militärische 
Treue zu verstehen seien. Dem Preußischen Ge- 
setz hat sich das RMS#t#G#B im wesentlichen ange- 
schlossen. Dieses bestimmt in § 47: „Wird durch 
die Ausführung eines B. in Dienstsachen ein Straf- 
gesetz verletzt, so ist dafür der befehlende Vorge- 
setzte allein verantwortlich. Es trifft jedoch den 
gehorchenden Untergebenen die Strafe des Teil- 
nehmers: 
1. wenn er den ihm erteilten B. überschritten 
hat, oder 
2. wenn ihm bekannt gewesen, daß der B. eines 
Vorgesetzten eine Handlung betraf, welche ein 
bürgerliches oder militärisches Verbrechen oder 
Bergehen bezweckte“. 
Hier sind der Gehorsamspflicht bestimmte Gren- 
zen gezogen. Grundsätzlich hat der Untergebene 
alle B. des Vorgesetzten auszuführen. Die Ver- 
antwortung trägt allein der B. Erteiler. Solange 
der Untergebene den ihm erteilten B. nicht über- 
schreitet, bleibt er unverantwortlich. Nur dann, 
wenn ihm bekannt war, daß die befohlene 
Handlung ein bürgerliches oder militärisches Ver- 
brechen oder Vergehen bezweckte, darf er den B. 
nicht ausführen. Tut er es doch, so ist er für die 
Handlung strafrechtlich mitverantwortlich und 
zwar wird er als Teilnehmer, d. h. als Mittäter 
oder Gehilfe bestraft. Mittäterschaft wird anzu- 
nehmen sein, wenn der Untergebene die befohlene 
Tat zugleich als seine eigene gewollt hat, Beihilfe 
dann, wenn er sie lediglich in Ausführung des ihm 
erteilten B. vollbracht hat. Der Vorgesetzte, der 
den B. erteilt hat, ist als Täter oder Anstifter zu 
betrachten (von Nostitz). Wie bemerkt, ist der 
  
Untergebene nur dann von der Gehorsamspflicht 
entbunden und für die Folgen der Ausführung 
mitverantwortlich, wenn er die verbrecherische 
Absicht des B. wirklich erkannt hat; das 
bloße Meinen oder Befürchten schließt 
die Gehorsamspflicht nicht aus und begründet nicht 
die Mitverantwortlichkeit aus §& 47. Die Mitver- 
antwortlichkeit des Untergebenen ist beschränkt 
auf „Verbrechen und Vergehen“. B. in Dienst- 
sachen, die die Ausführung einer „Uebertre- 
tung“ bezwecken, sind für den Untergebenen 
unbedingt verbindlich; hier bleibt der Vorgesetzte 
für die Verletzung der Rechtsordnung immer allein 
verantwortlich. Die Frage, ob es dem Unterge- 
benen bekannt gewesen, daß der B. ein Ver- 
brechen oder Vergehen bezweckte, ist Tatfrage, 
bei deren Entscheidung sowohl objektive wie sub- 
jektive Umstände, insbesondere der Bildungsgrad 
und die Begabung des Untergebenen zu berück- 
sichtigen sind. Ein Irrtum des Untergebenen in 
dieser Hinsicht ist ein solcher über Tatumstände, 
auf den die Bestimmungen des 7* 59 St GB an- 
zuwenden sind. 
#5. Auch die Militärbeamten haben eine 
militärische Gehorsamspflicht, diese ist aber von 
derjenigen der Personen des Soldatenstandes 
wesentlich verschieden. Für die Personen des 
Soldatenstandes ist der pünktliche Gehorsam gegen 
den Vorgesetzten oberste Pflicht; während der 
Soldat regelmäßig die Rechtmäßigkeit eines ihm 
erteilten B. nicht nachprüfen darf und die Folgen 
seiner Ausführung fast ausnahmslos nicht zu ver- 
treten hat, ist der Militärbeamte, da er das ihm 
übertragene Amt nach den Grundsätzen seiner 
Wissenschaft oder nach Verwaltungsgrundsätzen 
oder besonderen Instruktionen zu verwalten hat 
(Mot zu §§ 162, 163 des Entw zum MStB)h, 
verpflichtet, jeden ihm erteilten B., sowohl den 
des Verwaltungsvorgesetzten, wie auch den des 
ihm vorgesetzten Militärbefehlshabers (Militär- 
vorgesetzten) auf seine Gesetzlichkeit zu prüfen. 
Verstößt er hiergegen, so trifft ihn die Verant- 
wortung. Auf Militärbeamte finden daher die für 
die Personen des Soldatenstandes zur Sicherung 
des militärischen Gehorsams gegebenen Straf- 
gesetze nicht ohne weiteres Anwendung. Vielmehr 
werden diese Beamte im allgemeinen wie Zivil- 
beamte behandelt, ihre Pflichtverletzungen sind 
nach den allgemeinen für Beamte geltenden Vor- 
schriften zu beurteilen (§154 MStGB), und zwar 
zunächst nach den Disziplinarvorschriften des RB#G. 
Immerhin unterliegen sie, soweit sie einem Mili- 
tärbefehlshaber untergeordnet sind, auch einer 
militärischen Disziplinarstrafgewalt. Der B. des 
militärischen Vorgesetzten bleibt immer ein mili- 
tärischer B., wenn er auch in Verwaltungsange- 
legenheiten erlassen wird, er wird also nicht zum 
Verwaltungs B. In den Bestimmungen, die das 
Verhältnis des Militärbeamten zu seinen militä- 
rischen Vorgesetzten regeln, ist nun dafür gesorgt, 
daß bei Meinungsverschiedenheiten zwischen bei- 
den zunächst die Meinung des Vorgesetzten ent- 
scheidet. Der Beamte hat zwar, wenn er den ihm 
erteilten B. für ungesetzlich oder vorschriftswidrig 
hält, Vorstellung zu erheben, er muß aber, wenn 
der Vorgesetzte trotzdem bei dem B. verbleibt, 
diesen ausführen. Die Verantwortung trägt 
dann der Vorgesetzte. So bestimmt 397 MStO: 
„Die Oberkriegsgerichtsräte und die Kriegsge-
	        
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