376 Begnadigung
GeschO für die Kgl Sächs. Justizbehörden 8 787,
für Baden die Allerh. Staatsministerialentschlie-
Hung v. 30. 12. 71, aus denen obiges ersichtlich).
Ist die B. an Erfüllung einer Bedingung ge-
bunden, so würde bei Nichterfüllung der Straf-
vollzug wieder einsetzen [UBedingte Be-
gnadigungs. Erscheinen bestimmte Auf-
lagen als solche, so gilt das eben Gesagte. Ist die
Auflage neben einer bedingungslosen B. gemacht,
so hat die Nichterfüllung der Auflage keinerlei
Einfluß auf die Wirksamkeit der Begnadigung.
Grundsätlich ist also daran festzuhalten, daß
die B. sich auf alle öffentlichen Strafen be-
zieht. Folglich auch auf Ehrenstrafen (St GB
§& 32 ff, 35, 161, 358, 319). Nach wie vor ist aber
ihre Wirkung auf Rechtsverwirkungen
bestritten (St B # 31). Aeltere Gesetze ließen
diese ausdrücklich durch bloße Gnade nicht behoben
sein (Braunschweig. St PO 1849 a 188; abwei-
chend Kreh#für Lippe-Detmold 1843 §5 68 Abs 2).
Es wurde vielfach mindestens ausdrückliche
Bestimmung ihrer Aufhebung verlangt. Andrer-
seits sagt z. B. der schweiz. Mil SteEntw 1878:
„Mit der Begnadigung ist stets eo ipso Rehabili-
tation gegeben“. (KrG für Braunschweig 1840
#i 68 Abs 2).
Der heutige Zustand berührt sich insofern mit
dem dargelegten, als der Erlaß der Hauptstrafe
nicht ohne weiteres Erlaß der Ehrenstrafe invol-
viert (StG#B 5 f 36). Vielmehr ist eine besondere
Erwähnung im B. Reskripte nötig. Hinsichtlich
der Rechtsverwirkungen scheint aber der Gang
der Entwicklung mit Binding (HB 1, 876) gegen
v. Liszt (Lehrbuch 286; dieser negiert allgemein
die Strafnatur der Verwirkungen) zur Möglich-
keit des Erlasses solcher hinzudrängen!). Es ist
auch nicht einzusehen, weshalb ein Unterschied in
dem Umstande begründet sein soll, daß einmal
die Ehrenrechte ohne weiteres, das anderemal
durch besonderen Ausspruch des Richters verloren
gehen (so zuletzt v. Bar 3, 471; auch Anm. 205tC).
Eine besondere Erwähnung des Erlasses der Ver-
wirkung wird als notwendig anzusehen sein.
Die Verwirkungen infolge Verbrechens, die
aber nicht Strafe sind, will Binding (HB 1, 876
Anm. 15) der Gnade entziehen. Es ist nun
Seuffert (WBVerwß) voll zuzustimmen, daß
„angesichts der Meinungsverschiedenheiten über
das Wesen der Strafe aus der Unterordnung oder
Nichtunterordnung einer Maßregel unter den
Strafbegriff nicht mit Sicherheit ein Anhaltspunkt
zur Lösung einer, diese Maßregel betreffenden,
praktischen Frage zu entnehmen ist“. So würde
nach Lage der heutigen Ansichten die B. Möglich-
keit verschieden beantwortet, z. B. bezügl. der
Polizciaussicht (StGB Fs 38, 39; daß die B. sich
darauf erstrecken kann, sagt der württemb. Erlaß v.
22. 6. 64) und der Ueberweisung an die Landes-
polizeibehörde (StGB § 362 Absf 2). Die gleiche
Divergenz wäre dann feststellbar bezüglich der
durch die Landespolizeibehörde möglichen Aus-
weisung [XI aus dem Reichsgebiete (StB #39
Ziff. 2, § 284, + 362 Absf 4). In all diesen Fällen
1) Abweichend (nach Seuffert WB Verwdf): Restkripte der
Könige Ludwig I. und Maximilian II. von Bayern hin-
sichtlich der Hecrfähigkeit; vgl. Bl. f. Rechtsanw. 17 (1852),
S 16. Dieser Zustand ist durch das bahr. G v. #10. 7. 61
behoben worden.
ist die Maßregel in das Ermessen der Landes-
polizeibehörde gestellt, die sie daher auch von sich
aus unterlassen kann. Ist Gnade aber möglich?
Ist weiterhin B. möglich hinsichtlich der Ein-
ziehung (St GB K 40; zu bejahen nach der Allerh.
Badischen StaatsministEntschließung v. 13. 9. 09
lunten § 10)) und Unbrauchbarmachung (Stch#
41)
Seuffert (WB Verwd) versucht eine Lösung zu
finden. Konsequenterweise hätte er seinen Vor-
schlag nicht auf die Rechtsverwirkungen beschrän-
ken dürfen. Für alle Deliktsfolgen würde zu
unterscheiden sein, „ob mit ihnen für andere
(Einzelpersonen oder juristische Personen) Rechts-
erwerbungen verknüpft sind oder nicht. Im
Bejahungsfalle erscheint die B. als ausgeschlos-
sen, weil durch sie in die Rechte Dritter
eingegriffen würde (z. B. GewO 116, 118),
im Verneinungsfall dürfte aber dem gnaden-
weisen Erlaß der Maßregel nichts im Wege stehen.“
Alle diese Maßnahmen erscheinen — um weiter
mit Seuffert zu sprechen — „als Maßregeln des
Rechtsschutzes, wie es die Freiheits= und die
Geldstrafe auch ist und es ist nicht einzusehen,
warum, wenn die letzteren Maßregeln erlaßbar
sind, die ersteren es nicht sein sollen.“
Inwieweit mit der Rechtsverwirkung, inwie-
weit infolge Delikts für einen andern Individual-
rechte entstehen und daher Beseitigung des Zu-
standes im Gnadenwege ausgeschlossen ist, wird
auch heute noch der Einzeluntersuchung bedürfen.
Ebenso wird aber erst die genauere Untersuchung
der verschiedenen Natur von Strafe und sichernder
Maßnahme ein Urteil erlauben, ob der Satz richtig
ist, daß sichernde Maßnahmen von der
Gnade nicht berührt werden. Ausnahmen schei-
nen hier möglich.
Unstatthaft ist der gnadenweise Erlaß von Rechts-
verwirkungen, wenn für deren Aufhebung be-
sondere Einrichtungen getroffen sind (ogl.
#### 22—24 des Sozialisten G von 1878).
Disziplinar= und Ordnungsstra-
fen können zweifellos im Gnadenwege erlassen
werden. Ebenso können durch Gnade die Kosten
erlassen werden; doch muß dies ausdrücklich aus-
gesprochen werden.
Hingegen kann der Entschädigungsan-
spruch des Verletzten nicht im Gnadenwege
aus der Welt geschafft werden, da ja die Gnade
nie in Rechte Dritter eingreifen darf.
Die B. gegenüber Ehrenstrafen ist nicht
eo ipso Wiedereinsetzung in die durch die Ver-
urteilung verloren gegangenen besonderen Ehren-
rechte, vielmehr leben nur die gemeinen Ehren-
rechte wieder auf. Die an einen besonderen Er-
werbsakt gebundenen Rechte verlangen ausdrück-
liche Neuverleihung, Wiederwahl, kurz Erneue-
rung des Aktes (vgl. das preuß. G über die per-
sönliche Fähigkeit zur Ausübung der Standschaft
v. 5. 5. 37 5 12 hinsichtlich des Patronats und der
Gerichtsbarkeit). Das gleiche Prinzip verlangt
Geltung hinsichtlich aller Aemter, Würden, Titel,
Orden, Ehrenzeichen (vgl. § 6) und aller Ver-
trauensstellungen. So hat Seuffert Recht, wenn
er die Bestimmung des a 2 Abs 1 des preuß. G
v. 31. 5. 82: „Hat der König einen Bischof, gegen
welchen auf Grund des §# 24 ff des G v. 12. 6. 73
durch gerichtliches Urteil auf Entlassung aus sei-
nem Amte erkannt ist, begnadigt, so gilt derselbe