Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
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Behörden 
  
durch die Bezirksversammlungen und die un- 
mittelbaren Städte, die der hessischen Kreis= und 
Provinzialausschüsse durch die Kreistage und die 
Provinzialtage. Dagegen liegt in Sachsen-Weimar 
die Wahl der Bezirksausschußmitglieder den für 
die Landtagswahlen gewählten Wahlmännern ob. 
Die Besetzung der Kommunalbehör- 
den geschieht teils durch Wahl, teils durch Er- 
nennung. Die Wahlen werden entweder direkt 
von den Angehörigen des Kommnnalverbandes 
oder von den kommunalen Vertretungen vorge- 
nommen. Das Recht der Ernennung kommt na- 
mentlich bei niederen Kommunalbcamten in 
Anwendung und steht regelmäßig dem Vorstand 
des betreffenden Kommunalverbandes (Magist- 
rat, Stadtrat, Bürgermeister, Gemeindevorsteher, 
Kreisausschuß, Provinzialausschuß usw.) zu. 
5 8. Geschichtliche Entwicklung der deutschen 
Behördenorganisation. Die deutsche B. Organi- 
sation hat sich im Anschluß an die Person des 
Landesherrn entwickelt. Dieser führte im Mit- 
telalter die Landesregierung persönlich mit Unter- 
stützung einiger Hofbeamten. Seit dem sechzehn- 
ten Jahrhundert bildeten sich am landesherrlichen 
Hofe kollegialisch organisierte B. aus: die Kanz- 
leien oder Hofräte, später Regierungen genannt, 
für die allgemeine Landes Verw und die Hofge- 
richte, zunächst Gerichte für die Ritterschaft, später 
auch Appellationsinstanzen. Den Kanzleien stand 
jedoch cine mit den Hofgerichten konkurrierende 
Jurisdiktion zu. Daneben entwickelten sich Spe- 
zial B. für einzelne Verw Zweige: Kammern 
(Hofkammern, Amtskammern), für die landes- 
herrliche Finanz-, insbes. Domänen Verw, Kon- 
sistorien für die Handhabung des Kirchenregiments. 
Die dem Landesherrn zur persönlichen Entschei- 
dung vorbehaltenen Angelegenheiten wurden im 
Geheimen Rate, später in einem Ausschuß des- 
selben, dem landesherrlichen Kabinett, beraten. 
In Bezug auf die lokale Verw zerfiel das Land in 
drei Bestandteile. Auf den landesherrlichen Do- 
mänen wurde die Verw durch die landesherrlichen 
Amtmänner geführt, die Städte regierten sich 
selbst durch ihren Stadtrat, in den ritterschaftlichen 
Besitzungen bestand Patrimonialgerichtsbarkeit 
und Patrimonialpolizei der Gutsherren. Die 
Städte hatten seit dem Mittelalter eine selbstän- 
dige Verfassung und Verw bewahrt, doch fanden 
schon seit dem sechzehnten, namentlich aber seit 
dem achtzehnten Jahrhundert Eingriffe der Lan- 
desherren in die Verhältnisse derselben statt, so 
daß dieselben mehr und mehr einer staatlichen 
Aussicht unterworfen wurden. Die Landgemein- 
den standen durchaus unter dem Einfluß der 
Grundherrschaft. 
Von einer Trennung zwischen Justiz und Verw 
war in dieser Organisation keine Rede. Sowohl 
die höheren als die niederen B. vereinigten in 
ihren Händen beide Funktionen. Nur im branden- 
burgisch-preußischen Staate führte die Entstehung 
des Landratamtes (welches von Anfang an eine 
reine Verwaltungs B. ohne Justizzuständigkeit ge- 
wesen ist) sowie die Schaffung der Kriegs= und 
Domänenkammern und des Generaldirektoriums 
durch Friedrich Wilhelm I. schon im 18. Jahr- 
hundert zu einer Verteilung beider Befugnisse 
unter verschiedene Organe. 
Im gegenwärtigen Jahrhundert hat eine völlige 
Reorganisation der B. stattgesunden. Die Tren- 
  
nung von Justiz und Verw ist in allen Instanzen 
durchgeführt worden. Die kollegialen geheimen 
Räte und Landeskollegien (Hofräte, Regierungen, 
Kanzleien, Kammern) sind beseitigt und an die 
Spitze der einzelnen VerwZweige bureaumäßig 
organisierte Ministerien gesetzt worden. Die Pro- 
vinzial B. haben eine neue Gestaltung erhalten, 
bei welcher Gelegenheit eine Beseitigung viel- 
facher Mittel- und Zwischeninstanzen erfolgt ist. 
In der unteren Instanz hat eine Aufhebung der 
Patrimonialgerichtsbarkeit und Patrimonialpolizei 
stattgefunden. Die Rechtsverhältnisse der Ge- 
meinden sind neu geregelt und die in denselben 
vorhandenen Elemente der Selbst Verw wieder 
belebt worden. Diese Reorganisation hat mit den 
Städten begonnen (preuß. StO v. 19. 11. 1808) 
und sich von da auf das platte Land ausgedehnt. 
Die größeren Bezirke des Staates haben meist 
eine Organisation als Kommunalverbände erhal- 
ten. Durch die neuere Vern#Gesetzgebung ist die 
Selbst Verw auch auf diese größeren Bezirke aus- 
gedehnt und eine besondere Verwechtspflege 
eingeführt worden. Mit der Gründung des Rei- 
ches sind neben den B. der Einzelstaaten Reichs B. 
entstanden. Die Organisation der Gerichte hat 
durch das Reichsgerichtsverfassungsgesetz eine ein- 
heitliche Gestaltung erhalten. 
5 9. Ueberblick über die deutsche Behörden-= 
orgauisation. Die Verwaltungsorga--- 
nisationdes Deutschen Reichs knüpft 
an das Amt des Reichskanzlers an. Die- 
ser ist der höchste VerwBeamte des Reiches und 
Chef aller Reichs B. Ihm sind verschiedene bureau- 
mäßig organisierte Reichsämter für die einzelnen 
VerwzZweige untergeordnet, deren Vorstände 
überwiegend den Titel „Staatssekretär“ führen. 
Daneben bestehen andere B., welche zwar der 
allgemeinen Dienstaufsicht des RK unterworfen 
sind, im übrigen aber die ihnen übertragenen Ge- 
schäfte nach eigenem Ermessen in kollegialer Be- 
schlußfassung erledigen (vgl. oben #5). [] Reichs- 
behörden.)] 
An der Spitze der Verwaltung der Ein- 
zelstaaten stehen bureaumäßig organisierte 
Ministerien, unter welchen sich die Geschäfte 
nach ihrer materiellen Verschiedenheit verteilen. 
Dieselben finden ihre Einheit in einem kollegialisch 
beratenden (nicht beschließenden) Ministerrat oder 
Staats Min. Neben den Ministerien / kommt in 
einigen Staaten (Preußen, Bavern, Württem- 
berg [„Geheimer Rat"], Elsaß-Lothringen) noch 
ein Staatsrat J7 vor. Außerdem bestehen Zentral- 
stellen für einzelne Verw Zweige, welche den Mi- 
nisterien untergeordnet sind. Als Zentral . 
fungiert außerdem in denjenigen Staaten, welche 
eine Verwechtspflege besitzen, der oberste VGH 
(in Preußen und Sachsen „Oberverwaltungs- 
gericht" genannt). Die lokale Verwal- 
tung der deutschen Staaten charakterisiert sich 
als eine Mischung von Staats= und Kommunal= 
Verw. Die unterste Stufe derselben bilden überall 
die Gemeinden, welche eine rein kommunnale Or- 
ganisation besitzen. Alle Organe, die in derselben 
tätig werden, sind Organe der Gemeinde; der 
Staat besitzt gegenüber den Gemeinden nur ge- 
wisse Aufsichtsbefugnisse. Die größeren Bezirke 
des Staates (Kreise, Bezirke, Provinzen) sind ent- 
weder bloße Staatsverwaltungsbezirke, welche 
von Staatsbeamten verwaltet werden (so die
	        
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