402
Belagerungszustand — Bergwesen
bieten (§ 29. 4. 7. 79 verbunden mit §& 10 Gv.
30. 12. 71). Diese außerordentlichen Gewalten
sind indes durch Re v. 18. 6. 02 (RGBl 231)
aufgehoben. Eine von der Regierung 1892 ver-
suchte umfassende Regelung ist mißglückt (Sten Ber
Reichstag 1892 Anl. VI Nr. 687). Dem Bedürf-
nisse wird es entsprechen, wenn R v. 30. 5. 92
„Üüber die Vorbereitung des Kriegszustandes“
(Rol 667) jeden mindestens in der Dienststellung
eines Stabsoffiziers befindlichen obersten Militär-
befehlshabers berechtigt, für den Fall eines Krie-
ges oder im Falle eines unmittelbar drohenden
feindlichen Angriffs zum Zwecke der Verteidigung
in dem ihm unterstellten Landesteile vorläu-
fig — durch Erklärung gegenüber der Zivilver-
waltungsbehörde, die ortsüblich bekannt zu geben
ist — die Ausübung der vollziehenden Gewalt zu
übernehmen. Unverzüglich ist die Entscheidung
des Kaisers über die „Verhängung des Kriegs-
zustandes“ einzuholen. Ueber die getroffenen
Verfügungen muß dem Bundesrat und Reichstag
sofort (bei dem nächsten Zusammentreten) Re-
chenschaft gegeben werden.
#§ 6. Schutzgebiete. Eine Normierung besteht
m. W. nicht. Die V des Reichskanzlers wegen
Ausübung der Strafgerichtsbarkeit gegenüber den
Eingeborenen v. 22. 4. 96 (Kol Bl 241) §& 16 er-
wähnt aber den Fall, daß „in einem Teile oder an
einem Orte des Schutzgebietes durch den Gouver-
neur oder seine Stellvertreter oder in Fällen
dringender Gefahr durch einen selbständigen
Gouvernementsbeamten oder selbständigen Mili-
tärbefehlshaber der Kriegszustand erklärt ist" und
ordnet ein summarisches Verfahren gegen straf-
fällige Eingeborene an. Die Voraussetzungen
für einen B. werden über See allerdings eher zu-
treffen als in der Heimat. Dem Bedürfnisse ist
andrerseits aber bis zu einem gewissen Grade
durch die Einrichtung der Verwaltung bereits
Rechnung getragen, indem Grundrechte wie in der
Heimat dort nicht gewährleistet sind, die Polizei-
gewalt also bei besonderer Gefährdung der öffent-
lichen Sicherheit ein geringeres Hemmnis findet;
indem ferner die Schutztruppen bereits dem Gou-
verneur unterstehen (Kaiserl. V v. 16. 7. 96,
KBl 477) und es in Ermangelung gesetzlicher
Festlegung statthaft ist, militärische Organe mit
der Handhabung der vollziehenden Gewalt zu
betrauen (was für Kiautschou und überhaupt für
noch nicht befriedete Gebiete einen Dauerzustand
bildet) und selbst in der Besetzung des Gerichts
freiere Hand bleibt. Um aber gegenüber der
weißen Bevölkerung die prozessualen Schutzvor-
schriften außer Kraft zu setzen, das Martialgesetz
einzuführen und Ausnahmegerichte einzusetzen,
würde es eines Reichsgesetzes bedürfen; denn es
ist nicht unzweifelhaft, ob dem Kaiser die Befugnis
aus a 68 RV sinn gemäß zusteht, um nicht in
den Kolonien mit geringerer Macht ausgestattet
zu sein als im Reichsgebiete — was ich allerdings
annehme (ebenso Kennel, Rechtl. Stellung der Ko-
lonialgouverneure 1908, 42 gegen v. Hoffmann,
Kolonialrecht 33) — ganz abgesehen von der Un-
zulänglichkeit einer Anordnung aus weiter Ferne
und von der Schwierigkeit einer Uebertragung
der preußischen Vorschriften auf die Kolonien.
Für die Farbigen, deren Rechtsverhältnisse
durch Kanzler und Gouverneur geregelt werden
könnten (Kaiserl. V v. 3. 6. 08), wird der Erl v.
22. 4. 96 ausreichen. Für die weiße Bevölkerung
wird sich eine reichsgesetzliche Bestimmung empfeh-
len, die in den bezeichneten Richtungen dem
Gouverneur Vollmachten mit Delegationsbefug-
nis erteilt. Auch in Frankreich ist die Befugnis zur
Erklärung des B. dem Gouverneur anvertraut,
der unverzüglich an die Regierung berichten muß
(àa 4 Gv. p. 8. 49, à 6 G v. 3. 4. 78).
Praxis: Verhängung des „Kriegszustandes
im Sinne des a 68 RV“ durch den Kommandeur
der Schutztruppe für Südwestafrika v. 11. 6. 04,
„auf Grund der Allerh. Ordre v. 19. 5. 04“ (Ko-
lon Gg 8, 124).
Literatur: Laband 4, 40; Hänel, Deutsches
Staatsrecht 1892 1 1 73; Zorn 1, 198; Arndt, St
471; Dambitsch, Verfassung v. D. Reiches, 1910, S
615—620; G. Meyer BKR#d66—69; Loening 365:
v. Rönne " II 205; Bornhak 3, 130; Schwartz,
Preuß. Bu zu a 111; Seydel StR3, 44, bei Schönberg
III 2 65302—307; Sarwey, StKK d. Kar. Württemberg
1882, 1 275, 279, 282; Bruck, Verfassungs= und Ver-
waltungsrecht v. Elsaß-Lothringen 1908/09, 1, 82; 2, 183:
eingehende Erläuterung des preußischen Gesetzes von 1851
(Angabe der Materialien) bei Klein feller, Strafr. Neben G
d. D. Reichs: 1893, 433 (2. u. 3. Aufl. von Stenglein nur
Auszug, ebenso wie Groschuff in den „preuß. Strafge-
setzen" 1904 Nr. 10). — Mittermaier, Die Gesetzge-
bungen über B., im Archiv des Kriminalrechts 1849, 29—73;
Brockhaus, Das Deutsche Heer 1888, 70; Brüß, Der
B. als Rechtsinstitut, Diss. Erlangen 1897; Haldy, Der B.
in Preußen, 1906; Bücher, Der B. im Reiche und dessen
Gliedstaaten, Diss. Leipzig 1909; Endres im Arch OefskR
25 (548), mit Reformvorschlägen; Gmelin, Ueber den
Umfang des Kal Verordnungsrechts und das Recht der
Verhängung des B. in JItalien, 1907; Th. Reinach,
Del’Etat de siège, These, Paris 1885 (geht auch auf Deutsch-
land ein). Fleischmann.
Bergwesen
A. Reichsgebiet
* 1. Allgemeines, Geschichte der Gesetzgebung, Berg-
regal und Bergbaufreiheit, Vorbehalte für den Staat.
* 2. Bergbehörden, Bergausschuß, Bergbaudeputation. 13.
Ausbildung für das Bergfach. # 4. Bergwerkseigentum.
* 5. Bergbauhilfskassen. # 6. Bergpolizei. # 7. Privat-
bergregal. 3 8. Bergwerksabgaben. 1 9. Bergarbeiter.
#§ 1. Geschichte der Gesetzgebung, Bergregal
und Bergbaufreiheit, Borbehalt für den Staat.
I. Unter Bergbau im engeren Sinne wird nur
die Gewinnung der von der Verfügung des Grund-
eigentümers entzogenen, den noch immer selbst
vom Reichsgericht so genannten regalen, Mi-
neralien verstanden. Wie sich die Verfügung über
diese Mineralien vom Grundeigentum getrennt
und ob sie überhaupt jemals in der Verfügung des
Grundeigentümers gestanden haben, ist fraglich.
Erwägt man, daß die Bergwerksmineralien na-
mentlich in früheren Zeiten weit wertvoller als
der oft im Ueberfluß vorhanden gewesene Grund
und Boden waren, vergleicht man die mittelalter-
lichen Berggewohnheiten mit der Bergwerksver-
fassung des atheniensischen Staates in Laurion,
des römischen in Vipaska, mit den auf phönizische