Beschälwesen (Körordnungen)
nicht bloß mit äußeren Fehlern behaftete, sondern
auch wenig leistungsfähige Vatertiere verwendet
werden. Man geht dahin, wo das Deckgeld
am geringsten ist. Das ist naturgemäß bei den
schlechten männlichen Zuchttieren der Fall und
die Folge ist eine wenig leistungsfähige Nachzucht.
Selbstverständlich legt man in solchen Gegenden
auch wenig Gewicht auf die Rasse des männlichen
Zuchttieres und man begegnet in der Folge den
verschiedensten Kreuzungen. Rasseloses Vieh gibt
aber nie die Gewähr bestimmter Leistungsfähig-
keit, hindert die Entwickelung einheitlicher Form
und Leistung in einem größeren Zuchtgebiete und
bereitet damit der Landeszucht die größten
Schwierigkeiten.
Das Bedürfnis zum Erlaß von Bestimmungen,
durch welche ein Einfluß auf die Qualität der von
Privaten gehaltenen männlichen Tiere ausgeübt
wird, machte sich zuerst bei der Pferdezucht gel-
tend. Es ist dies leicht erklärlich, weil der Zustand
der Pferdezucht für die Remontierung des Heeres
von großer Bedeutung ist und die Regierungen
die durch die Errichtung von Gestüten betätigten
Bestrebungen zur Hebung der Zucht nicht beein-
trächtigen lassen durften durch die Verwendung
von mit Mängeln und Fehlern behafteten Privat-
beschälern. Je nachdem eine Viehgattung allge-
meines Interesse in Anspruch nahm, fand dann
ein Eingriff des Staates in die Zuchtbestrebungen
durch den Erlaß von Körordnungen statt. Den
Körordnungen für Hengste folgten in der Mitte
des vorigen Jahrhunderts solche für Stiere. Ganz
vereinzelt findet man dann auch Eberkörungen,
während ein Bedürfnis zum Erlaß von Vor-
schriften über die Haltung von Böcken erst in der
jüngsten Zeit in die Erscheinung getreten ist.
§ 3. Wesentliche Bestimmungen der Körord-
unngen. Es wird angeordnet, daß männliche
Zuchttiere zum Bedecken fremder weiblicher
Tiere nur Verwendung finden dürfen, wenn sie
zuvor auf ihre Zuchttauglichkeit geprüft und danach
als tauglich befunden „angekört“ worden sind.
Die Körung erfolgt durch eine amtliche Kommis-
sion, in welcher aber die Mitwirkung landwirt-
schaftlicher Vertretungen meist vorgesehen ist.
Der Körkommission sind gewisse Grundsätze über
die Ankörung der Tiere gegeben. Eine verschie-
dene Behandlung erfährt die Frage, auf welche
Zeit die Tiere angekört werden und für welchen
Bezirk die Körung gelten soll. Die vorliegenden
Verhältnisse sind hier entscheidend auf die Ge-
staltung der Bestimmungen. Auch darüber ist
keine Einheitlichkeit vorhanden, ob die anzukören-
den Tiere bestimmten Rassen angehören oder nur
allgemein gehaltenen Anforderungen entsprechen
sollen. Zuwiderhandlungen gegen die Vorschrif-
ten der Körordnung und zwar sowohl seitens der
Besitzer nichtangekörter männlicher Tiere wie auch
seitens der betreffenden Besitzer der weiblichen
Tiere werden bestraft.
z 4. Rechtliche Zulässigkeit der Körordnungen.
Nach § 1 der Gews ist der Betrieb eines Gewerbes
jedermann gestattet, „soweit nicht durch dieses
Gesetz Ausnahmen oder Beschränkungen vor-
geschrieben oder zugelassen sind“. Unter denjeni-
gen Gewerben, auf welche dieses Gesetz nach § 6
keine Anwendung findet, ist das Feilbieten männ-
licher Zuchttiere zur Benutzung gegen Entgelt
aber nicht genannt. Hiernach gelangten die Re-
41
gierungen einzelner Staaten, z. B. von Bayern,
Sachsen, Sachsen-Weimar, vorerst zu der Ansicht,
daß die Körordnungsfrage sich nicht auf dem Wege
der Landesgesetzgebung und Verordnung erledigen
lasse, weil dies im Widerspruche mit der Gew Oresp.
Gewerbefreiheit stehe. Dieser Auffassung entsprach
auch eine an die Regierung zu Merseburg erlassene
preußische Min Vf Pg v. 12. 12. 70, indem sie solche
Bestimmungen, welche nicht als polizeiliche Vor-
schriften im öffentlichen Interesse zu erachten sind,
sondern „einen weitergehenden Einfluß auf die
Zucht selbst auszuüben bezwecken“, als mit der
GewO nicht verträglich und demnach nicht zu
Recht bestehend erklärte. Beispielsweise wird in
ihr das Verbot der sogenannten Hengstreiterei und
die Bevorzugung bestimmter Kategorien von
Hengsten als gesetzwidrig bezeichnet. Gegenüber
dieser Rechtsunsicherheit bedeutete ein auf An-
suchen des landwirtschaftlichen Zentralorgans für
Hannover ergangener Bescheid des Reichskanz-
lers und des preußischen Min Landw v. 22. 7. 72
schon einen Fortschritt:
„Das Feilbieten der Benutzung mänmlcher Zuchttiere
zur Deckung weiblicher Zuchtiiere unterliegt, soweit es
nicht unter Umständen geschieht, welche die Annahme eines
Gewerbebetriebes überhaupt ausschließen, den Vorschriften
der Gew O. Insbesondere finden die gedachten Vorschrif-
ten auf dieses Feilbieten Anwendung, wenn es im Umher-
ziehen als Hengstreiterei unternommen wird, da alsdann
das Anerbieten der Benutzung von Zuchttieren zur Deckung
gegen Entgelt zu denjenigen gewerblichen Leistungen zu
rechnen ist, deren der 1 55 Nr. 4 der Gew O erwähnt. Das
in einigen Körordnungen ausgesprochene unbedingte Ver-
bot der Hengstreiterei läßt sich hiernach nicht aufrecht er-
halten, da nach § 1 der Gew O der Betrieb eines Gewerbes
jedermann gestattet ist, soweit nicht durch das Gesetz Aus-
nahmen oder Beschränkungen vorgeschrieben oder zugelassen
sind, ein Verbot der Hengstreiterei aber in der GewoO sich
nicht findet. Dagegen ist dem # 1 I1. c. nicht die Bedeutung
beizulegen, daß durch denselben die Gewerbetreibenden
von der Beachtung derienigen Beschränkungen entbun-
den seien, welche im allgemeinen polizeilichen Interesse
gesetzlich oder durch obrigkeitliche Anordnung festgestellt
sind. Wenn daher aus Rücksichten der landwirtschaftlichen
Polizei die Berwendung anderer, als der vorschristsmäßig
gekörten Zuchttiere zu dem gedachten Gewerbebetriebe
untersagt worden ist, so ist dieses Verbot als durch die Gew O
beseitigt nicht anzusehen. Bei einer Revision der bestehen-
den Körordnungen wird demgemäß von der Zulässigkeit
der Körordnungen auszugehen und nur auf die Aufhebung
derjenigen Bestimmungen derselben Bedacht zu nehmen
sein, welche in sonstiger Beziehung mit den Vorschriften
der Gew O nicht vereinbar sind.“
Diese Auslegung, an sich gezwungen, hat doch
das Fortbestehen der Körordnungen gesichert.
Ein solcher Zustand war aber nach keiner Seite
erwünscht. Durch die Abänderung der GewD
v. 1. 7. 1883 — + 56 b — ist jetzt den Landes-
regierungen gestattet, das Umherziehen mit
Zuchthengsten zur Deckung der Stuten zu unter-
sagen oder Beschränkungen zu unterwerfen. Die
Frage, ob Eingriffe in das Selbstbestimmungs-
recht der Züchter durch den Erlaß von Körordnun-
gen zulässig sind, hat auch in Preußen das Kam-
mergericht wiederholt beschäftigt und dieses hat
regelmäßig dahin entschieden, daß die Polizei-
verordnungen über die Körungen im & 6 des G
v. 11. 3. 50 über die Pol Verw bezw. der Kgl V
v. 20. 9. 67, wonach die Sorge für Leben und