Beschwerde
eingegeben werden; der Landtag darf von ihm
befürwortete Anträge nach erfolgter Ablehnung
nur dann erneuern, wenn wirklich neue Veran-
lassungen oder neue Gründe eintreten. Der Pro-
vinziallandtag selbst ist befugt, Anträge und B.,
welche die Provinz oder einzelne Teile derselben
betreffen, an die Staats Reg zu richten, wodurch
das nach a 32 der Vh allen Preußen, insbesondere
auch Korporationen zustehende Poetitionsrecht nicht
berührt wird (5 43 der Prov O v. 29. 6. 75). Die
Vorschrift gilt auch für die übrigen Provinzial-
ordnungen; in Hessen-Nassau (ProvO 8 40) treten
an die Stelle des Provinziallandtages die Kommu-
nallandtage der beiden Regierungsbezirke.
& 3. Die Verwaltungebeschwerde erscheint in
den verschiedensten Formen. Zu verstehen sind
hierunter je nach dem positiven Rechte entweder
Anträgec oder Rechtsmittel, durch welche bei einer
Verw Behörde (in einzelnen Staaten, wic in Preu-
ien, bis hinauf zu dem Träger der Krone) in den
der Austragung der Streitfrage im Prozeswege
(ordentlichber Rechtsweg oder Verw Streitverfah-
ren) nicht zugänglichen oder bereits als in dieser
Beziehung unzulänglich erwiesenen Fällen cine
Entscheid ung, Abänderung, Auhhebung, positive
Hilfe oder Voranlassung einer negativen Hand-
lung (Unterlassung) begehrt wird. Die Verw##.
ist dann wieder heutzutaac in die einfache sormlose
und in die formelle, wobei jedoch nicht notwendi-
gerweise ein Rechtemittel im techuischen Sinne
vorguliegen braucht (vgl. z. B. unten Württem-
berg) unterschieden. Die häufig gehörte Begriffs-
bestimmung, daß bei Verletzung von Interessen
einor Person die cigentliche Verw B. vorliegt, bei
Vorletzung von Rechten dagegen eine Rechts B.,
geht zurück auf die bei der Entstehungsgeschichte
der modernen verwaltungsrechtlichen Rechtsmittel
versuchte grundsätzliche Teilung, dic jedoch gegen-
über dem positiven Rechte in den Einzelstaaten
Deutschlands nicht bestehen kann. Zusammen-
hängt damit die Auffassung der Theoric, wonach
Interessen einzelner, die rechtlich geschützt sind,
sich zu subjektiven Rechten potenzieren und den
Gegenstand der Verwlechtsprechung bilden, daß
sic aber ohne diesen Rechtsschutz der Entscheidung
dor Vern'Behörden anheim fallen. Neuerdings
dringt immer mehr die Aussassung durch, daß „mit
dieser Unterscheidung bei der Unbestimmtheit und
Vieldeutigkeit des Begriffes der Interessen und
bei dem Mangel eines festen Kriteriums, nach dem
sich die Potenzierung der Interessen zu subiektiven
Rechten vollziellt, nicht viel gewonnen is“ (v.
(i6z). Man wird daher ledialich narh dem positiven
Rochte der einzelnen, insbesondere deutschen Staa-
ten Rechtsbeschwerde und Verwal-
tungsbeschwerde auseinanderzuhalten ha-
ben; unter jener ist diejenige zu verstehen, die in
cinem besonders geordneten, dem Verw Streit-
verfahren nahe verwandten Verfahren ihre Er-
ledigung findet, während dies in den Fällen der
Verw B. nicht der Fall ist.
Betrachtet man zunächst die Verw B., so ergibt
sich, um im wesentlichen auf Preußen die Frage
abzustellen, daß es an einer allgemeinen, alle Fälle
umfassenden Regelung fehlt. Man wird demnach
die wesentlichsten Spezialfälle gesondert zu be-
trachten haben.
a) Als einen allgemeinen Rechtssatz, der auch
von der Spezialgesetzgebung ausdrücklich aner-
kannt und näher festgestellt worden ist, kann man
die B. Führung bei dem König und den höheren
Staatsbehörden bezeichnen. v. Rönne-Zorn
bezeichnet die in & 2 des Patents vom 29. 7. 1794
(Rabes Sammlung 2, 668) und § 180 AL I120
enthaltenen Grundsätze auch heute noch als gelten-
des und als unbedingt feststehendes Staatsgrund-
prinzip in Preußen unter auodrüclicher Betonung
des Charakters als einer formlosen VerwB. Nach
jenem §2 machen es die Gesetze den Behörden zur
Plicht, alle bei ihnen angebrachten B. über ge-
setz= oder ordnungswidriges Verfahren der ihnen
untergeordneten Instanzen, oder über Verzöge-
rungen unweigerlich anzunehmen und sorgfältig zu
prüfen, denselben, insofern sie begründet sind, mit
Nachdruck abzuhelfen, wenn sie aber als unbegrün—
det befunden werden, den Bittsteller „mit Glimpf,
Mäßigung und Herablassung zu seinen Fähigkeiten
und Begriffen zu bedenten und zurecht zu weisen“.
Und dic erwähnte landesrechtliche Vorschrift hatte
bestimmt, „daß alle obrigkeitlichen Personen, be-
sonders aber die Vorgesetzten, die Magistrate, Ge-
richte und andere Kollegien schuldig sind, einen
joden, welcher sich in Angelegenheiten ihres Amtes
bei ihnen meldet, persönlich zu hören, und auf
schleunige Untersuchung und Abhilfe begründeter
Beschwerden bedacht zu sein“. Dem von dem zu-
ständigen Minister Zurückgewiesenen sieht noch
der Weg zum Thronc offen. Auf diese Weise in ge-
nerell in allen Fällen die Möglichkeit einer B.Füh-
rung auf dem Gebiete der Verw garantiert, was
um so höher anzuschlagen ist, als man die Frage
eines Widerstandes gegen die Staatsgewalt (na-
türlich abgesehen von den Vorschriften der #/# 110
bis 112 StEYh verneinen muß. Wic einerseits
der Gehorsam gegen die Anordnungen der Staats-
aewalt, so ist andcrerseits die Begründetheit dieser
Anordnung auf Verfassung und Gesetz ein Erfor-
dernis. „Ergibt sich im einzelnen Falle ein Wider-
spruch zwischen diesen beiden Staatsgrundprin-
zipien, so ist auf dem Wege des geordneten In-
stanzenzuges Abhilse zu suchen, duseerstenfalls
durch B. beim Landtage oder beim König, welche
jedem Untertan offen steht. An diesem Punkte
hört das Recht, somit auch das Staatsrecht, auf“
(Zorn).
b) Eine besondere spezialrechtliche Regelung
hat die sormlose VerwB. in Kommunalan-
gelegenheiten nach Maßgabe der Pro-
vinzial-, Kreis= und Gemo indeordnungen gefun-
den. Eine Besondertheit besteht hier insofern, als
hier eine Ausschlußfrist von zwei Wochen bestimmt
ist, während in den unter erörterten Fällen eine
frislose B. an die Dienstaussichtsbehörden zulässig
ist. Man kann auch schon aus diesem Grunde nicht
die Verw B. zur Rechts B. insofern in Gegensatz
stellen, als nur bei dieser cine Frist positiv ersordert
wird. Auch die bisher übliche Unterscheidung:
aus einer sormlosen B. könne die vorgesetzte
Boehörde, an welche sie gerichtet ist, den Anlaß zu
einem Einschreiten nehmen, ohne hierzu verpflichtet
zu sein, während bei ciner gesetzlich für zulässig er-
klärten formellen B. die Dinge anders liegen, trifft
nicht zu. Denn auch die formlose B. verpflichtet
den Beamten nach Maßgabe der erwähnten Rechts-
grundsätze unter a, und zwar nicht nur im Verhält-
nis zu seiner vorgesetzten Behörde und nicht nur
mit der Folge eines möglichen Disziplinarver=
fahrens, sondern auch mit der Folge der Haftung,