Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
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Bezirk (Preußen) 
  
Kollegialsystem wurde zwar beibehalten, um gegen 
die bureaumäßig gestalteten oberen und unteren 
Behörden (Minister und Landräte) ein Gegenge- 
wicht zu bilden. Doch wurde größere Schnelligkeit, 
Beweglichkeit und Unmittelbarkeit erstrebt, insbe- 
sondere durch Teilung in drei Abteilungen, für die 
Angelegenheiten des Innern (Hoheits-, Militär-, 
Kommunal-, Polizei-, Gesundheits-, Bau-, Ar- 
men--, Landwirtschaftliche, Gewerbe-, Handels-, 
Verkehrs-, Juden-, Dissidenten-= und statistische 
Sachen), für Kirchen= und Schulsachen und für 
dirckte Steuern, Domänen und Forsten. 
Eine wesentliche Aenderung erfuhr die Einrich- 
tung, die inzwischen auch in die meisten neuerwor- 
benen Landesteile eingeführt worden war, durch 
die neue Verwaltungsorganisa- 
tion. Diese erfolgte zunächst nur für die 7 öst- 
lichen Provinzen, wurde jedoch, nachdem sie eine 
vereinfachte Gestaltung in dem LW v. 30. 7. 83 
erfahren hatte, auch auf die beiden westlichen und 
die drei neuen Provinzen ausgedehnt. Danach ist 
an Stelle der kollegialisch verwaltenden Abteilung 
des Innern der bureaumäßig verwaltende Reg- 
Präsident getreten (§ 3). Gleichzeitig ist — ähn- 
lich dem Kreisausschuß — unter Heranziehung von 
Laienmitgliedern ein Bezirksausschuß 
eingerichtct, der über gewisse zu kollegialer Be- 
handlung geeignete Sachen als verwaltende Be- 
schlußbehörde, über andere Angelegenheiten, die 
sog. Streitsachen, als VerwGericht zu befinden hat 
(5 5). Die B. Behörde ist sonach aus drei Gliedern 
zusammengesetzt: dem Reg Präsidenten, der Re- 
gierung und dem B. Ausschuß. Diese bilden aber 
keine besonderen Behörden, sie sind nur Bestand- 
teile derselben Behörde, die je nach dem Gegen- 
stande in der einen oder anderen Form in Wirk- 
samkeit tritt. 
In den älteren Gesetzen wird die Regierung als 
Provinzialbehörde bezeichnet. Nach- 
dem dann die Oberpräsidenten unter zunehmender 
Uebertragung von Verwéeschäften mehr und 
mehr zu eigenen Behörden ausgestaltet sind, hat 
das L VG die Regierungen als B.Behörden den 
Provinzialbehörden gegenübergestellt (§ 8—35). 
Gleichwohl werden sie auch in diesem Gesetze 
(§F§ 113) noch als Provinzialbehörden bezeichnet. 
# 3. Ter Regierungspräsident. Der Wir- 
kungksreis des Reg Präsidenten ist drei- 
fach: 1. Er verwaltet die Angelegenheiten des In- 
nern (§ 2 Abs 3) persönlich und unter eigener 
Verantwortlichkeit (vVG K5 18) und ebenso einige 
ihm durch besondere Gesetze, insbesondere auf 
kirchlichem Gebiete übertragene Obliegenheiten; 
2. er ist Vorsitzender der Regierung (§ 4 Abs 2) 
und 3. des B. Ausschusses (&+5). Der Reg Präsident 
bildet damit den Mittelpunkt für die drei Glieder 
der B. Behörde (§F2 Abs3) und hat dafür zu sorgen, 
daß deren Verwaltung nach einheitlichen Grund- 
sätzen erfolgt. Ihm steht das Recht zu, mit aufschie- 
bender Wirkung Beschlüsse der Regierung außer 
Kraft zu setzen, auch an deren Stelle unter persön- 
licher Verantwortung selbst zu verfügen (L## 
§#d24 und die Beschlüsse des B. Ausschusses mittelst 
Klage beim O##-# anzufechten (LVG FX 126). Er 
hat ferner das Recht mit Zustimmung des B.Aus- 
schusses Polizeiverordnungen für einzelne Kreise 
oder den ganzen B. mit Strafandrohung bis zu 
60 Mk. zu erlassen (L# 8 137). Auch kann er 
seine Anordnungen durch die gesetzlichen Zwangs- 
  
mittel, insbesondere durch Strafandrohung bis zu 
300 Mk. durchsetzen (LVG 7# 132). Als Hilfsar- 
beiter sind dem Reg Präsidenten ein Oberregie- 
rungsrat, dem die Stellvertretung des Reg Präsi- 
denten mit Ausschluß des Vorsitzes im B. Ausschuß 
zusteht, und die erforderliche Zahl von Räten, Asses- 
soren und technischen Beamten beigegeben. In 
den größeren B. sind neuerdings zweite Oberre- 
gierungsräte bestellt. Seine Hilfsarbeiter nehmen. 
an den Plenarberatungen der Regierung Teil und 
können bei dieser beschäftigt werden, während um- 
gekehrt auch Mitglieder der Regierung zu den Ge- 
schäften des Reg Präsidenten herangezogen werden 
können (LVG F 19, 20). 
Der Reg Präsident steht unter der disziplinaren 
Aufsicht der Min Inn und der Finanzen und gehört 
zu den Beamten, die nach Diszipl.G v. 21. 7. 52 
#87 in den einstweiligen Ruhestand versetzt wer- 
den können. Im Range steht er in der zweiten 
Klasse der höheren Beamten. 
#§ 4. Die Regierung ist nach Fortfall der Ab- 
teilung des Innern (§2 Abs 3) bezüglich ihrer son- 
stigen Geschäfte in der durch die Reg Instr ge- 
ordneten Verfassung verblieben. Sie ver- 
waltet diese in den beiden Abteilungen für Kir- 
chen= und Schulsachen und für direkte Steuern, 
Domänen und Forsten nach wie vor kollegialisch. 
Das Gleiche gilt von den gemeinsamen Angelegen- 
heiten der Gesamtbehörde (Plenarsachen). In 
den Plenarversammlungen, vor welche die Ent- 
scheidungen im Disziplinarverfahren und die Er- 
hebung von Konflikten wegen Amtshandlungen 
und von Kompetenzkonflikten gehören [Dis- 
ziplin, Konflikt, Rechtsweg,, haben 
auch die Hilfsarbeiter des Reg Präsidenten (& 3) und 
die ernannten Mitglieder des B.Ausschusses (5+5) 
Sitz und Stimme. Die technischen Räte haben, 
soweit sie den Rang der Räte vierter Klasse be- 
sitzen, gleichfalls Stimmrecht, aber nur in den von 
ihnen bearbeiteten Sachen. Die Regierungen ha- 
ben ein Zwangsrecht (Reg Instr #&# 11), aber kein 
Polizeiverordnungsrecht. [U Polizeiverord- 
nungen, Verwaltungszwang.] 
Den Vorsitz führt der Reg Präsident in der 
Plenarversammlung und — soweit er an deren 
Sitzungen teilnimmt — auch in den Abteilungen. 
Wegen Eingreifens in die Beschlüsse s. & 3. Als 
gemeinsame Angelegenheiten stehen ferner unter 
ihm die Personalsachen der Beamten, einschließlich 
der Ausbildung der Referendare (G v. 10. 8. 06) 
und die Ordnung des Geschäftsganges. Auch die 
Angelegenheiten der RegHauptkasse werden un- 
mittelbar unter ihm von dem Kassenrat verwaltet, 
zu dessen Unterstützung bei den größeren Regierun- 
gen Reg Kasseninspektoren angestellt sind. Im üb- 
rigen gebührt der Vorsitz und die Geschäftsleitung 
in den Abteilungen, den Oberregierungsräten 
(Abteilungsdirigenten), die dem Range nach zwi- 
schen der 3. und 4. Klasse der höheren Beamten 
stehen. In der Regel hat jede Abteilung einen 
Oberregierungsrat; doch sind in den Finanzabtei- 
lungen bei entsprechender Forstfläche Oberforst- 
meister als Mitdirigenten angestellt. Auch sind 
neuerdings bei größerem Geschäftsumfange für 
einzelne Abteilungen zweite Oberregierungsräte 
bestellt. In der Finanzabteilung verwaltet in 
diesen Fällen der eine die direkten Steuern, der 
andere die Domänen und Forsten. Andererseits 
wird bei einigen kleineren Regierungen die Kirchen-
	        
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