Bibliotheken
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reformierte und die Dienst= und Rangverhältnisse
der Bibliothekare regelte. Die andern Staaten
folgten bald in demselben Fahrwasser.
Auch die in Sachsen von dem Rentamtmann
Preusker und in Berlin von Friedrich Raumer
begonnene Bewegung für die Begründung volks-
tümlicher Büchersammlungen erhielt durch Const.
Nörrenberg, der in Amerika die Wirksamkeit der-
selben gründlich kennen gelernt hatte, sowie durch
den Berliner Stadtbibliothekar A. Buchholz, durch
P. Ladewig und den Hamburger Verleger Ernst
Schultze neuen Aufschwung und eine durchgreifende
Reform. Die großen Bücher= und Lesehallen mit
ihren Filialen unter städtischer Verwaltung sowie die
ländlichen Volksbibliotheken erstehen seitdem in
allen größeren Städten Deutschlands.
Der 1899 begründete Verein Deutscher Biblio-
thekare sorgt für die Vertretung der fachlichen und
Standesinteressen.
#§# 2. Wissenschaftliche Bibliotheken. 1) Die
wissenschaftlichen B. sind heute in Deutschland
meist reine Staatsanstalten oder stehen doch als
Landes-(Provinzial-) B. z. B. in Wiesbaden,
Kassel, Fulda, Posen oder als Stadt B. unter
staatlicher Oberaufsicht. Zur Veräußerung oder
wesentlichen Veränderung bedürfen schon nach
s50 der preuß. StO selbst die städtischen An-
stalten der Genehmigung des Reg Präsidenten.
Aehnliche Bestimmungen bestehen auch in den
übrigen deutschen Staaten, die das Gemeinde-
vermögen durch verschärfte Bestimmungen schützen.
Soweit die wissenschaftlichen B. Sammlungen
der Gymnasien, Museen, Archive und Verwe-
hörden sind, unterstehen sic dem Leiter der An-
stalt direkt; die Parlaments B. unterstehen ihren
Präsidenten; die Universitäts B. und Landes B.
sind aber überall der Zentralbehörde (Min bezw.
Landesdirektor) unterstellt. In Preußen, dessen
Kultu Min die oberste leitende Behörde ist, hat
der Generaldirektor der Kgl B. eine Reihe von
Befugnissen, die ihn zu einem Zwischengliede
zwischen den B. und dem Ministerium machen.
Durch Erl des Kultus Min v. 23. 6. 07 ist diesem
aber ein Beirat für B. Angelegenheiten beigege-
ben, der aus dem Generaldirektor und 4 weiteren
vom Minister zu berufenden Mitgliedern besteht
und dessen Geschäftskreis sich auf Anträge, Be-
richte und Vorschläge an den Min im Interesse
des gesamten B.Dienstes bezieht. Die Univer-
sitäten haben überall in Deutschland durch ihre
B. Kommissionen einen gewissen Einfluß auf Ver-
waltung und Vermehrung ihrer Büchersammlung;
doch ist das Verhältnis der Büchereien der Univer-
sitätsinstitute und der Seminarien zur Univer-
sitäts B. nicht überall gleich, meist sogar noch recht
unklar; im Ganzen verwalten die Direktoren der
Institute die Sammlungen selbständig, teilweise
sogar aus Mitteln der Seminarmitglieder, und
überlassen dem Direktor der Universitäts B. ledig-
lich deren Katalogisierung. Die Verwaltung der
B. der technischen Hochschulen sind deren Rektoren
anheimgegeben, doch üben die Ministerien (Kul-
tus Min, Landwirtschafts Min usw.) eine Ober-
aufsicht aus.
Die Beamten sind in höhere, mittlere und
untere eingeteilt. Die Dienstverhältnisse der
höheren Beamten sind in Preußen durch die Erl
v. 11. 11. 86, 3. 1. 87, 1. 4. 92, 15. 12. 93 (Prü-
fungsreglement), 3. 3. 94 (Titulatur), 28. 4. 96,
24. 3. 97 (Dienstrang), 22. 9. 98, 12. 2. 04 ge-
regelt (sämtlich im Zbl. f. d. gesamte Unterrichts-
verw. veröff.); für die Erziehung des wissenschaft-
lichen Nachwuchses ist durch Einrichtung einer
fachmännischen Professur an der Universität Göt-
tingen gesorgt. In Bayern, wo man eine eigene
B. Schule hat, sind die Verhältnisse der höheren
B. Beamten durch die Kgl V v. 24. 4. 05 (Ml
f. Kirchen= u. Schulangel. 1905 S 159 ff) ge-
regelt; die übrigen Staaten verfahren sinngemäß
ähnlich. Die mittleren Beamten (Bureaubeamten
und Betriebsbeamten) sind in Preußen durch die
Verwendung fachmännisch meist in Schulen aus-
gebildeter Gehilfen und Gehilfinnen, für die ein
besonderes Prüfungsreglement v. 10. 8. 09 (Aus-
führungsbestimmungen vom 30. 12. 09; vgl.
auch ZB1 Bw 1910 S. 224) erlassen ist, besonders
vermehrt worden; den Wirkungskreis dieser Be-
amtenkategorie hat man in Preußen, namentlich
seit dem Regime des Generaldirektors Harnack,
bedeutend erweitert. In Württemberg, Baden,
Elsaß-Lothringen, Hessen, Mecklenburg und Lippe
verwendet man auch Damen im staatlichen
B.Dienst, nicht aber bisher in Bayern, Sachsen
und einigen anderen Staaten. Die unteren Be-
amten zerfallen in Expedienten und Diener, zu
denen dann noch Hauspersonal hinzukommt.
2) Auch der innere Dienstbetrieb ist in
Preußen reformiert und durch die Instr v. 10. 5. 1899
(2. Auflage 10.8.08) betr. die Titelaufnahme und die
Alphabetisierung und vielfache Reglements im
einzelnen geordnet; namentlich an die Instruktion,
die ihren Einfluß bis nach Amerika ausgeübt hat,
haben sich viele deutsche außerpreußische Staaten
angeschlossen oder doch angelehnt. In Braun-
schweig besteht eine besondere Instruktion dafür.
Den Leihverkehr der preußischen B., welcher
in den einzelnen B. ihren wissenschaftlichen Zwek-
ken gemäß durch besondere B.Ordnungen beson-
ders festgesetzt ist, regeln untereinander die preu-
Pßischen Erl v. 27. 1. 93, 13. 6. 94, 31. 10. 97,
1. 4. 02, 16. 4. 03, 19. 12. 04, 4. 1. u. 8. 9. 05,
16. 2. u. 17. 2. u. 10. 5. u. S. 6. 06; mit fremden B.
der Erl v. 8. 1. 90; in Bayern der Erl v. 30. 3. 91,
in Baden der Erl v. 14. 3. 06, in Braunschweig
die .Ordnung von 1891 521, in den Thüringischen
Staaten die v. Nov. 1904 (sämtliche Erlasse
sind meist im Zbl. für d. ges. Unterrichtsverw.,
sonst im Jahrbuch der Deutschen B. veröffentlicht).
Durch die Bemühungen des Preuß. Kultus Min
(s. Rund Erl v. 18. 6. 98, 8. 5. 99 und 26. 5. 00)
haben sich viele ausländische B., deren Liste im
Jahrbuch der Deutschen B. regelmäßig veröffent-
licht werden, dem allgemeinen Leihverkehr mit
den deutschen B. angeschlossen.
3) Die Vermehrung der B dgeschieht außer
durch Geschenk und Tausch durch Ablieferun
von Pflichtexemplaren und durch Kauf.
Die Lieferung von Freiexemplaren von Druck-
werken an einzelne öffentliche B. stammt in den
verschiedenen Staaten aus den verschiedensten
Rechtsgründen (s. Franke, Die Abgabe der Pflicht-
exemplare, 1889), ist deshalb durch den §& 30 des
Reichspreßgesetzes der Landesgesetzgebung über-
lassen geblieben; daran haben weder die GewO
noch das G betr. d. Urheberrecht an Werken d.
Lit. (§60), noch auch das Güber das Verlagsrecht
v. 19. 6. Ol etwas geändert. In Preußen be-
stimmt die Kab O v. 28. 12. 24, welche nicht, wie
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