Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

Vinnengewässer (Bodensee) 
  
Für alles, was darüber hinausgeht, wird dann 
der Unterschied bedeutsam. 
Bei Privatseen stehen Bett und Ufer im 
Privateigentum und die Wassermasse ist privat- 
rechtlicher Beherrschung unterworfen, beides nur 
beschränkt durch die konkurrierenden Nutzungs- 
rechte anderer. Sofern ein anderes Eigentum 
nicht nachgewiesen ist, muß das Bett den Ufer- 
eigentümern gehören nach der Länge der Ufer- 
grundstücke und bis zur Mitte des Sees. Die 
Inanspruchnahme des Wassers, namentlich zu 
Bewässerungszwecken, wird nach den gleichen 
Grundsätzen zu regeln sein, wie sie für Privatflüsse 
bestehen. Abweichungen von diesen Grundlagen 
können, wie dort, durch privatrechtlichen Titel be- 
wirkt werden oder durch verwaltungsrechtliche 
Eingriffe zum Zwecke der Wasserverteilung. Der 
Privatsee kann auch in einem besonderen Eigen- 
tum stehen, losgelöst von dem der Ufergrundstücke. 
Dieses ist tatsächlich bei den meisten größeren Seen 
der Fall, indem der Staat infolge irgendwelcher 
geschichtlicher Vorgänge heute Alleineigentümer 
davon ist. Ein öfsentlicher See ist es dadurch nicht 
schon von selbst; es muß dazu kommen, daß der 
See dem öffentlichen Verkehr dient. 
Für die öffentlichen Seen gilt im we- 
sentlichen das Recht der Ströme. Sie gehören 
dem Staat nach öffentlichem Recht, möglicher- 
weise auch einer Gemeinde. Privatrechtlich ge- 
ordnete Nutzungsrechte aus früherer Zeit bestehen 
mannigfach noch fort. Neubegründung von sol- 
chen ist nicht möglich, ebensowenig wie Veräuße- 
rungen. Dagegen gibt es hier besondere Nutzungs- 
rechte, die durch behördliche Verleihung zu begrün- 
den sind, Nutzungserlaubnisse und Gemeingebrauch, 
alles geregelt und in Grenzen gehalten durch die 
Polizei des öffentlichen Secs [UStröme F§ö31. 
Zu dem Rechte des Gemeingebrauchs tritt hier, 
der Natur des öffentlichen Secs entsprechend, 
der Schiffahrtsverkehr hinzu Das Ver- 
bot in a 54 Abs 4 der RV, Abgaben von der 
bloßen Befahrung der Wasserstraßen zu erheben, 
findet auf öffentliche Seen Anwendung. Sie 
sind keine Wasserstraßen im eigentlichen Sinn; 
aber die Meinung der RV ist: nicht einmal auf 
Wasserstraßen sollen diese Abgaben erhoben wer- 
den, geschweige denn auf öffentlichen Seen. 
IJ Binnenschiffahrt 1, 41. 
§s4. Der Bodensee insbesondere. Der Boden- 
sce gehört zweifellos zu den öffentlichen Scen. 
Er dient dem öffentlichen Verkehr in hervorra- 
gendem Maße und steht samt Bett und Userrand 
in staatlichem Eigentum als öffentliche Sache. 
Da nun aber nicht einer, sondern fünf Staaten in 
Betracht kommen, so gilt es den Anteil cines 
jeden zu bestimmen. 
Die Frage fällt zusammen mit der Frage nach 
den Grenzen dieser verschiedenen Staatsge- 
biete. Denn da der Bodensec einc öffentliche Sache 
ist, das Recht über die öffentliche Sache aber Aus- 
fluß der Staatsgewalt, so erstreckt sich das Recht 
eines jeden Staates an ihm nur soweit, aber auch 
ganz so weit, als seine Gebietshohceit reicht. Zur 
Bestimmung dieser Gebietsarenzen bietet die 
gleiche Fläche des Sces keine sicheren Merkmale; 
ausdrückliche Abmachungen liegen nur für einzelne 
Stellen vor. So hat die Frage hier eigentüm- 
liche Schwierigkeiten, zu deren Lösung die Theo- 
ric verschiedene Wege vorschlägt. 
  
  
  
  
Nach der einen Meinung soll der See zwischen 
den Uferstaaten nach Verhältnis der Uferlänge 
und nach einer gleichweit von beiden Uferseiten 
entfernten Mittellinie verteilt sein. Man beruft 
sich dafür auf die gemeingültige zivilrechtliche 
Ordnung, nach welcher das Eigentum an Privat- 
gewässern zwischen den Uferbesitzern sich so ver- 
teilt (s. oben § 2 und 3 und d. Art. Flüsse K8• 2). 
— Dieser Auffassung stehen zweierlei Bedenken 
gegenüber. Einmal ist es offenbar unzulässig, die 
für privatrechtliche Verhältnisse gegebenen Maß- 
stäbe ohne weiteres auf staats= und völkerrecht- 
liche Beziehungen zu übertragen. Sodann aber 
scheint die tatsächliche Rechtshandhabung darzu- 
tun, daß jene Mittellinie keineswegs als Rechts- 
grenze geachtet wird, vielmehr die Machtübung 
der Staaten mannigfach darüber wegspielt. 
Beidem soll Rechnung getragen werden in einer 
zweiten Lehrmeinung: nach ihr wäre der See bis 
zur Uferlinie, mit Ausschluß nur des Inneren der 
Häfen und der als Pertinenzien der Ufer anzu- 
sehenden Einbauten, unverteiltes gemeinsames 
Eigentum sämtlicher Uferstaaten. Man beruft 
sich hiefür auf die Tatsache, daß eine seste Grenz- 
linie nicht erkennbar ist, und auf einen angeblichen 
völkerrechtlichen Grundsatz, wonach in solchem 
Fall das gleiche Recht der Uferstaaten in der Form 
des Kondominiums zum Ausdruck kommen müsse. 
Allein einerseits kann es doch stark bezweifelt wer- 
den, ob ein solcher völkerrechtlicher Grundsatz 
wirklich besteht. Andrerseits entspricht die tatsäch- 
liche Uebung keineswegs einem vollen Kondomi- 
nium am ganzen See. 
Die dritte Meinung, die allein noch übrig bleibt, 
sucht die Lösung auch in Anlehnung an allgemeine 
Grundsätze, die selbstverständlich völkerrechtliche 
sein müssen und zwar wirklich bestehende. Ein 
solcher Grundsatz besteht in allgemeiner Aner- 
kennung bezüglich der Küstengewässer des Meeres 
Danach ist Rechtens, daß das Hoheitsrecht eines 
Staates von seinem Ufer aus eine gewisse Strecke 
weit über das angrenzende Wasser reicht. Man 
hat eine feste Entfernung festzustellen gesucht, 
wie weit hinaus im Höchstfalle dieses Gebiet sich 
erstrecken mag und als Maßstab genommen die 
Möglichkeit tatsächlicher Machteinwirkung vom 
Ufer aus, die Kanonenschußweite. Der Einwand 
Labands (1, 179 Note 1), daß man ja vom deut- 
schen Ufer aus bis ins Schweizer Gebiet schießen 
könne, geht fehl: für solche Fälle gilt eben völ- 
kerrechtlich zwischen den gegenüberliegenden oder 
im Winkel zusammenlaufenden Küsten die Mittel- 
linic. Da die danach den Staaten zukommenden 
„Küstengewässer" tatsächlich die ganze Fläche des 
Sees ausfüllen würden, ohne daß ein Stück „mare 
liberum“ übrig bleibt, so würde man mit der An- 
wendung dieses völkerrechtlichen Grundsatzes zu- 
nächst auf das nämliche Ergebnis gelangen, zu 
welchem auch die Uebertragung der für den Pri- 
vatfluß geltenden zivilrechtlichen Regeln gemäß 
der ersten Meinung geführt hat. Zwischen den 
aneinandergrenzenden Staaten ist der Vodensee 
nach der Verlängerung ihrer Grenzlinien ge- 
teilt: jeder beherrscht das Stück des Secs, das vor 
seinem Ufer liegt, und zwar auf soweit hinaus, 
bis er auf das gleiche Recht des gegenüberliegen= 
den Staates stößt, bis zur Mittellinie. 
Nur leidet eben tatsächlich die Abgrenzung dieser 
Machtgebiete nach der Mittellinie zu an einer ge- 
 
	        
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