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Bistum und Bischoftum
provinzgehörigen Ländern ist die B. Verfassung
durch die bereits erwähnten Zirkumstriptionsbul-
len, welche mit den einzelnen Staatsregierungen
vereinbart worden waren, aufgerichtet und durch
die staatliche Plazetierung und Publikation dieser
Bullen sanktioniert worden. Die jetzige B.Ver-
fassung beruht also in allen gedachten Staaten
mit Einschluß von Elsaß-Lothringen auf staatsge-
setzlicher Anordnung, und deshalb ist eine einseitige
kirchliche Aenderung derselben selbst da ausge-
schlossen, wo der Kirche staatsgrundgesetzlich die
Autonomie ihrer Angelegenheiten gewährt ist,
weil das staatliche Interesse durch die Veränderung
des Organismus der katholischen Kirche, als einer
privilegierten Anstalt oder Korporation des öffent-
lichen Rechts, stets berührt wird, insofern, als
durch eine erhebliche Vermehrung der Zahl der B.
die Machtstellung der katholischen Kirche dem
Staate gegenüber eine bedeutende Verstärkung
erfahren und eine Ueberbürdung der Bevölkerung
mit kirchlichen Lasten, welche deren Leistungsfähig-
keit für die staatlichen und kommunalen Bedürf-
nisse in empfindlicher Weise schwächen würde, her-
beigeführt werden könnte. Uebrigens hat die
Praxis der katholischen Kirche diesen Gesichtspunk-
ten Rechnung getragen, denn zu den anderweiten
Diözesan--Abgrenzungen, welche von der Kurie
1859 zwischen den Diözesen Kulm und Ermland,
1870 zwischen den Sprengeln von Würzburg und
Fulda, sowie 1884 zwischen den Diözesen Limburg,
Fulda und Mainz vorgenommen worden sind, ist
stets die Kgl Genehmigung eingeholt worden
(Arch f. kath. Kirchenrecht 51, 443 ffg).
§5. Dotation der Bistümer und Bestenerungs-
recht der bischöflichen Behörden. Bei der Neu-
errichtung der gedachten B. haben die Regierun-
gen auch die Dotationen derselben, d. h. die Ge-
währung von Einkünften für die Bischöfe, für die
Domherren, für die Unterhaltung der Domkirchen
und der einzelnen Diözesananstalten, in bestimmt
firierten Beträgen übernommen (s. die zitierten
Zirkumstriptionsbullen, das bayerische Konkordat
und die angeführten Fundationsinstrumente). Die
erforderlichen Mittel dazu sollten in Liegenschaften
angelegt oder auf Güter und ständige Fonds fun-
diert und diese den B. bezw. Bischöfen zur Verwal-
tung übergeben werden. Diese letztere Bestim-
mung ist aber bisher so gut wie gar nicht, so z. B.
weder in Preußen noch in Bayern, zur
Ausführung gebracht worden; vielmehr werden
die betreffenden Summen jährlich aus den übrigen
Staatsmitteln auf Grund ihrer Einstellung in die
Staatsbudgets gewährt. Mit Rücksicht auf diese
Verhältnisse ist es mehrfach in Frage gekommen,
ob die betreffenden Bezüge seitens der Bischöfe
und anderen Empfangsberechtigten (z. B. der
Domherren) im Zivilprozeßwege gegen die Re-
gierungen eingeklagt werden können. Die Praxis
des ehemaligen preußischen Obertribunals (Präj.
2186, Entscheidungen 19, 409) hat dies im Gegen-
satz zum Gerichtshof zur Entscheidung der Kom-
petenzkonflikte (preuß. JMl 1848, 148), verneint,
indem das erstere davon ausgegangen ist, daß in-
solge der Bulle De salute animarum nur völker-
rechtliche Verbindlichkeiten zwischen dem Papst
und der Regierung, aber keine Klagerechte für die
auszustattenden Institute gewährt seien, während
in Hessen das OL# edurch Urteil v. 15. 6. 86, welches
ebenfalls einen durch die vereinbarte Zirkumskrip=
tionsbulle begründeten völkerrechtlichen Vertrag an-
nimmt, den Rechtsweg für die dadurch begründeten
Verpflichtungen für zulässig erachtet hat, Arch für ka-
tholisches Kirchenrecht 56, 458. Von der bestrittenen
völkerrechtlichen Vertragsnatur der sKonkordate
kann hier ganz abgesehen werden, denn die Staa-
ten, welche bloß Zirkumskriptionsbullen vereinbart
haben, haben keine für die Zukunft bindenden Ver-
träge mit der Kurie schließen, sondern nur dieselbe
gemäß ihren Vorschlägen und mit ihrem Einver-
ständnis die Diözesanverhältnisse ihrer Länder ord-
nen lassen. Wenn sie die ihr gegenüber gemachten
Zusicherungen in betreff der Dotationen der B,
wie meistens geschehen ist, durch Aufstellung und
Zufertigung fester Dotationsetats an die Bischöfe,
bezw. die geistlichen Behörden ausgeführt haben,
so haben sie diesen gegenüber damit eine öffent-
lich-rechtliche Obligation auf Gewährung der be-
treffenden Summen übernommen, und es kann
die Erfüllung der darauf beruhenden Verpflich-
tungen nach Analogie anderer öffentlich-rechtlicher
Ansprüche, wie z. B. der der Beamten auf Gehalt,
falls keine besonderen partikularrechtlichen Be-
stimmungen entgegenstehen, von dem Fiskus im
Zivilrechtswege gefordert werden. Derartige par-
tikularrechtliche Bestimmungen bestehen aber aller-
dings vereinzelt, so beispielsweise in Bayern
durch den in § 58 des RelEdikts durch Bezug-
nahme auf die älteren Generalmandate aufsge-
nommenen Vorbehalt der Temporaliensperre we-
gen Nichtbeachtung des Plazet. Ein solcher Vor-
behalt gibt der Regierung ein ausdrückliches Recht
auf Vorenthaltung der aus Staatsquellen fließen-
den Einkünfte. Ihm gegenüber gibt es kein Zivil-
klagerecht (ogl. Kahl, Temporaliensperre,
1876, 180 ff, 199 ff).
Durch die neueste Gesetzgebung hat der preu-
ßHische Staat auch noch in anderer Weise als
durch unmittelbare Zuwendungen die Leistungs-
fähigkeit der B. zur Bestreitung ihrer kirchlichen
Bedürfnisse gesteigert. Es ist geschehen durch Ein-
räumung eines Seste uerun srechts zum
Zweck der Bildung von Diözesanhilfs-
fonds. In Betracht kommen die G v. 29. 5. 03
und 21. 3. 06. Nach ersterem kann die bischöfliche
Behörde behufs Gewährung von Beihilfen an neu
zu errichtende leistungsunfähige katholische Pfarr-
gemeinden sowie zu Um-, Erweiterungs= und Neu-
bauten von Kirchen-, Pfarr= und Küsterhäusern
einen Diözesanhilfsfonds bilden, für welchen all-
jährlich eine Umlage bis zu einem Prozent der von
den katholischen Gemeindegliedern zu zahlenden
Staatseinkommensteuer erhoben werden darf.
Das zweite Gesetz hat diese Befugnisse noch erwei-
tert. Es gestattet eine Jahresumlage bis zu drei
Prozent (bei Erhebung von mehr als 1 Prozent
unter Vorbehalt der Bestätigung des Staatsmini-
steriums) zwecks Bildung eines weiteren Diözesan-
fonds zur Bestreitung allgemein kirchlicher Diöze-
sanbedürfnisse. In beiden Fällen können Beihilfen
auch an Diözesanfonds anderer preußischen Diö-
zesen gewährt werden. Die bischöfliche Behörde
verwaltet alle diese Fonds, beschließt über die Er-
hebung der Umlagen und verteilt diese durch eine
Matrikel auf die katholischen Kirchengemeinden
der Diözese. Die Beschlüsse bedürfen der Bestäti-
qung des Oberpräsidenten. Gegen dessen Ver-
fügungen findet Beschwerde an den Minister der
geistlichen Angelegenheiten statt.