Blindenwesen — Blockade
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geregelt, die in Preußen von der zuständigen Pro-
vinzial Verw, in den übrigen Bundesstaaten von
der zuständigen Zentralinstanz erlassen werden;
im Königreich Sachsen z. B. ist das Reglement v.
16. 11.02 maßgebend. Hier besteht auch schon seit
1873 ebenso wie in Sachsen-Weimar (seit 1874),
Braunschweig (seit 1894) und Baden (Gv. 11. 8.02
nebst Ausführungsbestimmungen v. 4. 6. 04)
Schulzwang für die bildungsfähigen Blinden:
in Preußen ist jetzt dem Landtage ein Gesetz
behufs Einführung des obligatorischen Schulunter-
richts für Blinde vorgelegt, nachdem sich die Not-
wendigkeit eines solchen herausgestellt und sich
das Fürsorge-ErzichungsG v. 2. 7. 00 nicht als
ausreichende Handhabe für diese Zwecke erwiesen
hat. Nach den Ergebnissen der Volkszählungen
kann übrigens angenommen werden, daß schon
jetzt etwa 66290% aller Blinden im Alter von 8—20
Jahren in Anstalten verpflegt und unterrichtet
werden.
Trotz gründlicher Vor= und Ausbildung zu sei-
nem Beruf ist es dem Blinden naturgemäß weit
schwerer, zu einer wirtschaftlichen Selbständigkeit
zu gelangen, als ganz gesunden Personen; um
ihnen ihr Fortkommen außerhalb der Anstalt zu er-
leichtern, bleiben sie meist mit dieser in ständiger
Verbindung, so daß diese erforderlichenfalls hilf-
reich eingreifen kann. Von den ausgebildeten
Blinden ist jedoch eine Anzahl zu irgend welcher
selbständigen Tätigkeit unfähig; sie bleiben deshalb
entweder in den Anstalten, soweit sie hier als
Gehilfen bei der Ausbildung benutzt werden kön-
nen oder werden in besonderen Blindenhei-
men untergebracht, die vielfach den Blindenan--
stalten angeschlossen sind und gleichzeitig zur Auf-
nahme nicht bildungsfähiger oder körperlich schwa-
cher Blinder dienen. Im Deutschen Reiche be-
stehen zur Zeit 10 derartige Blindenheime mit etwa
500 Plätzen, von denen die Mehrzahl durch Stift-
ungen ins Leben gerufen ist und von privaten Wohl-
tätigkeitsvereinen unterhalten wird. Gleichzeitig
geistig kranke Blinde finden in der Regel Aufnahme
in Irrenanstalten; ältere nicht mehr arbeitsfähige
auch in Siechenhäusern, Altersversorgungsheimen
und ähnlichen Anstalten.
#54. Die rechtliche Stellung der Blinden. Wäh-
rend noch im Mittelalter die Blinden vielfach in
der Rechtsfähigkeit beschränkt waren, sind nach dem
heutigen Rechte derartige Beschränkungen sowohl
in privatrechtlicher als öffentlich-rechtlicher Hin-
sicht fortgefallen. Unheilbar Blinde sind nach den
in den einzelnen Bundesstaaten geltenden Ver-
fassungen auch nicht von der Thronfolge ausge-
schlossen. Desgleichen ist Blindheit an sich kein
Grund zur Bestellung eines Vormundes. Nach
§ 11 der früheren preußischen Vormund-
schaftsO v. 5. 7. 75 und §& 4 des im König-
reich Sachsen geltenden G v. 10. 2. 84 war aller-
dings eine solche auch gegen den Willen des Blin-
den zulässig, wenn er durch sein Gebrechen an der
Besorgung seiner Rechtsangelegenheiten behindert
war; das jetzt geltende BG#B (*+1910) bestimmt je-
doch, daß in diesem Falle nur ein Pfleger und auch
dieser nur mit Einwilligung de Binden bestellt wer-
den kann. Dasselbe Gesetzbuch schreibt in Bezug auf
die Errichtung von Testamenten, Abschließung von
Erbverträgen usw. scitens Blinder in den 3§8 2233, T
2238 Abs 2, 2242 Abs 2 u. 2276) vor, daß diese
nur durch mündliche Erklärung vor einem
NRichter oder Notar unter Hinzuziehung eines Ge-
richtschreibers oder eines zweiten Notars oder
zweier Zeugen erfolgen darf.
Literatur: Th. Axenfeld, Blindsein und
Blindenfürsorge, 1905; L. Cohn, Unsere Blinden, Sozialer
Fortschritt 1906, Nr. 25; L. Hirsch, Entstehung und Ver-
hütung der Blindheit, Klinisches Jahrbuch 3. Bd., 1902:
Hübner, Blindheit und B., 1909; J. W. Klein,
Lehrbuch zum Unterricht der Blinden, Wien 1819; Der-
selbe, Geschichte des Blindenunterrichts, Wien 1837;
JI. G. Knie, Anleitung zur zweckmäßigen Behandlung
blinder Kinder, 18371 J. Matthies, Das Blinden-
unterrichtswesen im Deutschen Reich, 1904; Alex. Mell,
Enzyklopädisches HB. des B., 1900; Siler, Blindenan-
stalten und Blindenunterricht in Enzyklopädie der Schul-
gesundheitspilege von RK. Wehmer, 1904; A. Zeume,
Ueber den Unterricht der Blinden, 1821. Navmund.
Blockade
(in Friedenszeiten und im Kriege)
1. Begriff und Entwicklung des Blockaderechts. 4 2.
Objekte der Blockade. 5 3. Voraussetzungen der Pflicht zur
Respektierung der Blockade. 1 4. Verletzung der Blockade
und Rechtsfolge.
#§ 1. Begriff und Arten der Blockade — Ent-
stehung und Entwicklung des Blockaderechts.
Die B. ist eine der Belagerung verwandte
Kriegsmaßregel: sie besteht in der durch See-
streitträfte bewirkten Absperrung eines Hafens,
einer Küstenstracke oder einer Flußmündung zum
Zwecke der Verhinderung der Zufuhr oder Aus-
fuhr von Waren irgend welcher Art, sowie der
Beförderung von Personen, Postsendungen usw.
I. In neuerer Zeit wurde von diesem Zwangs-
mittel auch in Friedenszeiten Gebrauch
gemacht: seit der Kollektivintervention Englands,
Frankreichs, Rußlands während des griechischen
Ausstands 1827; neuere Fälle sind die B. der
Insel Formosa seitens Frankreichs während
des Streitfalls mit China 1884, die B. des
Hafens von Menam, gleichfalls seitens Frank-
reichs in einem Streitfall mit Siam 1893;
beide Fälle haben den Charakter von Repressalien.
Dagegen handelte es sich ebenso wie in dem Falle
des Jahres 1827 um einen Fall von Intervention,
als England, das Deutsche Reich, Oesterreich-
Ungarn, Italien und Rußland im Jahre 1886
die griechische Küste zum Zwecke der Verhütung
eines kriegerischen Zusammenstoßes mit der Türkei
blockierten. Dasselbe gilt von der B. der Insel
Kreta im Jahre 1897 seitens der Großmächte.
Den letzten Fall bildete das Vorgehen des Deut-
schen Reiches, Englands und Italiens gegen
Venezuela 1902 — ein Fall von Repressalien.
Die Anwendbarkeit dieser wesentlich kriegerischen
Maßregel in Friedenszeiten zum Zwecke unbluti-
ger Austragung eines Streitfalles mag als wirk-
sames Mittel zu diesem Zwecke vom Gesichts-
punkt der Humanität immerhin Beifall finden.
Allein, durchgreifende rechtliche Gründe können
hierfür nicht geltend gemacht werden; ferner ist
doch bezüglich der Zwangsmaßregeln zur Aus-
tragung eines Streitfalls in Friedenszeiten we.
sentlich die Forderung zu stellen, daß die Aktion