Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
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Ablösung der Reallasten (Bayern — Sachsen) 
  
  
III. Beigegen seitigen Weidedienst- 
barkeiten, bei welchen keiner der Teilnehmer 
ein größeres Teilnahmsrecht auszuüben hat, als 
ihn nach Verhältnis der Größe und Beschaffenheit 
seines beteiligten Grundbesitzes treffen würde, 
kann jeder Teilnehmer jederzeit ohne Entschädi- 
gungspflicht aus der Weidegemeinschaft austre- 
ten. Der Austretende ist jedoch gehalten, den übri- 
gen Teilnehmern den erforderlichen Durchtrieb 
zu gestatten (a 37). Im Streitfalle kann der Aus- 
tritt erst nach amtlicher Entscheidung erfolgen (à 38). 
Bei gegenseitigen Weidedienstbarkeiten mit ver- 
hältnismäßig ungleichartigen Teilnahmsrechten 
tritt die Aufhebung der Weidegemeinschaft nur 
gegen Entschädigung und nur dann ein, wenn 
dieselbe für den gesamten Umfang der Gemein- 
schaft (a 6) und mit der Stimmenzahl wie unter II 
verlangt wird. Die Ausnahme des a 7 Ziff 2 
gilt auch hier. 
Bezüglich gütlicher Vereinbarung, event. amt- 
licher Feststellung der Entschädigungen gilt das- 
selbe wic unter II. Hierbei leistet oder empfängt 
jeder Teilnehmer Entschädigung, soweit sein Teil- 
nahmsrecht geringer oder größer ist, als die auf 
seinen Grundbesitz treffende Weidelast; gleiche 
Beträge heben sich auf. Die Entschädigungen 
werden in Form von Jahresabgaben festgesetzt 
und gehen auf die Grundstücke der entschädigungs- 
pflichtigen Teilnehmer als Reallast über. Die 
Verteilung der auf solche Art bestellten Jahres- 
abgaben unter die Entschädigungsberechtigten er- 
folgt mangels Uebereinkommens durch amtliche 
Entscheidung. 
Bezüglich der Fälligkeit der A. und der Abtre- 
tung der Jahresabgaben finden die Bestimmungen 
unter II Anwendung. Die Uebernahme der Jah- 
resabgaben und Bodenzinskapitalien durch die 
A. Kasse erfolgt jedoch nur auf Verlangen sämt- 
licher Bezugsberechtigter einer Weidegemein- 
schaft. Die A. Kasse braucht sich in keine Aus- 
  
—–— — — —.. 
einandersetzung mit den einzelnen Beteilig- 
ten einzulassen, sondern kann für den übernom- 
menen Gesamtbetrag die A.Schuldbriefe hinaus- 
geben (a 39—44, 45). 
Gegenseitige ungleiche Weideberechtigungen er- 
löschen mit dem Jahre, in welchem die Verteilung, 
event. die Festsetzung der Entschädigung erfolgt 
ist (a 45). Bezüglich der ausnahmsweisen Ver- 
längerung der Weideausübung gilt dasselbe wie 
unter II mit der Maßgabe, daß nur die Teilneh- 
mer, welche für Aufrechterhaltung der Gemein- 
schaft waren, den Antrag stellen können, und daß 
die Genehmigung des Antrages die Fortsetzung 
der ganzen Gemeinschaft zur Folge hat (a 46). 
Fideikommiß= und Lehenanwärter, dann Hypo- 
thekgläubiger haben auch hier kein Hinderungs- 
recht, und es ist auch hier das A. Recht unbeschränkt 
und unbeschränkbar (a 45). 
IV. Das Verfahren in Weiderechtssachen ist 
im IV. Abschnitte des G geregelt (a 47—64). 
Dazu VollzInstr v. 12. 8. 1852 (Weber, Neue 
Gu. V.-S., IV 530). 
Hiernach sind entstehende Zivilrechtsstreitig- 
keiten (a 27, 32, 48) vor den Gerichten auszutragen 
und ist die Durchführung des administrativen 
A. Verfahrens von vorgängiger rechtskräftiger Ent- 
scheidung der präjudizierlichen Zivilrechtsstreitig- 
keiten oder vorgängiger Deponicrung der Wert- 
summe des Streitgegenstandes durch den Antrag- 
  
  
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steller bei Amt abhängig. Im übrigen obliegt der 
Gesetzesvollzug und die Entscheidung von Streitig- 
keiten hierbei der Verwaltung. Nach dem Gvon 
1852 sind die Distriktsverwaltungsbehörden erste, 
die kollegial entscheidenden Kreisregierung, Kam- 
mern des Innern, zweite und letzte Instanz. 
Durch das G über die VerwRechtspflege v. 8. 
8. 1878 a 8 Ziff 12 sind jedoch Streitigkeiten 
über Ausübung und A. des Weiderechts auf frem- 
dem Grund und Boden als Verwzechtssachen er- 
klärt, also bei den genannten Instanzen im ver- 
waltungsrechtlichen Verfahren zu behandeln, und 
es steht gegen die Entscheidungen der Kreis- 
regierungen Beschwerde zum Verwaltungsge- 
richtshofe offen. 
Literatur: Zu 5 1: E. v. Moy, Das Staatsrecht 
des Kgr. Bayern, 1 1 1 83 ff.; J. Pözl, Lehrb. der bayer. 
Verf Rechts", ### 72 ffl.; H. Wirschinger, Darstellung 
der Entstehung, Ausbildung und des jetzigen rechtlichen Zu- 
standes der Patrimonialgerichtsbarkeit in Bayern, 1837; 
L. Prenitzer, H# der gutsherrlichen Rechte und der 
gutsherrlichen Gerichtsbarkeit in Boyern, 1847; K. Haff, 
Der Stand des Grundentlastungsrechtes in Bayern, Jahrb. 
Oeff.R. II 68 ff., 1908. 
Zu 1# 2, 3: J. v. Pözl, Lehrb. des bayer. VerfRechto ?:, 
35 6ö7—74; Pözl. Erläuterung des Gv. 4. 6. 48 bei Doll. 
mann, Die Gesetzgebung des Kgr. Bayern seit Maximilian 
II., Teil 1 Bd. 1 Heft 2; Pözl, Erläuterung des G v. 
28. 4. 72, 1873;:; L. Knobling, Das Grundentlastungs. 
gçesetz v. 28. 4. 72, 1873; H. Frhr. v. Stengel, Die 
Grundentlastung in Bayern, 1874; J. Hock, HB der gesam. 
ten Finanz Berw im Kagr. Bavern, 1382 ff., I 66 ff. 
II 713 ff.; Lud. Dblagger, Gesetz, die Fortsetzung 
der Grundentlastung usw. betr., 1905. 
Zu 14: J. Pözl, Lehrb. des bayer. Verwechts, 1871 
*161; Pözl, Erläuterung des G v. 28. 5. 52 bei Doll. 
mann a. a. L. Teil 1 Bd. 1 377 ff. 
M. v. Seydel (J. Graßmann). 
III. Sachsen 
* 1. Allgemeine Bestimmungen. 1 2. Aufhebung und 
Ablösung der Reallasten. 3. Ablösung der Dienstbarkeiten. 
#56 4. Entschädigung. # 5. Kosten. 1 6. Landrentenbank. 
Die A. der Rechte an Grundstücken 
wurde im Königreiche Sachsen in umfassender 
Weise durch das G v. 17. 3. 1832 geregelt, das, 
obwohl es später wiederholt, besonders durch das 
Gv. 15. ö. 51 in einzelnen Punkten Abänderungen 
und Ergänzungen erfahren hat, die wesentliche 
Grundlage des A.Rechtes geblieben ist. 
8 1. Allgemeine, für sämtliche Ablösungen 
gültige Bestimmungen. Unter A. begreift das 
Gesetz die Aufhebung eines Rechtsverhältnisses 
gegen Entschädigung des Berechtigten. Das 
Recht, auf A. anzutragen, ist vom Eigentume, und 
wenn dies streitig ist, vom Naturalbesitze eines als 
berechtigt oder verpflichtet an der A. beteiligten 
Grundstücks abhängig und steht, auch wenn es sich 
um A. der Erbpacht= oder Erbzinsqualität eines 
Grundstücks, und um als RL auf Grund und 
Boden haftende Geldgefälle handelt, sowohl 
dem Berechtigten als dem Verpflichteten zu. 
In beiden Fällen muß sich, unter einigen Aus- 
nahmen, der Provozierte die A. gefallen lassen. 
Unter Miteigentümern, die für eine Person gel-
	        
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