516
Braunschweig (Landesfürst)
besserungen wurden nach Abwerfung der Fremd-
herrschaft großenteils (mit Ausnahme namentlich
der Abschaffung der Patrimonialgerichtsbarkeit)
wieder beseitigt. Während der Minderzährigkeit
des Herzogs Karl II. vereinbarte die vormund-
schaftliche Regierung des Prinzregenten, nachmali-
gen Königs Georg IV. von England, mit den in ihrer
alten Zusammensetzung nochmals einberufenen
Landständen eine „erneuerte Landschaftsordnung“
(vom 25. 4. 1820), welche die bisher getrennt
gebliebenen Landschaften des Herzogtums und
des Fürstentums Blankenburg in einer Ver-
sammlung vereinigte, an die Stelle der bisherigen
3 Kurien unter Erhöhung der Zahl der landtags-
fähigen Güter 2 an Rechten und Ansehen gleiche
Sektionen setzte und die Befugnisse der Stände
in mehrfachen Hinsichten über das in den Privi-
legien von 1770 verbriefte Maß hinaus erweiterte.
Allein erst, nachdem infolge der Vertreibung des
Herzogs Karl (1830) dessen jüngerer Bruder, der
Herzog Wilhelm, die Regierung übernommen
hatte, erhielt das Land eine den Forderungen der
neueren Zeit durchweg entsprechendes, umfassen-
des StG#G, die Neue Landschaftsordnung
v. 12. 10. 1832, gleichzeitig mit dem Erlaß eines
Wahlgesetzes und einer Reihe organisatorischer
Gesetze, die für die Landesverwaltung verschiedene
neue Behörden einsetzten und deren Wirkungs-
kreis eingehend regelten. Die Bewegung des Jahrs
1848 führte zunächst auf dem Gebiet des Ver-
fassungsrechts zu zwei, ausdrücklich nur provi-
sorisch erlassenen Gesetzen über Aenderungen
in der Zusammensetzung des Landtages und (un-
ter teilweiser Zulassung allgemeiner direkter Wah-
len) im Wahlrecht, in der Folge auch zu durch-
greifenden Neuerungen in Justiz (GVG auf der
Grundlage völliger Trennung von Justiz und Ver-
waltung, Zivil-und Strafprozeßordnung mit
öffentlich-mündlichem Verfahren, Geschworenen-
gerichte) und Verwaltung (Erlaß einer neuen StO
und einer LGO, Aenderungen in der Organisa-
tion der Landesverwaltungsbehörden, Einführung
der Grundsteuer u. a.). Die erwähnten beiden pro-
visorischen Gesetze wurden bald hernach durch Gv.
22. und 23. 11. 1851 ersetzt. Seit dieser Zeit hat
die NLO Aenderungen von Erheblichkeit eigentlich
nur in Betreff der Zusammensetzung des Land-
tages (G. v. 6. 5. 1899, daneben etwa G wegen
Abkürzung der Finanzperioden v. 26. 3. 1888),
eine namhafte Ergänzung dagegen durch das
„Regentschaftsgesetz“ v. 16. 2. 1879 erfahren.
Auf Grund eben dieses G ist nach dem „unbe-
erbten“ Ableben des Herzogs Wilhelm, des Letzten
der älteren Linie des welfischen Hauses und nach-
dem der Bundesratsbeschluß v. 2.7. 1885 die Ueber
nahme der Regierung durch den erbberechtigten
Thronfolger, Herzog Ernst August von Cumber-
land wegen seines „dem reichsverfassungsmäßig ge-
währleisteten Frieden unter Bundesgliedern wider-
streitenden“" Verhältnisses zu Preußen, sowie we-
gen der Aufrechterhaltung der Ausprüche seines
Hauses auf Hannover für unzulässig erklärt hatte,
zunächst (21. 10.85) der Prinz Albrecht von Preu-
ßen, nach dessen Tode aber infolge eines Bundes-
ratserachtens verschärften Inhalts (v. 28. 2. 1907)
der Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg zum
Regenten des Herzogtums von der Landesver-
sammlung erwählt worden (28. 5. 1907).
# 2. Der Landesfürst. I. Dessen rechtliche
Stellung und vermögensrechtliche Ausstat-
tung. — Der Landesfürst vereinigt in sich die ge-
samte ungeteilte Staatsgewalt, die er in ver-
fassungsmäßiger Weise auszuüben hat (Rever-
salen darüber bei dem Regierungsantritt auszu-
stellen !) und vertritt den Staat in allen Bezie-
hungen zum Deutschen Reich und anderen Staaten.
Die mit seiner Unterschrift erlassenen Verfügungen
in Landesangelegenheiten sind nur vollziehbar,
wenn mit der Kontrasignatur eines stimmführen-
den Mitgliedes des Staatsministeriums versehen.
Die Ausübung der Militärhoheitsrechte ist nach
Maßgabe der Konvention vom 9./18. 3. 86 dem
König von Preußen übertragen. Der Landes-
fürst verleiht Titel, Rang, Würden, Privilegien,
Standeserhöhungen, Ehrenzeichen und kann in
Einzelfällen von gesetzlichen Vorschriften dispen-
sieren (sofern dabei Rechte dritter Personen in
Frage kommen, nur mit Zustimmung der Betei-
ligten). Der Sitz der Reg darf nur in dringenden
Notfällen außer Landes verlegt werden. Der Be-
darf des Landesfürsten und seines Hauses (dar-
unter Besoldungen und Pensionen der Hofbe-
amten, Instandhaltung der Hofhaltungsgrund-
stücke, Kosten des Marstalls, des Hoftheaters, der
Hofkapelle) haftet in einer zunächst (Finanzneben-
vertrag v. 18. 10. 32) auf 237000 Taler festge-
setzten, späterhin (LA von 1874) um 30000 Taler
erhöhten Summe auf dem Reinertrag des Kam-
merguts. Daneben bleiben der Hofhaltung vor-
behalten die Herzogl. Schlösser, Gärten, Hofge-
bäude, Anlagen, Inventarien, sowie gewisse Ge-
fälle und Naturallieferungen.
II. TUhronfolgeordnung und Re-
gentschaft. Die Regierungsform des Herzog-
tums ist die erblich monarchische. Die Reg wird
vererbt im Fürstl. Gesamthause B.-Lüneburg nach
der Linealfolge und dem Recht der Erstgeburt und
zwar zunächst im Mannesstamm aus rechtmäßiger,
ebenbürtiger, hausgesetzlicher Ehe. Erlischt der
Mannesstamm des Gesamthauses, so geht die Reg
auf die weibliche Linie „nach gleichen Grund-
sätzen“ über (NLO #F14). Die inneren Verhältnisse
des Herzogl. Hauses ordnet der Landesfürst durch
Hausgesetze, die zwar der ständischen Zustimmung
nicht unterliegen, aber auch das Landesgrundgesetz
nicht abändern dürfen. — Eine Regentschaft
tritt ein: 1) nach der NLO wenn der Landesfürst,
der mit vollendetem 18. Jahr volljährig wird,
noch minderjährig ist („Regierungsvormundschaft"“).
Die Regentschaft gebührt, sofern der Landesfürst
für den minderjährigen Nachfolger nicht selbst
„den Vormund bestellt“ hat, den volljährigen regie-
rungsfähigen Agnaten nach der Gradesnähe, dann
der Mutter und darauf der Großmutter des
Minderjährigen väterlicherseits, jener wie dieser
unter der Voraussetzung, daß sie im Witwenstand
verblieben sind. Im äußersten Fall hat die Stände-
versammlung auf Vorschlag des Staats Min den
Vormund aus den „volljährigen, nicht regierenden
Prinzen der zum deutschen Bunde gehörenden
Fürstenhäuser“ zu wählen (NLO § 16—19).
2) Nach dem G v. 16. 2. 79 Nr. 3 (die proviso-
rische Ordnung der Regierungsverhältnisse bei
einer Toronerledigung betreffend), dem sog. Re-
gentschaftsgesetze, zur Sicherung der verfassungs-
mäßigen Verwaltung des Herzogtums gegen
Störungen in Fällen, wo „der vollberechtigte
Thronfolger am sofortigen Regierungsantritte