Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
  
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Braunschweig (Landesversammlung) 
  
gefunden. — Der Landtag beschließt bei Anwesen- 
heit von mindestens 389 der gesetzlichen Mitglieder- 
zahl nach unbedingter Stimmenmehrheit (abgesehen 
von Aenderungen oder Ergänzungen des Landes- 
grundgesetzes — s. unter III A). Die Sitzungen sind 
in der Regel öffentlich. Die Wahl des Präsidenten 
und des Vizepräsidenten unterliegt der Bestätigung 
des Landesfürsten, welchem für jedes dieser Aemter 
3 Abgeordnete in Vorschlag zu bringen sind. Als 
besonderer Beamter der Landesversammlung (als 
Schriftführer, Rechtsbeistand, Berichterstatter in 
den Ausschußsitzungen, Vorstand der Känzlei und 
Archivar) fungiert, von jener auf Lebenszeit ge- 
wählt, ein Landsyndikus, mit dessen Dienst ein 
anderes Staatsamt unvereinbar ist. — Nach 
Schluß eines jeden Landtags werden die mit der 
Reg getroffenen Vereinbarungen, namentlich in 
betreff des Finanzwesens (insoweit als Ersatz des 
„Etatgesetzes“) in einem Landtagsabschied 
zusammengetragen, welcher in verfassungsmäßig 
vorgeschriebener Form und mit dem Gesetzes- 
befehl versehen, gleich den Gesetzen und Verord- 
nungen veröffentlicht wird. Die näheren Bestim- 
mungen über die Formen der Geschäftsbehandlung 
enthält die als Gesetz erlassene Gesch O v. 20. 1. 93 
(Abänderungs G v. 30. 3. 94 u. 1. 7. O04). — Die 
Abgeordneten beziehen während des Landtages 
Tagegelder (10 Mk., die in der Stadt B. wohn- 
haften 5 Mk.), die auswärtigen zugleich Reise- 
kosten. [U Abgeordnete oben S. 231. 
III. Zuständigkeit. — Wenngleich ver- 
möge des Rechts der Mitaufsicht über die Landes- 
angelegenheiten, zu dessen Durchführung äußersten 
Falls, bei unzweifelhaften Verletzungen des 
Landesgrund G, das Recht der Ministeranklage 
(NLO #108 ff) dient, die Landesversammlung auf 
allen Gebieten der öffentlichen Verw ihren Einfluß 
zu äußern vermag, so beschränkt sich ihre Tätigkeit 
doch vorwiegend und in bestimmter Abgrenzung 
auf die Mitwirkung bei der Landesgesetzgebung 
und bei Regelung des Staatsfinanzwesens. 
A. Gesetze, welche das „Landespolizeiwesen“ 
betreffen, können, sofern das Strafmaß sich auf 
Haft bis zu 6 Wochen oder auf Geldstrafe bis zu 
150 Mk. (so seit dem St GB die Auslegung des 
#99 der NLO) beschränkt, mit Gutachten und 
Rat der Landesversammlung und, wenn der 
Landtag nicht versammelt ist, des Ausschusses 
(hier jedoch mit Ausnahme einer „allgemeinen 
Polizeiverordnung", NLO F+ 123) erlassen werden. 
Alle anderen Gesetze erfordern entweder die Zu- 
stimmung der Landesversammlung oder können 
innerhalb bestimmter Schranken mit der des Aus- 
schusses erlassen werden. Der Zuständigkeit des 
letzteren völlig entzogen sind alle Gesetze, welche 
das Landesgrundgesetz selbst oder eines der „mit 
diesem publizierten Gesetze“ (Wahlgesetz, GeschO 
des Landtages, Zivilstaatsdienstgesetz, verschie- 
dene Gesetze über Behördenorganisation) ergän- 
zen, erläutern oder abändern, ferner Gesetze, 
durch welche neue organische Staatseinrichtungen 
getroffen oder die bestehenden geändert werden 
(NLO # 122). Und es unterliegen der Zuständig- 
keit des Ausschusses Gesetze über Landes-Finanz- 
und Steuerwesen (NLO s 98, 3) nur auf Grund 
besonderer Ermächtigung der Landesversammlung 
(NLO 7# 126, 122) oder (als „Notgesetze"), sofern 
das Staatswohl dringende Eile gebietet oder der 
vorübergehende Zweck des Gesetzes durch Ver- 
  
zögerung vereitelt würde. Solche Notgesetze sind 
der Landesversammlung baldigst zur Genehmi- 
gung vorzulegen und treten bei deren Versagung 
außer Kraft (NLO 75120). — Gesetze, welche Ab- 
änderungen (oder Ergänzungen) des Landes- 
grundgesetzes zum Gegenstande haben, bedürfen 
u ihrer Annahme der #Zustimmung von wenig- 
ens 35 der „ganzen Landschaft“ (also einer Min- 
destzahl von 32 Stimmen). NLO +# 141. 
B. Die Mitwirkung der Landesvertretung im 
Finanzwesen: l. Die Feststellung des 
Staatshaushaltsetats. Die rechtlichen 
Verschiedenheiten des Kammerguts, dessen „bis- 
herige Rechtsverhältnisse unverändert fortbe- 
stehen bleiben“ (NLO 5I 164), des Kloster= und 
Studienfonds (im wesentlichen Güter und Ge- 
rechtsame der im Reformationszeitalter ausge- 
hobenen und der infolge des Reichsdeputations- 
hauptschlusses säkularisierten Klöster und Stifter, 
vereinigt mit einem Kapital der ehemaligen Uni- 
versität Helmstedt) und des eigentlichen Staats- 
vermögens haben dahin geführt, daß anstatt 
eines einheitlichen Gesamtetats 4 Einzeletats auf- 
gestellt werden, der Etat der Kammerkasse (Do- 
mänen, Forsten und Jagden, Bergwerke, Kam- 
merkapitalvermögen), der Etat der Klosterver- 
waltungskasse (Klostergüter und Forsten, Kapital- 
bestände von Erheblichkeit), der Etat der Kloster- 
reinertragskasse (für Kirchen, Schulen, höhere 
Bildungsanstalten, wohltätige Zwecke, Kranken- 
und Pflegehäuser bestimmt) und der Staats- 
haushaltsetat im engeren Sinn, welchem neben 
den Ueberschüssen des Kammerguts direkte und 
indirekte Steuern, Lotterieeinkünfte, Renten aus 
dem Verkauf der Eisenbahnen, Kapitalzinsen 
u. a. zufließen. Bei dem Kammerkassen-Etat 
wird die Landesversammlung „nur mit ihren 
gutachtlichen Anträgen und Bemerkungen ge- 
hört“ (NLO 5l 168), die übrigen Etats gwerden 
avon der LandesReg gemeinschaftlich mit der 
andesversammlung festgestellt" (NLO 5 185, 
223). 2. Das Recht und die Pflicht der Steuer- 
verwilligung mit der Maßgabe, daß nach Ablauf 
der zweijährigen Finanzperiode (G v. 26. 3. 88) 
alle Abgaben höchstens noch für ein Jahr erhoben. 
werden können und daß eine Erhöhung der 
Steuern oder Auflage neuer Steuern nur in Not- 
fällen, welche zugleich die zeitige Einberufung des 
Landtags ausschließen, unter Zustimmung des 
Ausschusses für längstens 6 Monate zulässig ist 
(NXLO & 177, 190). An direkten Staatssteuern 
werden erhoben: Einkommen= und Ergänzungs- 
steuern (genau nach dem Vorbild der preußischen 
Gesetzgebung), Gewerbesteuern und Grund- 
stenern — an indirekten Steuern: Stempelsteuern. 
3. Die Genehmigung von Staatsanleihen. 
Staatsanleihen bis zum Betrage von 100000 Taler 
dürfen unter den für Erhöhung der Steuern gelten- 
den Voraussetzungen gleichfalls mit Bewilligung 
des Ausschusses abgeschlossen werden (NLO #D190). 
4. Die Zustimmung zu Veräußerungen von 
Bestandteilen des Kammer-, Kloster= und Staats- 
guts im engern Sinn (des Grundvermögens). 
Uebersteigt der Wert des zu veräußernden Gegen- 
standes nicht den Betrag von 10000 Taler (Konv.= 
M), so kann (während der Vertagungen und 
zwischen den Landtagen) auch der Ausschuß die 
Zustimmung erteilen (NLO 4 165, 224, 189). 
5. Die Finanzkontrolle, namentlich mittels
	        
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