staaten die historische Entwickelung die meisten
Abarten gezeitigt hat. Zum nähern Verständnis
des deutschen Rechtszustandes wird es zunächst
erforderlich sein, die Entwickelung in England und
Frankreich darzustellen 7).
#§ 4. Eugland. Anfänglich waren die Staatsaus-
gaben ungetrennt nach persönlicher Anord-
nung des Königs für den Hofhalt und für die
Bedürfnisse des Staats verwendet worden, ähnlich
wie in dem Kammerhaushalt der deutschen Lan-
desherren. Dabei hatten die reichen Einkünfte des
Königs seit der normannischen Eroberung für alle
Zwecke ausgereicht. Die fortschreitende Abnahme
der „erblichen Revenue des Königs" machte indes
eine Steuerbewilligung der Stände notwendig.
Seit Heinrich V. wurde daher zur Erhöhung der
damals stark geschmälerten erblichen Einkünfte
dem König auf Lebenszeit ein erhöhtes
Einkommen bewilligt. Daneben standen dann
noch „außerordentliche“ Bewilligungen des Un-
terhauses, die als „Subsidien“ zur Deckung ge-
steigerter Bedürfnisse gewährt wurden. Dies Ver-
hältnis hatte sich auch unter der Dynastie der Tu-
dors und Stuarts fortgesetzt. Unter Jakob II.
war die auf Lebenszeit bewilligte Revenue sogar
auf die bis dahin unerhörte Höhe von 1 900 000 T
gestiegen, von welchen Heer und Kriegsflotte
freilich mehr als 29 in Anspruch nahmen. Als
aber nach der sog. glorreichen Revolution (1689)
Wilhelm III. den englischen Thron bestieg, fand
man es nach den unter Jakob II. gemachten Er-
fahrungen dringend ratsam, den jährlichen Geld-
bedarf für das Heer und die Kriegsflotte von den
übrigen Staatsausgaben zutrennen und un-
mittelbar von einer jährlichen Bewilligung des
Parlaments abhängig zu machen. Damit be-
schränkte sich nunmehr der unter königlicher An-
ordnung geregelte Staatshaushaltsetat auf den
königlichen Haushalt und die Civilver wal-
tung (eivil government), wie er noch in der
heutigen Budgetaufstellung in die drei Haupt-
teile: Army, Navy und Civil Services geschieden
wird. In dem politischen Sprachgebrauch ge-
wöhnte man sich allmählich daran, diesen civilen
Teil des Budgets als civil list zu bezeichnen, kei-
neswegs in dem Sinne eines Einkommens für
den königlichen Haushalt, sondern alle Hauptposten
der Civilverwaltung in sich begreifend.
Diese Vermischung der Ausgaben des Hofhalts
mit der Civilverwaltung führte bald nach dem Re-
gierungsantritt der hannöverschen Dynastie zu
Finanzverlegenheiten des Königs. Schon nach
der Thronbesteigung Georgs II. wurde dem König
als Zusatz zu der stark geschwundenen „erblichen Re-
venue“ eine jährliche Barsumme von 800 000 .
garantiert. Georg III. fand es bei seinem Re-
gierungsantritt geratener, die bis dahin recht
schlecht verwaltete erbliche Revenue dem Parla-
ment zur Disposition zu stellen, d. h. „darüber so
zu verfügen, wie das Parlament es angemessen
finden möchte“, andererseits „Zzur Be-
streitung des Haushalts und zur Aufrechterhaltung
des Glanzes und der Würde der Krone eine be-
stimmte Summe (800 000 rTK) als seine C.
anzunehmen (1. Geo. III c. 1). Die erbliche Re-
venue wurde nunmehr an die Generalstaatskasse
*) Im wesentlichen nach Gneist (1. Auflage dieses
Wörterbuchs).
Civilliste
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abgeführt und aus demselben Fonds die Bar-
zahlung der vereinbarten Summe geleistet. Es
sollte dies nur ein Arrangement auf Lebenszeit
sein. Der König behielt sich auch noch die erbliche
Revenue von Schottland und ein besonderes Ein-
kommen für Irland vor. Die Geldverlegenheiten
kehrten indessen wieder, obgleich im Laufe dieser
langen Regierung das Parlament noch vielerlei
Posten von der „Civillistc“ auf das Jahresbudget
übernahm. Noch immer blieben auf dem Etat der
C. die Gehälter der Oberrichter, der Gesandten, die
Pensionen und mancherlei anderes, und infolge
einer ungeregelten Wirtschaft hörten peinliche Ver-
handlungen mit dem Parlament über die Deckung
eines entstandenen Defizits nicht auf. Georg IV.
zog es daher vor, bei seinem Regierungsantritt
durch ein neues Arrangement seine erblichen Re-
venüen (mit Vorbehalt des Rechts selbst) in Bausch
und Bogen dem Parlament zur Verfügung zu
stellen und dafür eine feste SBumme von 850 000 #.
in England, 207 000 K in Irland anzunehmen.
Beim Regierungsantritt Wilhelms IV. wurde die
C. von den Richtergehalten, Gnadengehalten und
Staatspensionen entlastet und für die übrig blei-
benden Bedürfnisse eine Summe von 510 000 .
festgestellt. Die Königin Wiktoria endlich ging bei
ihrem Regierungsantritt ein neues Arrangement
ein, nach welchem sie die ganze erbliche Kron-
revenue (mit Vorbehalt des erblichen Rechts) dem
Parlament zur Verfügung stellte und dagegen
eine C. von 385 000 f annahm, mit noch einer
Zusatzrente von 10 000 f. Erst von dieser Zeit
an beschränkt sich die civil list auf die Ausgaben
des Haushalts und Hofstaats, wozu sie übrigens
kaum ausreichen würde, wenn dazu nicht noch be-
sondere Einkünfte aus dem sog. Herzogtum Lan-
caster und Cornwall hinzuträten. Besondere Apa-
nagen wurden durch periodische Bewilligungen
des Parlaments für Mitglieder der königlichen
Familie hinzugefügt, so daß diese Nebenbewilli-
gungen zeitweise 100 000 e überschritten. Beim
Regierungsantritt König Eduards VII. fand eine
Neuregelung statt (1 Edw.VII. Civül list act 1901).
Darnach erhielt König Eduard (ebenfalls gegen
Ueberweisung der erblichen Revenuen an den
Consol-Fund) 470 000 K für sich und seinen Haus-
halt (110 000 f für die Privatschatulle, 125 800 ∆
Besoldungen und Pensionen, 193000 Kf Haus-
haltskosten, 20000 x Arbeiten (works), 13 200 K
zu Wohltätigkeitszwecken, 8000 für Sonstiges).
Königl. Theater braucht die Krone nicht zu un-
terhalten. Die größten Schlösser (Windsor, Buk-
kingham usw.) werden vom Staate unterhalten.
Königin Alexandra erhält für den Ueberlebens-
fall 70000 c+ zugesichert. Die Höhe der Apa-
nagen, die ebenfalls gesetzlich bestimmt wird,
wechselt natürlich. Sie betrug nach der Rechnung
1904/05 108 373 F. Die Civilliste für König
Georg V. ist in gleicher Höhe wie für Eduard VII.
festgestellt worden. Jeder Sohn, welcher das 21.
Lebensjahr erreicht hat und nicht verheiratet ist,
soll 10000 f, im Fall der Verheiratung 15.000 #,
jede Tochter 6000 c erhalten. Für den Prinzen
von Wales ist keine Apanage ausgeworfen, weil
er die Einkünfte der Herzogtümer Cornwall und
Lancaster bezieht. Die Ausgaben für Staatsbe-
suche soll in Zukunft der König, nicht wie bisher der
Staat bezahlen. Dagegen wird in Zukunft vom Kö-
nig keine Einkommensteuer mehr erhoben werden.