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Defektenverfahren
(Bo a 181). — In Baden ist das DV nicht nur
gegen Beamte im Sinne des Beamtengesetzes zu-
lässig, sondern auch gegen Personen, die ohne
Beamte zu sein, zum Staat in einem Dienstver-
hältnis stehen.
III. Die zum Ersatz verpflichten-
den Rechtsgründe. Nicht jeder D be-
gründet die Ersatzverbindlichkeit des Beamten, in
dessen Kasse er festgestellt ist. Das D V beschränkt
sich vielmehr auf die Fälle, in denen der Beamte
durch Unterschlagung als Täter oder Teilnehmer
oder durch grobes Versehen den D herbeigeführt
hat. Steht eine andere strafbare Handlung als
Unterschlagung z. B. Diebstahl in Frage, so ist ein
DBeschluß unstatthaft; doch ist dies streitig. Eben-
so ist kein DV zulässig, wenn nur mäßiges Ver-
sehen oder eine bloße Verletzung der Aussichts-
pflicht über einen ungetreuen oder nachlässigen
Beamten vorliegt (was allerdings nach badischem
Rechte genügt); in solchen Fällen muß sich die
Verwaltung auf die objektive Feststellung des D
beschränken und Ersatz von dem schuldigen Beamten
im ordentlichen Rechtswege zu erlangen suchen.
Liegt überhaupt kein Verschulden eines Beamten
vor, ist vielmehr der D durch Zufall, höhere Ge-
walt u. dgl. entstanden, so behält es bei der Fest-
stellung des D sein Bewenden. Zur Schuld des
Beamten muß aber, um die defektenrechtliche Haft-
pflicht zu begründen, auch ein ursächlicher Zusam-
menhang zwischen dem D und dem schuldhaften
Verhalten des Beamten hinzukommen. Wäre
also der D auch entstanden, wenn der Beamte
pflichtgemäß verfahren wäre, so ist für ein DV kein
Raum. — Bayern lläßt die Ersatzzuweisung all-
gemein bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Verletzung
der Amtspflicht zu.
J 3. DTas Tefektenverfahren.
I. Die zuständige Behörde. Die
Feststellung des D und des ersatzpflichtigen Beam-
ten sowie die weitere Durchführung des DV liegt
derjenigen Behörde ob, zu deren Geschäftskreise
die unmittelbare Aufsicht über die Kasse oder an-
dere Verwaltung gehört oder die dem mit dem
Gewahrsam des defektierten Vermögens betrauten
Beamten unmittelbar vorgesetzt ist. Welche Be-
hörden hiernach im einzelnen für das DV gegen
Reichsbeamte zuständig sind, ergibt das der V
v. 27. 12.99 (RGl 730) beigegebene Verzcichnis.
Für Baden vgl. landesh. V. v. 14. 9. 94.
II. Feststellung des Defektes und
des ersatzpflichtigen Beamten. Das
Dobeginnt mit der objektiven Feststellung des D.
Es wird also zunächst ermittelt, welcher Betrag
dem Istbestand am Sollbestande fehlt und bei
einem D an Materialien zugleich, auf wie hoch der
Geldwert der abhanden gekommenen Gegenstände
zu veranschlagen ist. Sodann ist zu untersuchen,
ob ein Beamter und, bejahendenfalls, welcher Be-
amte für den D verantwortlich zu machen ist; hier-
bei sind die im §& 4 besprochenen zum Ersatz ver-
pflichtenden Rechtsgründe zu erörtern. Ist die
Ersatzpflicht zu verneinen, so ist das DV einzu-
stellen.
#s 4. Der Defektenbeschluß. Anfechtung. Voll-
streckung.
. I. Der Beschlufß. Ergibt die Untersuchung
die Haftpflicht eines Beamten für den festgestellten
D, so erläßt die zuständige Behörde (§ 3) über den
Betrag des D, die Person des zum Ersatz verpflich-,
teten Beamten und den Grund seiner Verpflichtung
einen mit Gründen versehenen Beschluß. Dieser
Beschluß muß bei Vermeidung seiner Rechts-
gültigkeit enthalten: Den Betrag oder Geldwert
des D, die Person des ersatzpflichtigen Beamten,
die Kasse, der der Ersatz zu leisten ist und den Rechts-
grund der Ersatzpflicht (J 2). Er soll ferner
enthalten eine Entscheidung über die Verpflichtung
zur Zahlung von Verzugszinsen (§§ 288 ff. BGB,)
und zur Erstattung der durch die Untersuchung ver-
ursachten baren Auslagen; zu diesen Auslagen ge-
hören z. B. die Reisekosten der die Untersuchung
führenden Beamten und die Gebühren für Briefe
und Telegramme, die zur Verfolgung flüchtiger
Beamten abgesandt werden. Gebühren und
Stempel sind für das DV nicht zu berechnen. Die
Verzugszinsen sind von dem Tage ab zu berechnen,
an dem der D entstanden, oder, wenn dieser Tag
nicht bekannt ist, von dem Tage ab, an dem er ent-
deckt, oder, bei Defektierung von Privatvermögen,
das der Reichsverwaltung anvertraut ist, von dem
Tage ab, an dem hierfür Ersatz geleistet ist. In
dem entscheidenden Teil des Beschlusses sind end-
lich auch die behufs des Ersatzes des D zu ergreifen-
den Vollstreckungs= oder Sicherheitsmaßregeln zu
bezeichnen. In der Begründung des Beschlusses
sind insbesondere die zum Ersatz verpflichtenden
Rechtsgründe (§5 2) unter Würdigung des Ergeb-
nisses der Untersuchung zu erörtern. Der Be-
schluß ist sofort vollstreckbar, falls er von einer
höheren Reichsbehörde (val. Verzeichnis v. 27. 12.
99), in Preußen einer Central= oder Provinzial-
Behörde abgefaßt ist; in allen anderen Fällen
wird er erst nach Genehmigung der vorgesetzten
höheren Behörde vollstreckbar. Die oberste Reichs-
behörde, der von dem Beschluß sofort Kenntnis
zu geben ist, kann in allen Fällen einschreiten und
den Beschluß selbst abfassen oder berichtigen. Der
Beschluß ist dem Beamten bekannt zu machen, es
sei denn, daß dieser an seinem Wohnort nicht zu
treffen ist. Diese Bestimmungen trifft das
Reichsrecht nach preußischem Vorbilde. — Baden
z. B. hat keine besonderen Vorschriften über
den notwendigen Inhalt; hier ist auch die Pflicht
zur Tragung der Kosten für den Beamten durch
V. v. 13. 6. 99 ausdrücklich ausgehoben. In
Bayern ist der Beschluß erst nach Ablauf der
Beschwerdefrist oder mit der Entscheidung der
letzten Instanz vollstreckbar; jedoch kann er bei
drohender Gefährdung des Staates für vorläufig
vollstreckbar erklärt werden.
II. Die Rechtsmittel. Gegen den Be-
schluß, der einen Beamten zur Erstattung eines
D für verpflichtet erklärt, steht diesem sowohl we-
gen des Betrages wie wegen der Ersatzverbindlich-
keit die Beschwerde im Verwaltungswege und die
Klage vor den ordentlichen Gerichten offen.
In Baden ist der Rechtsweg ausgeschlossen, bei
der Ersatzpflicht eines Vorrechners, die sich aus
Anlaß der Rechnungsabhör ergibt. (Oberrech--
nungskammer G v. 25. 8. 76); hier kann nur
die verstärkte Oberrechnungskammer angerufen
werden. a) Die Beschwerde („Rekurs“" in
Preußen) ist an keine Frist (Bayern 14 Tage)gebun-
den: sie geht an die der Beschlußbehörde vorgesetzte
höhere VerwBehörde. Sie hält die Vollstreckung
nicht auf. Sie braucht aber der Klage im ordent-
lichen Rechtsweg nicht voranzugehen und schließt
den Klageweg nicht aus. b) Der Rechtsweg