Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
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Depossedierte 
  
—.. SF- 
genießen, beruht teils auf allgemeinem Gewohn- 
heitsrechte (fortdauernde Ebenbürtigkeit), teils auf 
Bestimmungen der Reichs- und preußischen Lan- 
desgesetzgebung. Im Gegensatze zu den Mediati- 
sierten (IIU sind den D. keinerlei dingliche Rechte als 
Reste der früheren Landeshoheit über ihr Gebiet 
belassen, sondern ihre bevorrechtete Stellung be- 
schränkt sich auf Familienrechte und ihr Verhält- 
nis zum Behördenorganismus. Die Stellung 
der einzelnen D. zur inländischen Staatsgewalt 
ist jedoch verschieden (U Adell. 
1. Das frühere hannoversche Königshaus 
bildet eine Seitenlinie des in England regierenden. 
Königshauses, wenn auch einem anderen Stamme 
angehörig, da in England das Königshaus kein 
agnatischer Verband ist. Seine Mitglieder sind 
daher englische Prinzen und Prinzessinnen, bilden 
aber auf der anderen Seite unter sich als agnati- 
scher Verband ein eigenes Haus. Da sie nach der 
Einverleibung Hannovers ihren Wohnsitz außer- 
halb Deutschlands verlegt haben, sind sie auch 
nicht preußische Staats= und deutsche Reichsange- 
hörige geworden. Von der inländischen Gesetz- 
gebung werden sie nur hinsichtlich ihres im In- 
lande belegenen Vermögens und der persönlichen 
Beziehungen zu diesem ergriffen. 
2. Das ehemals kurhessische Haus ist in der 
Haupt= und Kurlinie erloschen. In Betracht 
kommen nur die landgräflichen Nebenlinien, deren 
älteste allerdings ohne die Ereignisse des Jahres 
1866 jetzt Kurlinie sein würde. Sie bilden gleich- 
zeitig Nebenlinien des großherzoglich hessischen 
Hauses und würden nach dessen Aussterben im 
Großherzogtum Hessen thronfolgeberechtigt sein. 
Sie gehören also noch zu einem landesherrlichen 
Hause im weiteren Sinne. Doch sind sie nicht der 
großherzoglich hessischen Familiengewalt und 
Hausgesetzgebung unterworfen und zwar um so 
weniger, als sie die ältere Linie des Gesamthauses 
bilden. Sie machen daher in sich ein eigenes 
Haus aus. An der deutschen Reichs= und preußi- 
schen Staatsangehörigkeit ist schon deshalb nicht 
zu zweifeln, weil sämtliche großjährigen Agnaten 
preußische Offiziere sind. 
3. Das ehemals nassauische Herzogshaus 
hat am 23. 11. 90 das Großherzogtum Luxemburg 
erworben. Seine Beziehungen zur deutschen 
Staatsgewalt sind daher grundsätzlich nicht staats- 
rechtlich, sondern völkerrechtlich. Nur hinsichtlich 
des im Inlande belegenen Vermögens bleibt die 
Zuständigkeit der deutschen Staatsgewalt erhalten- 
4. Die in Deutschland ansässigen Linien des Hau- 
ses Holstein — Schleswig-Holstein-Sonderburg- 
Augustenburg und Schleswig-Holstein-Sonder- 
burg-Glücksburg — sind Linien des weitverzweig- 
ten Hauses Oldenburg, das in Dänemark, Grie- 
chenland, Norwegen, Rußland und Oldenburg 
regiert, aber mit diesen Häusern durch keine Fa- 
miliengewalt verbunden. Zu den D. gehören sie 
nicht, da die Linie Augustenburg zwar bis 1866 
die Herrschaft über Schleswig-Holstein bean- 
sprucht, aber nie erlangt hat. Doch werden sie 
den D. rechtlich gleichgestellt. Sie besitzen, soweit 
sie in Deutschland anfässig sind, und das gilt na- 
mentlich von den Häuptern der beiden Linien, 
die deutsche Reichs= und preußische Staatsange- 
hörigkeit. Die Kab O v. 3. 7. 93 erkennt an, daß 
sie einen selbständigen Zweig eines in Deutsch- 
land vormals souveränen Hauses bilden. 
  
62. Familienrechte. a) Ebenbürtigkeit. 
Nach gemeinem deutschen Privatfürstenrechte 
geht einem Hause, das früher einen erblichen 
Thron inne gehabt hat, die Ebenbürtigkeit mit 
den regierenden Häusern Deutschlands um des- 
willen nicht verloren, weil es des erblichen Thrones 
verlustig gegangen ist. Das gilt auch von den D. 
und zwar um so mehr, als sie entweder, wie Nassau, 
wieder regierendes Haus sind oder als Neben- 
linien einem solchen im weiteren Sinne angehö- 
ren. Die D. bleiben also den regierenden Häusern 
Deutschlands ebenbürtig. Das Ausland kennt 
meist ein besonderes Ebenbürtigkeitsrecht über- 
haupt nicht. Wo es vorhanden ist (Oesterreich, 
Rußland), würde die Frage ebenso wie in Deutsch- 
land zu entscheiden sein. 
b) Titel und Rang. Nach völkerrecht- 
lichen Grundsätzen behält der entthronte Herrscher 
persönlich Titel und Rang, ebenso seine Familien- 
angehörigen. Nach dem Tode des entthronten 
Herrschers darf aber sein Nachfolger nicht einen 
Titel annehmen, der einen fortdauernden An- 
spruch auf die Herrschaft bedeutet. Als solche 
Titel gelten die eines Königs, Großherzogs oder 
Kurfürsten, nicht aber eines Herzogs oder Fürsten. 
Das Haupt des ehemals hannoverschen Kö- 
nigshauses, Ernst August, hat nach dem Tode König 
Georgs V. nach einem Schreiben an die Mächte 
und Höfe v. 11. 7. 78 trotz Aufrechterhaltung 
seiner Ansprüche seinen englischen Peerstitel 
Herzog von Cumberland angenommen. Im übri- 
gen führen er und seine Familienangehörigen den 
Titel von Kgl Prinzen und Prinzessinnen von 
Großbritannien und Irland, Herzögen und Her- 
zoginnen von Braunschweig und Lüneburg mit 
dem Pröädikate Kgl Hoheit, aber nicht den Titel 
hannöverscher Prinzen und Prinzessinnen. 
Die Häupter der hessischen Linien heißen 
„Landgrafen“, die Nachgeborenen „Prinzen und 
Prinzessinnen“ von Hessen mit dem Prädikate 
Kagl Hoheit für das Haupt der ältesten Linie, 
Hoheit für die übrigen. 
Der Großherzog von Luxemburg hat neben 
diesem seinem Titel den Hausnamen eines Her- 
zogs zu Nassau beibehalten, ebenso heißen seine 
Töchter Prinzessinnen von Luxemburg und von 
Nassau. 
Die Häupter der beiden schleswig-holstein- 
schen Linien führen den Herzogstitel mit dem 
Prädikate Hoheit, die Nachgeborenen den Titel 
von Prinzen und Prinzessinnen mit dem Prädikate 
Durchlaucht in der Augustenburger, Hoheit in 
der Glücksburger Linie. 
c) Autonomie. [[U Die Familienautonomie 
der D., früher nur unvollkommen geschützt, hat 
jetzt in vollem Umfange Anerkennung gefunden 
durch a 57 EG z. BGB. Danach finden die Vor- 
schriften des BGB wie auf die Landesherren, 
die Mitglieder der landesherrlichen Familien und 
des fürstlichen Hauses Hohenzollern, so auch auf 
die Mitglieder des vormaligen hannoverschen, 
kurhessischen und nassauischen Fürstenhauses nur 
insoweit Anwendung, als nicht besondere Vor- 
schriften der Hausverfassungen oder der Landes- 
gesette abweichende Bestimmungen enthalten. 
Das R v. 25. 3. 04 (Rö#l 149) hat diese wie 
alle anderen reichsgesetzlichen Sonderrechte der 
D. auch auf das herzoglich Holsteinsche Fürsten- 
haus ausgedehnt. Die D. haben hiernach die 
 
	        
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