Diensteid
bestimmte Beamte, z. B. richterliche Beamte und
Kreisärzte, sind besondere Eidesformeln vorge-
schrieben.
In dem allgemeinen D., den in Württem-
berg nach # 45 der Vl sämtliche Staatsdiener
zu leisten haben, schwören die Beamten, daß sie
sowohl auf der ihnen übertragenen als auf einer
etwa später von ihnen anzutretenden Stelle dem
Könige treu und gehorsam sein, die Verfassung
und Gesetze unverbrüchlich beobachten und alle
ihnen vermöge ihres Amtes obliegenden Pflichten
nach bestem Wissen und Gewissen genau erfüllen
wollen (Kgl V v. 27. 10. 7882). Aehnlichen Wort-
laut hat der in der Sächsischen Vov. 20. 2.79
(GBl 53) vorgeschriebene D., den nach § 7 des
Sächs. Gv. 7 3. 35 (GBl 132) jeder Staatsdiener
bei seinem ersten Eintritt in den Staatsdienst zu
leisten hat.
In Baden ist nach a 1 des G v. 7. 6. 48
(Regl 167) der für alle Staatsbürger vorgeschrie-
bene Verfassungseid von den „öffentlichen Die-
nern“ zugleich mit dem allgemeinen D. zu leisten,
der nach a 2 folgenden Wortlaut hat: „Ich schwöre
Treue dem Großherzog und der Verfassung, Ge-
horsam dem Gesetze, des Fürsten wie des Vater-
landes Wohl nach Kräften zu befördern und über-
haupt alle Pflichten des mir übertragenen Amtes
gewissenhaft zu erfüllen“"“. Mit Bezug auf die
durch § 8 Abs 2 des Bad. B vorgeschriebene
eidliche Verpflichtung der Beamten ist dann durch
&s 14 der Landesherrl. V v. 7. 2. 90 (GVhl 97)
jene im Gv. 7. 6. 48 normierte Form des D. auch
fernerhin für maßgebend erklärt worden.
III. Die Abnahme des D. ist keine gerichtliche
Handlung;: sie wird vielmehr seitens der zuständi-
gen Behörde ohne Zuziehung einer Gerichtsperson
ausgeführt. Das bei der Abnahme zu beobachtende
Verfahren ist verschieden geregelt. Nach den preu-
ßischen Bestimmungen muß die Eidesformel den
Beamten vor der Eidesleistung zum Durchlesen
zugestellt oder vorgelesen werden. Der Eid ist
von dem Schwörenden vollständig auszusprechen;
das über die Handlung aufzunehmende Pro-
tokoll muß den Eid entweder wörtlich enthalten,
oder es wird die Eidesformel in einer Anlage be-
sonders niedergeschrieben und von dem Schwören-
den vollzogen.
# 3. Zweck und Bedeutung des Tiensteides.
Die Ableistung des allgemeinen D. ist kein für die
Begründung des Beamtenverhältnisses we-
sentlicher Akt. Wird daher ein noch nicht vereidig-
ter Beamter zur Erledigung amtlicher Geschäfte
verwendet, so ist dies zwar ordnungswidrig, aber
ohne Einfluß auf die Gültigkeit seiner Amtshand-
lungen (Bayer. BG a 23 Abs 3, Bad. BG 88
Abs 4). Bestritten ist, ob dieser Grundsatz auch
in betreff der Richter Platz greift. Nach ge-
meinem sowohl wie nach dem früheren preußischen
Recht waren nämlich die Amtshandlungen eines
nicht beeideten Richters nichtig. Da indessen
den Reichsjustizgesetzen, nach denen jetzt allein
die Nichtigkeitsgründe zu beurteilen sind, ein solcher
Nichtigkeitsgrund fremd ist, so ist jetzt auch bei den
Richtern die Ableistung des allgemeinen D. nicht
mehr als Voraussetzung für die Gültigkeit ihrer
Amtshandlungen anzusehen, es sei denn, daß, wie,
z. B. in Württemberg, das Gegenteil ausdrücklich
gesetzlich vorgeschrieben ist (a 17 des Württemb.
AmGv. 24. 1. 79 zum G.: „der Richter muß vor
dem Amtsantritt eidlich verpflichtet werden“).
Dagegen ist allgemein von dem fraglichen Grund-
satze dann eine Ausnahme anzuerkennen, wenn
für die Uebernahme gewisser Aemter, namentlich
mit Rücksicht auf die Art der mit dem betreffenden
Amte verbundenen Geschäfte, ein besonderer
D. durch Gesetz vorgeschrieben ist, wie dies z. B.
bei den Aemtern der Schöffen und Geschworenen
oder bei dem Amtseide der bayerischen und sächsfi-
schen Richter (s. oben § 1) der Fall ist. Diesen Aus-
nahmefall berücksichtigt auch a 23 Abs 3 des bayer.
B, indem er die unterlassene eidliche Verpflich-
tung nur insoweit als ohne Einfluß auf die Gültig-
keit der Amtshandlungen des Beamten erklärt,
als „nicht durch besondere Gesetze für die Ueber-
nahme gewisser Aemter die Ableistung eines D.
ausdrücklich vorgeschrieben ist".
Die Ableistung des allgemeinen D. begründet
ferner auch keinerlei neue rechtliche Pflichten, son-
dern ist nur eine moralische Verstärkung der bereits
mit der Anstellung übernommenen Pflichten. Aus-
drücklich anerkannt ist dies in der preuß KabO v.
11. 8. 32 (GS 204), die den Grundsatz ausstellt,
daß „jeder öffentliche Beamte mit der Uebernahme
des ihm anvertrauten Amtes dessen Pflichten in
ihrer ganzen Ausdehnung zugleich mit übernehme
und daß die Ableistung des Amtseides nur ein
religiöser Antrieb zu erhöhter pflichtmäßiger Auf-
merksamkeit und zu gewissenhafter Erfüllung seiner
Obliegenheiten für ihn sein solle.“ Daher ist auch
die Verantwortlichkeit eines noch nicht vereidigten
Beamten für Pflichtverletzungen dieselbe, wie
wenn er bereits den D. abgeleistet hätte (bayer.
BG a 23 Abs. 3, bad. B# +5 8 Abs 4). In Be-
zichung auf die strafrechtliche Verant-=
wortlichkeit ist dies ausdrücklich anerkannt im
*359 Stnh, der unter Beamten im Sinne des
Strafgesetzes alle Personen versteht, ohne
Unterschied, ob sie einen TDienst-
eid geleistet haben oder nicht.
Die Ableistung des D. ist eine Amtspflicht, die
Weigerung, den Eid zu leisten, eine Verletzung der
Amtspflicht und somit ein Dienstvergehen, das
die Entfernung vom Amte im Wege des Diszipli-
narversahrens zur Folge haben kann.
Bemerkenswert ist, daß nach Reichsrecht und
preußischem Recht bei Festsetzung des Ruhegehalts
die Dienstzeit vom Tage der ersten cidlichen Ver-
pflichtung für den Reichs= oder Staatsdienst an
gerechnet wird. Kann jedoch ein Beamter nach-
weisen, daß seine Vereidigung erst nach seinem
Eintritte in den Reichs= oder Staatsdienst statt-
gefunden hat, so wird die Tienstzeit von dem letz-
teren Zeitpunkte an gerechnet (RB 45, preuß.
Pens. G v. 27. 3. 72 8 13).
·"e ·e.
Duellen: Siebe bei Artikel „Beamte“.
Liüteratur: H. Schulze. Das Preußische Staats-
recht? 1, 312; Rönne -Zorn 1, S 435, 436; von
Stengel, Das Staatsrecht des Königreichs Preußen
(1894) S 142, 143: Bornhak2, 31—36; Laband
1, S 425, 426;: Mever-Auschütz 511; v. Seydel St R
2, S 213, 214: H. Müller, Die Preußische Justizverwal-
tung" 1, 406—413; Leoni, Das öffentliche Recht des
Reichslandes Elsaß-Lothringen (1892) 1, 135; Göz, Das
Staatsrecht des Königreichs Württemberg 147; Eckert,
Das badische Beamtenrecht (1897) 43—45; Bornhak,
Staats= und VerwRecht des Großherzogtums Baden (1908)
85; Küchler, Das Verfassungs= und VerwäRecht des
367