Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
rigleit“ und nicht an sich auf dem Kammergut im Ur- 
sprung. Dabei bildete sich ferner die Uebung, daß 
beim Ungenügen der eigenen Einkünfte des Fürsten 
Umlagen durchgesetzt wurden; die Subsidia- 
rität der Besteuerung, soweit nicht 
Ausnahmen eingriffen, herrschte dabei als ein 
anerkannter Grundsatz. Auf diesem Wege ge- 
langte man, nur den Ausdruck des Ergebnisses 
umkehrend, zu dem Satz, daß der Kammer- 
gutsertrag den nötigen Landes- 
aufwand in erster Linie zu decken 
hat. Es wäre aber Rabulistik, diesen Satz auf 
den Aufwand des Staats im heutigen Sinne 
übertragen zu wollen, zumal bald für Reichs= und 
Kreissteuern, Wehr= und andere Ausgaben ein 
Subkollektationsrecht sich ausbildete. Auch war 
anerkannt, daß am Ertrag die fürstliche Bedarfs- 
summe für Familie und Hof vorwegzunehmen 
sei. Naturgemäß erweckte aber, wo Landstände 
vorhanden, die Abgrenzung in praktischen Sum- 
men vielen Streit, zumal die Repräsentativkörper 
noch vom Grundsatz der Sparsamkeit beherrscht 
waren; auf das Kammergut selbst maßten sich die 
Landschaften kein Recht an, nur verschafften sie 
zufolge jener finanziellen Verquickung sich gegen 
mutwillige Veräußerung oder Verschuldung Ga- 
rantien. In Territorien ohne Landstände blieb 
die Abgrenzung dem billigen fürstlichen Ermessen 
überlassen, doch stand gegen übermäßige Be- 
steuerung der Rechtsweg an die Reichsgerichte 
offen. Je mehr der Wohlfahrtszweck sich neben 
den alten Staatszweck der Sicherheit allein stellte, 
um so mehr verschob sich die Proportion zwischen 
den öffentlichen Leistungen einerseits der Kam- 
mer--, anderseits der Landes-, Kriegs= und Steuer- 
kassen, zufolge des wachsenden Aufwands. 
Erscheint hiernach das alte Kammergut als 
Patrimonialeigentum des fürstlichen Hauses, je- 
doch mit einer öffentlich-rechtlichen Beziehung und 
Belastung, so ist es wesentlich, deren Dauer zu 
prüfen. Die Antwort liegt in richtiger Erfassung 
der sog. Pertinenzqualität. Das Streben 
nach Macht und Flor führte zur fideikommis- 
sarischen Zusammenhaltung der 
Güter in der Familie, zu den Primo- 
geniturordnungen und damit zur gleichheit- 
lichen Erbfolge in Hoheitsrechte 
und Grundbesitz. Wohhl finden sich manche 
Beispiele der Trennung, so z. B. die Bildung von 
Paragialherrschaften zur Ausstattung Nachgebo- 
rener mit Stammgut unter der Hoheit der Crst- 
geborenen [Apanagens: aber als Entwicke- 
lungstendenz, nicht als Rechtszwang, soweit nicht 
Abkünfte mit den Landständen eingriffen, ist das 
Vereinthalten von Regiment und Kammergut in 
einer Hand durch die Hausauton omie selbst 
ein oberster Leitsatz. Nur darf man nicht, wie dies 
streitende Schriftsteller des vorigen Jahrhunderts 
versuchten, daraus ein „landesherrliches Ei- 
gentum" an den D. ableiten wollen. Keines- 
wegs ein unlöslicher Zusammen- 
hang zwischen Kammergut und 
Land liegt in jenem Prinzip, sondern das Bin- 
deglied ist die bestimmte einzelne 
Dynastie, welche Hoheit und Güter zusam- 
men besaß. Verliert sie die Hoheit, so doch recht- 
lich nicht die Güter; vielmehr wird sie von den 
Lasten, welche sie wegen der verlorenen Hoheit 
hatte, befreit. Dies ist bei den Mediatisierungen, 
  
  
Domänen 
namentlich 1806 ausdrücklich, sowie auch virtuell 
durch die Entschädigung der 1866 depossedierten 
Häuser staatlich betätigt worden. Schwierigkeiten 
bereiteten die Napolconischen Zwischenherr- 
schaften, wo sie D. der vertriebenen Dyna- 
stien veräußerten; denn den Zurückgekehrten lag 
der Gedanke an ein jus post liminii nah, welches 
jedoch die Staatsrechtslehrer meist verwarfen. 
Die praktische Lösung war verschieden und der 
Gegenstand erzeugte eine Spezialliteratur. Im 
Pariser Frieden (1814 a 27) wurde zu Gunsten 
französischer Käufer im linksrheinischen Deutsch- 
land zwischen lukrativer und oneröser Vergabung 
unterschieden, so daß der entgeltliche Empfänger 
nicht benachteiligt wurde. Anderseits sah man 
allgemein als Mindestrecht der restaurierten Re- 
genten ihre Schadloshaltung durch den Staat an. 
Nur die D. bezüglich der 22 verbliebenen deut- 
schen Monarchien haben für uns noch eine 
staatsrechtliche Sonderbedeutung, welche die 88 
3—8 erörtern werden; wohl nennt man auch 
heute noch stan desherrliche Hausgu- 
ter D., aber sie sind wesentlich Objekte des 
Privatrechts, wie anderer Grundbesitz auch, ge- 
worden, nachdem die Mediathoheitsrechte mei 
allmählich entficlen und zuvor schon jene Befrei- 
ung ausgesprochen war. [UDepossedierte, 
Mediatisierte.] 
Auf das neue Reich den Begriff zu über- 
tragen, ergab sich kein Anlaß; denn das kaiserliche 
Haus besitzt in dieser Eigenschaft weder Güter, 
noch Bezüge, auch beruht das Eigentum des Reichs 
im allgemeinen auf Privatrechtstiteln, nur für 
die zum dienstlichen Gebrauch einer Reichs Verw 
bestimmten Gegenstände wird in einem Spezial G 
v. 25. 5. 73 öffentliches Recht geschaffen, jedoch 
nach Richtungen hin, welche zum D. Recht keine 
Beziehung haben. Die Elsaß-Lothringi- 
schen D. (Forsten) haben den Charakter von 
Staats D. reinster Art an sich, bedürfen aber eben 
darum keiner Bezeichnung, weil sie sich in Nichts 
vom sonstigen Staatsgut unterscheiden; denn sie 
sind lediglich nutzbare Stücke im Finanzvermögen 
des Reichslands, ohne irgend eine Last nach der 
Seite von Reich, Kaiser und Verbündeten, viel- 
mehr ganz in Eigentum und Genuß des Landes- 
fiskus. In Bezug auf das dortige Verw Vermögen 
(aeuch solches zählt anderwärts manchmal zum Teil 
zu den D.) ist als Besonderheit hervorzuheben, 
daß in der Napoleonischen Zeit die Amtsgebäude 
zu Gemeinde-Eigentum gemacht wurden, mit 
kommunaler Unterhaltungslast und der Pflicht, 
dem Staat den Genuß zu lassen — ein in vieler 
Beziehung noch fortbestehendes Verhältnis. Von 
dieser Domaine del’état wurden als Domaine public 
die dem Gemeingebrauch dienenden Sachen un- 
terschieden, was hier nicht weiter interessiert (1 
öffentliche Sachen!j. 
Die Entwicklung des Domänen- 
rechts in den Partikularstaaten 
seit Anfang des 19. Jahrhunderts 
war eine gleichartige in einer Hinsicht. Abgesehen 
von Mecklenburg, wo eine stärkere Erhaltung des 
Bestehenden stattfand, erwuchsen die Länder zu 
Staaten im modernen Sinn und damit ergaben 
sich Folgerungen, die auf Umwandlung drängten. 
Die Auflösung des alten Reichs ist die Geburts- 
stunde, in welcher die eigene Rechtspersönlichkeit 
  
der Staaten liegt, wenn schon vorbereitende Sta-
	        
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