Ablöfung der Reallasten (Baden — Hessen) 49
stellenden Antrag hin die Umwandlung seines
lehenrechtlichen Besitzes in freies Eigentum her-
beiführen konnte. Teils wegen der Höhe dieser
Taxen, teils wegen der rechtlichen Schwierigkeiten
bei Beschaffung der agnatischen Zustimmung
machte aber die Lehens A. wenig Fortschritte.
Seitdem aber durch das G v. 9. 8. 62 beide Teile
zur Antragstellung ermächtigt, die agnatische Zu-
stimmung als nicht erforderlich erklärt und mäßige
Entschädigungsbeträge festgesetzt worden sind, ist
die A. der adligen Lehen vollständig durchgeführt
worden.
2. Die bäuerlichen Erblehen. Nach
G v. 21. 4. 49 sind beide Teile, sowohl der Erb-
lehensherr als der Belehnte, zur Stellung des
Antrags auf A. ermächtigt; für die Umwandlung
des Erblehens in freies Eigentum ist eine Summe
zu entrichten, die durch Kapitalisierung der perio-
dischen Leistungen berechnet wird; je nachdem der
Erblehnsherr oder der Lehensbauer den Antrag
stellt, ist das 16- oder 18fache des jährlichen Erb-
lehnzinses (Kanon) und außerdem für die Aufhe-
bung des Heimfallrechts je nach Ausdehnung der
Lehensfolge 1 bis 11% des Gutswerts als Ent-
schädigung zu entrichten. Die A. des Erblehens
ist zum größten Teil durchgeführt. Nicht davon
betroffen sind die obenerwähnten Fischerei-Erb-
lehen.
3. Die Schupflehen oder Todbe-
stände unterscheiden sich vom bäuerlichen Erb-
lehen insbesondere dadurch, daß sie keine ver-
erblichen Rechte sind; es wird dadurch für den
Besitzer ein dem Nießbrauch ähnliches dingliches
Recht auf Besitz und vollen Genuß der Liegen-
schaft für Lebenszeit, zuweilen auch noch
für die Lebensdauer der Witwe und eines Kindes
begründet, wogegen der Besitzer dem Eigentümer
einen periodischen Lehenszins, zuweilen auch
einen einmaligen Preis zu entrichten hat. Eine
Umwandlung der Schupflehen in Eigentum des
Belehnten ist dafür in der Regel ausgeschlossen;
ausnahmsweise ist sie aber nach dem G v. 21. 4. 49
auf Antrag des einen oder anderen Teils zu-
lässig, wenn das Schupflehengut wiederholt
andie Witwe oder andere Verwandte des letzten
Besitzers wieder verliehen und infolgedessen nach
dem G v. 15. 11. 33 eine Pflicht des Eigentümers
zur Wiederverleihung an die Abkömmlinge, die
Witwe oder die Geschwister des letzten Lehns-
besitzers begründet ist. Nunmehr ist die große
Mehrzahl der früher häufig vorkommenden Schupf-
lehen abgelöst.
DQuellen: Die wichtigsten der im Texte erwähnten
Gesetze sind in dem HB für badische Juristen (1856 S. 476 ff.)
abgedruckt.
Oiteratur: Bogelmann, Die Zehntablösung
im Großherzogtum Baden, ihr Fortgang und ihre Folgen,
1838; Gesetz über die Ablösung der Erb- u. Schupflehen mit
Erläuterungen von Fr. Ullersberger, 1851; A. Bu-
chen berger, Das Berwmsecht der Landwirtschaft
und die pflege der Landwirtschaft in Baden, 1887; A.
Buchenberger, Die Bauernbefreiung in Baden im
2. Band des HWStaatz W, 1896; E. Gothein, Wirt-
ichaftsgeschichte des Schwarzwalds und der angrenzenden
Landschaften, 2. Bd., 1892; Th. Ludwig, Der bad.
Baner im 18. Jahrhundert, 1896; A. Kopp, Zehntwesen
und Zehntablösung in Boden, 1899; O. Möricke, Die
Agrarpolitk des Markgrafen Korl Friedrich v. B., 1005;
E. Dorner und A. Seng, Badisches Landesprivatrecht,
1906 S. 532 ff, 555 ff, 582 ff. Schenkel (Lewald).
VI. HFessen
1. Der Ablösung unterliegende Lasten. # 2. Voraus-
setzungen der Ablösung. ## 3. Ablösungssumme. 4 4.
Beschaffung der Ablösungsmittel. #3 5. Ablösungsverfahren.
Die Bestimmungen über die Umwandlung und
A. der Reallasten und Dienstbarkeiten waren im
Großherzogtum Hessen bis zum G v. 24. 7. 99 in
zahlreichen Einzelgesetzen zerstreut [UAgrar-
gesetzgebung in Hessenqzj. Es be-
standen noch — teilweise allerdings im wesentli-
chen nur noch formell — 21 Gesetze und Verord-
nungen aus den Jahren 1811 bis 1852 (vgl. auch
aà 22 des G v. 24. 7. 99). Alle diese älteren Vor-
schriften sind durch das Gv. 24. 7. 99, die Um-
wandlung und A. von Reallasten und Dienstbar-
keiten betreff. (Reg Bl 1899, 379, Ausführungs B
v. 25. 8. 1900 ([Reg Bl 1900, 4951) aufgehoben
worden.
5 1. Die der Ablösung unterliegenden Lasten.
Das geltende Recht bestimmt (a 1), daß auf Ver-
langen des Pflichtigen oder des Berechtigten ab-
zulösen sind: 1. die Zehntberechtigun-
gen (d. h. die fiskalischen Zehnten G v. 15. 8.
18161, die? Pfarrei= und Stiftungszehnten Gv.
24. 1. 18181, die Privatzehnten (G v. 13. 3. 18241,
die Holzzehnten (G v. 20. 6. 39, die Berg= und
Salzzehnten), die Teilabgabenvon Wein-
bergen (sogen. Drittelwingerte in Rheinhes-
sen, G v. 9. 8. 36), sowie alle Geld= und
Naturalgrundrenten (ausgenommen sind
nur die unter Nr. 5 angeführten Gefälle, val.
Gv. 27. 6. 36, G v. 25. 1. 41 und G v. 2. 2. 41);
2. die Weideberechtigungen! Agrar-
gesetzgebungl; 3. die Fronden, ein-
schließlich der Gemeinde= und Amtsfronden;
4. die auf Grundstücken haftenden
Reallasten und die Lasten, welche auf
Grundrenten haften oder wegen A.
der mit ihnen belastet gewesenen Grundrenten
auf andere Gegenstände übertragen worden sind,
sofern die Reallasten oder Lasten zum Gegenstande
haben: a) die Besoldung von Kirchen- und Schul-
dienern, einschlicßlich der Naturalabgaben, b) die
Anschaffung und Unterhaltung von Bedürfnissen
für den Kirchen- und Schuldienst, c) die Erbauung
und Unterhaltung von Kirchen, Kapellen, Pfarr-,
Glöckner= und Schulhäusern, d) die Anlegung und
Unterhaltung von Friedhöfen, e) die Anschaffung
und Unterhaltung von Faselvieh; 5. alle Ab-
gaben, die auf Grund eines Erbpacht-
verhältnisses, einer Erbleihe, Land-
siedelleihe oder einer anderen erblichen Leihe
geschuldet werden, sofern nicht a) außer dem Be-
sitzer oder zusammen beliehenen Eheleuten we-
niger als zwei Nachfolgeberechtigte vorhanden sind,
oder b) das Leiheverhältnis auf eine bestimmte
Anzahl von Generationen beschränkt ist. 6. Durch
Gv. 4. 1. 05 (Reg Bl 1905, 11) sind auch die
Streuberechtigungen, mit denen ein
Waldgrundstück belastet ist, nach Maßgabe des G
v. 24. 7. 99 für ablösbar erklärt worden.
# 2. BVoranssetzungen der Ablösung. Der Be-
rechtigte muß die A. eines Rechtes auf Verlangen
v. Stengel- Fleischmann, Wörterbuch 2. Aufl. I. 4