Durchsuchung (prozessual)
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herauszugebenden Sache die vom Schuldner be-
nützte Wohnung (im weitesten Sinn, auch Scheu-
ne, Stall usw.) sowie die in seinem Gewahrsam
befindlichen Behältnisse (dazu auch die Kleider
an seinem Leibe), nicht aber seinen Körper durch-
suchen, u. U. mit Gewalt, wozu auch polizeiliche
und militärische Hilfe angerufen werden kann. Bei
Widerstand oder Abwesenheit des Schuldners und
seines Vertreters aus der Wohnung muß er Zeu-
gen zuziehen. Zur Nachtzeit ist diese D. nur aus-
nahmsweise zulässig. Ein Protokoll ist aufzu-
nehmen (3P 55 758—762). #
3. Durchsuchung im Strafprozeß (perqui-
sitio, früher zu eng „Haussuchung" genannt).
I. Allgemeines: Sobald die D. als Siche-
rungsmittel zur Durchführung eines Strafan-
spruchs nach Entstehung eines Verdachts in Frage
kommt, wird sie ausschließlich von den Straf-
prozeßgesetzen geregelt. Nur wo rein polizeiliche
Zwecke (Verhütung von Gefahren) vorliegen, sind
andere Gesetzesbestimmungen maßgebend, z. B.
Seuchen G &§ 7, 15 ¼4, 20, 24, Viehseuchen G
1909 55 7, 11, Margarine G 1897 5 8, Wein G 1909
g 22. Zu Preuß. G v. 12. 2. 50 f. RGSt 1, 331.
Bedenklich RG #t 39, 192. Die in sehr vielen
Gesetzen enthaltenen Strafbestimmungen ermög-
lichen die D. nach St P, sobald der Verdacht
einer Straftat vorliegt.
II. Maßgebende Gesetze. StPO ###
102—110 sowie die von ihr ausdrücklich zugelasse-
nen Sondergesetze des Reichs und der Einzel-
staaten, EG# S§s 3—6: die Verfahrensgesetze für
Sondergerichte, MStGO §5 235—239, in Forst-
und Feldrügesachen, für Austrägalsachen, für
Landesherren, ihre Familien und die ihnen gleich-
behandelten Familien, Finanzstrafverfahrensge-
setze u. a. m. — Der E § 81, 82, 98—104, 106
hat die Grundsätze des heutigen Rechts klarer und
weiter ausgebaut.
III. Betroffene Personen sind alle
der deutschen Strafgerichtsbarkeit unterworfenen,
trotz Befreiung von der Editionspflicht. Also sind
ausgenommen die Exterritorialen, GVG 8& 18, 19,
nicht ohne weiteres die Konsuln, wohl aber die
Konsulatsarchive (J Beschlagnahme Exterritoriali-
tät! Gegenüber Landesherren, ihren Familien so-
wie den ihnen nach EG# St PO#st gleichgestellten
fünf Familien und den Standesherren gelten die
Sondervorschriften der Haus= und Landesgesetze
vor der St PO. — Gegen Reichstagsmitglieder als
Verdächtige ist während der Sitzungsperiode eine
Untersuchung und damit auch eine D. nur zulässig
mit Genehmigung des Reichstags oder bei Er-
greifen in flagranti gemäß RV a 31. Die Zeit
einer Vertagung zählt zur Sitzungsperiode (La-
band 1 4 37. — RöSt 22, 379; 24, 205). Aehn-
liches gilt für die Mitglieder der einzelstaatlichen
Landtage JAbgeordnete S. 18), allerdings nur
innerhalb ihres Einzelstaats und zum Teil viel
beschränkter (Meyer-Anschütz & 105 S 339 ff; Ga-
reis, ZStrW 7, 632; Weismann, ebenda 9, 379).
— Ueberall sind die in der vorliegenden Straf-
sache Verdächtigen und die Unverdächtigen zu
trennen; bei den zweiten sind der D. engere
Schranken gezogen; jenen werden die unter Po-
lizeiaufsicht Stehenden gleich geachtet (E §& 98 II,
erdings nicht bei der körperlichen Untersuchung,
ebenda &s 81, 821.
IV. Objekte der D. sind Personen und
Sachen aller Art. a) D. der Person, d. h.
des Körpers (nicht der Kleider am Leibe) umfaßt
auch die eingehende, meist sachverständige Unter-
suchung des körperlichen Zustandes, auch seines
Innern, wobei Durchleuchten mit Röntgenstrah-
len sicher, dagegen Brechmittel nur nach einer
sehr anfechtbaren Ansicht zulässig sind. [E trennt
diese Untersuchung von der D. und stellt sie mit
Recht unter strengere Regeln, § 81, 821. — Nach
St PO 102, MSt GGO 235 sind nur die Körper
der in dieser Strafsache Verdächtigen (Teilnch-
mer, Hehler, Begünstiger) der D. unterworfen.
Diese praktisch sicher bedenkliche Beschränkung hat
die Rechtsprechung beseitigt, indem sie den schlecht
gefaßten § 103 St PO auf die D. unverdächtiger
Personen ausdehnte (Ret 14, 189; 16, 218;
19, 364; 42, 440; ebenso viele Schriftsteller.
Dagegen bes. Beling, B8 StrW 15, 494; Rosen-
meyer, Ger S 63, 41). Die Folgen dieser Auf-
fassung sind bedenklich. M St#O 235 II schließt
sie deutlich aus (dagegen erlaubt E in §# 82 die
körperliche Untersuchung, in § 98 die äußere D.
unverdächtiger Personen, aber in besonders engen
Schranken) — #d) Sachen: Zu trennen sind die
Wohnung (der tatsächliche, dauernde, vom In-
haber beherrschte Mittelpunkt physischer Existenz,
z. B. die Mietswohnung, nicht das ganze Haus,
nicht das Zimmer des Dienstboten oder Schlaf-
burschen, nicht der zufällige Raum vorübergehen-
den Aufenthalts — sehr bestr.), andere Aufent-
haltsräume und alle sonstigen Sachen. Beim
Verdächtigen und Unverdächtigen ist eine D. aller
Obiekte zulässig, die ihm gehören, d. h. die er
tatsächlich beherrscht (E 97 „die er bei sich führt").
Die hierbei den Unverdächtigen schützenden engen
Bedingungen (unten VIb) gelten aber nicht für
Räume, in denen der Beschuldigte gefunden wird,
oder die er während der Verfolgung betreten hat,
oder in denen eine unter Polizciaufsicht stehende
Person wohnt oder sich aufhält. — Ueber Papiere
unten & 4.
V. Zweck der D. ist Ergreifung eines einer be-
stimmten Straftat Verdächtigen oder Auffinden von
sächlichen Beweismitteln aller Art (Fußspuren,
producta sceleris), die für eine begonnene Ver-
folgung von Bedeutung sind, auch von Ein-
ziehungsstücken (in St PO nicht erwähnt), nicht
aber von Zeugen. Auffinden von noch unbekann-
ten Verdachtsmomenten, ohne daß schon ein be-
stimmter Tatverdacht vorhanden, darf nie Zweck
der D. sein. Siehe auch unten VI, b.
VI. Voraussetzungen: a) ein tatsäch-
lich begründeter Verdacht einer bestimmten Straf-
tat (auch Uebertretung); das Maß des Verdachts
prüft der Beamte frei und gewissenhaft. Eine
soermelle Untersuchung braucht noch nicht einge-
leitet zu sein. D. im Disziplinarstrafverfahren
muß ausdrücklich gestattet sein, ReSt 10, 425
[[Disziplinl. — h) Bei Unverdächtigen —
soweit sie nicht freiwillig die D. zulassen —
kommt hinzu, daß nicht bloß irgend welche, sondern
bestimmt genannte Obiekte gesucht werden, sowie
daß bestimmt anzugebende tatsächliche Beweise
vorliegen, wonach das bestimmte Obiekt hier zu
finden ist (St pO 103, MStGO 236 II, E 82, 98).
VII. Organe. a) Die Anordnung trifft
grundsätzlich der z. Zt. mit der Untersuchung be-
traute Richter, St PO 105, E 101; nach MtGO
238 bei aktiven Militärs und ihnen gleichstehenden