Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
620 
Durchsuchung (prozessual) 
  
der Gerichtsherr, sonst auf Ersuchen der Amts- 
richter, § 239. Bei Gefahr im Verzug, also theo- 
retisch ausnahmsweise, praktisch in der Regel, 
kann die D. angeordnet werden durch die Staats- 
anwaltschaft sowie die landesgesetzlich ihr bei- 
geordneten Hilfsorgane, also nicht jeden Polizei- 
beamten, nach M StGO durch den Untersuchungs- 
führer. Entschuldbarer Irrtum über Gefahr im 
Verzug macht die D. nicht ungültig. D. von 
nachtoffenen Räumen (unten VIII a) kann jeder 
Polizeibeamte ohne weiteres anordnen (1! StO 
105 III, E 101 1I1).— [Körperliche Untersuchung 
darf nach E 81 nicht von den Hilfsorganen der 
Staatsanwaltschaft angeordnet werden; sicts 
kann der Richter angerufen und gegen dessen An- 
ordnung suspensiv wirkende Beschwerde einge- 
legt werden.)— b) Die Ausführung erfolgt 
durch jeden Beamten, der eine Legitimation vor- 
zeigen kann. [D. einer weiblichen Person und der 
Kleider an ihrem Leibe darf nach E 97 ohne ihre 
Einwilligung nur durch eine Frau, ihre körper- 
liche Untersuchung durch cine solche oder nur 
durch einen Arzt erfolgen, E 81.] In militärischen 
Dienstgebäuden, abgesehen von Räumen, in de- 
nen nur Zivilpersonen wohnen, erfolgt die D. 
durch die Militärbehörde, St PO § 105 1V. 
VIII. Die Art und Weise des Voll- 
zugs macht besondere Schwierigkeiten. Er muß 
schonend sein, REG St 14, 192. Vorherige Auf- 
forderung ist unnötig, aber dringend erwünscht. 
Gewalt ist zulässig, aber nur wenn sie nötig ist. 
Ueber ein Protokoll ist nichts bestimmt. 
a) Zeit. Zu der im Gesetz für Sommer= und 
Winterhalbjahr fest bestimmten Nachtzeit darf 
gegen den Willen des Inhabers eine Haussuchung 
in seinem gesamten befriedeten Besitztum nur 
bei Verfolgung auf frischer Tat, bei Gefahr im 
Verzug oder zum Zweck der Wiederergreifung 
eines entwichenen Gefangenen begonnen werden; 
ausgenommen sind die nachtoffenen Räume, 
d. s. die einer unter Polizeiaussicht stehenden Per- 
son, oder die bei Nacht jedermann zugänglich sind 
(Gasthof!), oder welche die Polizei als Herbergen 
oder Versammlungsorte bestrafter Personen oder 
als Stätten des Glückspiels oder gewerbsmäßiger 
Unzucht, oder als Niederlage von Sachen kennt, 
die durch strafbare Handlungen erlangt sind, end- 
lich nach MStGO 236 die zu dienstlichem Gebrauch 
angewiesenen Räume. 
b) Eine D. des befriedeten Besitztums, die nicht 
der Richter oder Staatsanwalt vornimmt, darf 
gegen den Willen des Inhabers tunlichst nur nach 
Zuzichung von Urkundspersonen vor- 
genommen werden; ausgenommen sind auch hier 
die nachtoffenen Räume (!), StPO 105, 
MSte#O 237, E 101. [(Bei der körperlichen Unter- 
suchung einer weiblichen Person kann nach E 81 
der Arzt eine weitere Medizinalperson oder eine 
Frau zuziehen und soll auf Verlangen der zu 
Untersuchenden oder ihres gesetzlichen Vertreters 
eine andere weibliche Person oder ein Angehöri- 
ger zugelassen werden; andere Personen dürfen 
nicht zugegen sein.] Der Inhaber der Objekte darf 
der D. stets beiwohnen; in seiner Abwesenheit 
soll tunlichst ein Vertreter für ihn zugezogen wer- 
den, St PO 106, MStöüO 237, E 102. [Zum 
E bestimmte die RJI#K. trotz Wiederspruchs der Re- 
gierung, daß D. in den Diensträumen einer ge- 
  
setzgebenden Versammlung nur mit Genehmigung 1 
  
des Vorsitzenden der Versammlung oder seines 
Vertreters und nur unter Zuziehung des mit der 
Beaussichtigung der Räume beauftragten Beam- 
ten zulässig sei.] 
c) Dem nichtverdächtigen Betroffenen oder 
seinem Vertreter ist der Zweck der D. vor ihrem 
Beginn mitzuteilen, außer bei nachtoffe- 
nen Räumen. Allen Betroffenen ist aber nach der 
D. deren Zweck auf Verlangen schriftlich mitzu- 
teilen, auch ein Verzeichnis der in Beschlag genom- 
menen Sachen oder wenn nichts beschlagnahmt 
wurde, eine Bescheinigung darüber zu erteilen. 
Jetzt muß auch dem verdächtigen Betroffenen 
oder seinem Vertreter der gegen ihn vorliegende 
Verdacht mitgeteilt werden. Auf körperliche Un- 
tersuchung ist diese Bestimmung sicher auch anzu- 
wenden (St PO 107, MSt#O 237, E 104). 
IX. Beschwerde ist gegen die Anordnung 
zulässig, aber meist zwecklos, da verspätet. — 
Eine unberechtigte D. kann als Hausfriedensbruch 
oder Mißbrauch der Amtsgewalt, StEB 5FT 123, 
339, 340, 342, 343, bestraft werden; Wider- 
stand gegen sie ist nicht nach StGB 113 strafbar 
§ 4. Durchsuchung der Papiere. Papiere, d. h. 
alle Arten Schriftstücke, nicht Drucksachen, darf 
ohne Einwilligung des Inhabers nur der Richter 
auf ihren Inhalt durchsehen. Dies gilt natürlich 
auch bei einer Festnahme. Andere Beamte haben 
die Papiere, deren Durchsicht nicht bewilligt wird, 
wenn äußerliche D. die Bedeutung ihres Inhalts 
wahrscheinlich macht, in Gegenwart des Inhabers 
oder seines Vertreters zu versiegeln und an den 
Richter abzuliefern; der Inhaber oder sein Ver- 
treter darf sein Siegel beidrücken. Ordnet der 
Richter die Durch sicht an, so soll tunlichst der In- 
haber oder der Vertreter aufgefordert werden, 
der Entsiegelung und Durchsicht beizuwohnen, 
E 103 ebenso wie St PO 110, Mt4GO 237 IV. 
Praktisch nimmt der Richter dabei regelmäßig 
9 irgend wichtig scheinenden Papiere in Be— 
ag. 
§5. Bestimmungen außerhalb der Straf- 
prozeßordnung. Besonders die Finanzeesetze 
erwähnen D.; diese wird regelmäßig nach St O 
vorgenommen, vgl. z. B. Brausteuer G 1909 35. 
Cbenso ist V.3G 1869 §& 126, 127 (Haussuchungen 
und körperliche Visitationen) nur insoweit noch 
selbständig maßgebend, als die D. auch durch Zoll- 
beamte stattfinden kann. — Für das Forst- und 
Feldrügeverfahren gilt heute fast durchweg die 
St PO (Vaillant, Das Forstrügeverfahren, 1908 
5 36). Ueber SeemannsO 5* 127 JBeschlag- 
nahme 55lIV. 
Literatur (Kommentarc, Lehrbücher sowic zum E 
1 Beschlagnahme): H. Seuffert im Wörter- 
bucht 1, 290; Spahn, Staatslexikon" III; Steng- 
lein, Gers 57, 1; 62, 258; Haupt-Sachregister zum 
Reichsgesetzblatt 1867—1906 s. v. Durchsuchung, Haus- 
suchung. Mittermaler. 
Durchsuchungsrecht 
(völkerrechtlich) 
ß 1. Rechtliche Grundlagen. 4 2. Partikularrechtliche Be. 
schränkungen. & 3. Das Turchsuchungsrecht im Kriege. 
5 4. Regeln der Ausübung. 5 5. Immunitäten; insbesondere
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.