Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
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Einkommensteuer (Elsaß-Lothringen) 
  
  
  
beibehalten, das dann 1884 — 1901 zugunsten 
eines Rechtsstands aufgegeben wurde, der sich an 
die reinen, namentlich süddeutschen, Ertrags- 
St Systeme anlehnt. Es besteht heute aus einer 
Grund St (G v. 6. 4. 92), einer Gebäude St (6 
v. 14. 7. 95), einer Gewerbe St (G v. 8. 6. 96), 
einer Kapital St (G v. 13. 7. 01) und einer Lohn- 
und Besoldungs St (G v. 13. 7. 01). Neuerdings 
ist auch in Elsaß-Lothringen geplant, nach dem 
Vorbild der übrigen, deutschen Staaten zum ge- 
mischten St System überzugehen, das aus einer 
allgemeinen E. und einer Mehrzahl von Ertrags St 
zusammengesetzt ist. Eine Denkschrift hat im Jahre 
1910 diese gesetzgeberische Aktion bereits einge- 
leitet. 
Die Steuersubjekte fsind nur physische 
Personen, und zwar die Landes= und Reichs- 
angehörigen, die in Elsaß-Lothringen Wohnsitz oder 
Aufenthalt haben, die Reichsausländer, die sich 
hier des Erwerbs wegen oder seit länger als ein 
Jahr ununterbrochen oder seit 3 Jahren mit 
Unterbrechungen aufhalten, und endlich Personen, 
die aus der reichsländischen Landeskasse Besoldung, 
Pension oder Wartegeld beziehen, gleichviel ob sie 
sich in Elsaß-Lothringen oder anderwärts aufhalten. 
Die Steuerobjekte sind die Einkünfte 
aus einem öffentlichen oder privaten Dienstver- 
hältnis, aus einem wissenschaftlichen oder künst- 
lerischen Berufe, aus schriststellerischer, unter- 
richtender, erzieherischer oder sonstiger gewinn- 
bringender Beschäftigung, ferner alle Erträge aus 
Rechten auf periodische Hebungen und Vorteile, 
soweit diese Bezüge nicht bereits durch eine der 
andern, bestehenden Ertrags St getroffen werden, 
oder vorübergehender oder nebensächlicher Natur 
sind. Vom Jahresbetrag können die zur Erwer- 
bung des Eink notwendigen Auslagen in Abzug 
gebracht werden. Feststehende Einnahmen werden 
nach dem Jahresertrag, unständige Bezüge nach 
einem 3jährigen Durchschnitte angesetzt oder, wenn 
sie noch nicht so lange bestehen, unter Zugrund- 
legung eines kürzeren Zeitraums nach dem mut- 
maßlichen Jahresbezug. 
2. Steuerbefreiungen. Steuerfrei 
bleiben Einkünfte aus Lohn und Besoldung bis 
zum Jahresbetrag von 700 Mk., wenn diese 
Summe, einschließlich der aus andern Quellen 
fließenden Erträge, nicht überschritten wird, die 
im Hause des Dienstherrn wohnenden und ver- 
köstigten Dienstboten, die Krankengelder, Unfall-, 
Invaliden= und Altersrenten nach Reichs= und 
Landesrecht, Kranken-, Armennnterstützungen, Er- 
ziehungsbeihilsen und Unterstützungen zu Unter- 
richts-, wissenschaftlichen, künstlerischen und indu- 
striellen Zwecken, Gnadenbezüge, Pensionserhöh- 
ungen, Verstümmelungszulagen der Kriegsinvali- 
den, das Militär Eink der Unteroffiziere und Ge- 
meinen und im Kriegs= und Mobilmachungsfall 
das Militärdienst Eink überhaupt, die Besoldungen, 
Ruhe= und Versorgungsgenüsse, die aus der Kasse 
eines andern Bundesstaats bezahlt werden, die 
Besoldungen der Landesbeamten mit auswär- 
tigem Dienstsitz, sofern ihr Dienst Eink dort be- 
steuert wird. 
3. Steuertarif. Die St wird nach einem 
Klassentarif angelegt. Für jede St Stufe wird ein 
Mittelbetrag des Ertrags pgebildet, 
der aus dem arithmetischen Mittel der niedrigsten 
  
berechnet wird; z. B. Eink von 1300—1600 Mk. 
= 1450 Mk. Von diesen Mittelbeträgen gilt dann 
ein bestimmter Prozentsatz als St Objekt. Diese 
Prozentsätze sind wachsende. Sie beginnen bei 
einem Mittelbetrag von 250 Mk. mit 25 Mk. 
oder 10½, steigen bei einem solchen von 1450 Mk. 
auf 362,50 Mk. oder 2500, bei einem solchen von 
4500 Mk. auf 2250 Mk. oder 5000, bei einem sol- 
chen von 9000 Mk. auf 7200 Mk. oder 8000 und 
erreichen bei 22500 Mk. und allen höheren Mittel- 
beträgen 1000 oder deren volle Höhe. Auf diese 
Größen der Prozentualmittelsätze wird dann ein 
gleichmäßiger St Satz von 1,900, angewendet. 
Durch diese eigentümliche Hundertteilung der 
Mittelsätze werden in der Wirkung degressive 
St Sätze erzielt. Ein St Pflichtiger, dessen steuer- 
barer Betrag einschließlich der aus sonstigen Quel- 
len fließenden Einkünfte 3000 Mk. nicht über- 
steigt, kamnn mit Rücksicht auf besondere, seine 
Leistungsfähigkeit beeinträchtigende Verhältnisse 
in eine niedrigere St Stufe versetzt werden. 
4. Steuerveranlagung. Steuerpflich- 
tige Einkünfte bis 2000 Mk. werden von der Ge- 
meindebehörde in die betreffende St Stufe ein- 
gereiht, solche von mehr als 2000 Mk. werden auf 
Grund von StErklärungen der Stflichtigen ver- 
anlagt. Die Veranlagung erfolgt im Gemeinde- 
bezirk, in dem der Pflichtige seinen regelmäßigen 
Wohnsitz hat und zwar nach Haushaltungen. 
Selbständig zu veranlagen sind vom Ehemann ge- 
trennt lebende Ehefrauen und Kinder mit selb- 
ständigem Erwerb. Die Veranlagung der Ein- 
künfte unter 2000 Mk. geschieht jährlich, diejenige 
der Einkünfte von über 2000 Mk. ist dauernd und 
nur im Falle von Veränderungen zu berichtigen. 
Die Einkünfte von 2000—3000 Mk. werden durch 
die örtliche Kreiskommission, jene von über 
3000 Mk. durch die Bezirkskommission des Ver- 
waltungsbezirks veranlagt. Gegen das Ergebnis 
der Veranlagung ist Einspruch des St Pflichtigen 
wie des Vorsitzenden der Veranlagungskommission 
beim Direktor der direkten St zulässig. Gegen die 
Entscheidung über den Einspruch können der St- 
Pflichtige, die beteiligte Gemeinde und mit Ge- 
nehmigung des Direktors der direkten St auch 
der Vorsitzende der Veranlagungskommission Be- 
rufung an die Berufskommission einlegen. Von 
ihren Mitgliedern werden 3 vom Landesausschuß, 
die übrigen sowie der Vorsitzende vom Statthalter 
ernannt. 
5. Steuerstrafen. Die Verweigerung 
oder verspätete Abgabe der StErklärung wird mit 
einer Geldstrafe bis 20 Mk. bestraft. Wissentlich 
unrichtige oder unvollständige Angaben werden 
mit einer Geldstrafe im 2—t4fachen und im Rück- 
fall innerhalb 6 Jahren im bis 6fachen Betrage der 
hinterzogenen St bestraft. Sind solche Angaben 
nachweislich nicht in der Absicht einer St Verkür- 
zung gemacht worden, so tritt an Stelle der 
Defraudationsstrafe eine Ordnungsstrafe bis 50 Mk. 
II. Auch in Mecklenburg besteht im System der 
Vgliedrigen Ertragsbesteuerung eine Besoldungs- 
und Hebungs St, eine Erwerbs St für private 
Dienste und eine Lohnsteuer ½). 
  
2) Dem mecklenb. Landtage liegt (November 1910) ein 
Regierungsentwurf vor, der an Stelle der ediktsmäßigen 
Kontribution eine progressive Einkommensteuer (steuerfrei 
und höchsten Ertragszisser der betreffenden Klasse Eink bis 500 Mk.) und eine Ergänzungssteuer vorsieht.
	        
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