Adel 57
nommen. Eine vertragsmäßige Aufgabe der eige-
nen Landeshoheit zu Gunsten eines größeren.
Territorialherrn unter Vorbehalt der Reichsstand-
schaft, wie sie seitens der Häuser Stolberg, Schön-
burg, Fugger und Giech vorgekommen, bewirkte
kein Ausscheiden aus dem Kreise des Hoch A. (Be-
griff der sogen. Rezeßherrschaften). Doch konnte
umgekehrt bis zur Wahlkapitulation Ferdinands IV.
von 1653 der Kaiser auch solchen Personen Reichs-
standschaft verleihen, die kein reichsunmittelbares
Territorium besaßen, und diese Personen damit in
den hohen A. erheben (reichsständische Perso-
nalisten). Seitdem gehörte zur Erlangung der
Eigenschaften des hohen A. der Besitz eines reichs-
unmittelbaren Territoriums mit Reichsstandschafts-
recht. Ob diese Bedingung bei der betr. Person
vorlag, darüber mußten das Fürstenkollegium als
solches oder die betreffende Grafenbank gehört
werden, seit der Wahlkapitulation von 1711 waren
jene Organe sogar berechtigt, die Frage ihrerseits
zu entscheiden. Doch gab es auch nach 1654 noch
eine provisorische Zulassung von „Personalisten“,
die kein reichsunmittelbares Territorium mit
Reichsstandschaft besaßen. Für die Zeit von 1500
bis 1815 galten als hoher A. also die reichsständi-
schen Familien. Diesen Begriff hat die Mediati-
sierung zahlreicher Reichsfürsten und Grafen bei
Auflösung des Reiches nicht beeinflußt, indem
al4 der deutschen Bundesakte den Mediatisierten
ihre weitere Zugehörigkeit zum „hohen A.“ zu-
sicherte (U Mediatisiertel.
Der niedere A. ist mit dem Uebergang des Mittel-
alters in die Neuzeit ein reiner Geburtsstand ge-
worden, indem der berufsmäßige Ritterstand ver-
schwindet. Das z. B. in Westfalen zahlreiche
Vorkommen von bürgerlichen Familien, die im
Mittelalter als Ritterbürtige erscheinen und sich
bis auf den heutigen Tag aus jener Zeit ein adeli-
ges Wappen erhalten haben, das sie schon im Mit-
telalter geführt, beweist, daß der Aristokratie bei
ihrem Uebergang vom Berufs= zum Geburtsstande
zahlreiche Familien verloren gegangen sind, die
sich nicht in einer gehobenen Lebensstellung als
Großgrundbesitzer, höhere Beamte und Offiziere
behaupten konnten und deren N. deshalb in Ver-
gessenheit geriet. Insbesondere sind in den neu-
zeitlichen Jahrhunderten unter den veränderten
wirtschaftlichen Verhältnissen auch zahlreiche Ele-
mente des mittelalterlichen Stadt A. wieder in die
breiten Schichten des Bürgertums zurückgefallen;
anders gilt nur von dem Patrizier A. der großen
Reichsstädte, wie Nürnberg, Ulm usw., und solchen
Elementen des übrigen Stadt A., die durch Be-
stätigung ihres A. in A. Briefen und Annahme
von A. Prädikaten, Erwerb adeliger Güter auf dem.
Lande usw. rechtzeitig in dem Land A. aufzugehen
wußten. Zum niederen A. gehörten in den letzten
Jahrhunderten des alten Reiches einige wenige
Geschlechter, die nachweislich dynastischen Ur-
sprungs, aber nicht rechtzeitig in den Besitz der
Reichsstandschaft gelangt und deshalb nicht in den
Kreis des Hochadels eingetreten waren, z. B. die
Dohnas. Das Gros des niedern A.- aber stammte
von dem ordo equestris minor des Mittelalters,
der Ministerialität. Zu diesem alten Ritter A.,
der sich heute viclfach als Uradel bezeichnet, trat ein
allmählich immer zahlreicher werdender Brief A.,
obgleich die Berleihung des Briefadels ein aus-
schliebliches Borrecht des deutschen Kaisers und
sonst nur von solchen Reichsständen beansprucht
wurde, die in einem Teil ihres Staatsgebiets
souverän waren. Die Vorstellung, daß der Dr.
iuris des persönlichen A. teilhaftig, verschwand
allmählich, freilich wurde dafür vielfach der ganze
höhere Beamtenstand in wichtigen rechtlichen Be-
ziehungen dem niederen A. gleichgestellt. Die vor-
nehmste Gruppe des niederen A. war die der
Reichsritterschaft, des niederen Reichs A.,
der keinen Landesherrn über sich hatte, sondern
selbst eine beschränkte landesherrliche Gewalt aus-
übte. Diese Gruppe war vornehmlich aus den
alten Reichsministerialen hervorgegangen, die von
den Staufen sogar zeitweise zu den Reichstagen
herangezogen waren, und von denen einzelne Ge-
schlechter auch dauernde Reichsstandschaft erlangt
hatten und im Hoch A. aufgegangen waren. Kor-
porativ organisiert und im Besitz des Rechts der
Haus gebung suchten sie sich vielfach vom Landes-
A. abzuschließen, indem sie für Turniere, Kanoni-
kate, Erbfolge usw. eine bestimmte Anzahl reichs-
ritterlicher Ahnen forderten. Bei der Auflösung
des Reiches wurde ihnen durch a 14 der Bundes-
akte noch eine gewisse Sonderstellung garantiert
(siehe unten). — Für die rechtliche und wirtschaft-
liche Stellung des niederen Landes A. in
den neuzeitlichen Jahrhunderten mußte es von
großer Bedeutung werden, daß sich die Ministeria-
len schon frühzeitig im Mittelalter, soweit sie dem-
selben Territorialherrn unterstanden, genossen-
schaftlich organisiert hatten. Diese Ministerialen-
korporationen waren einst die rechte Hand der
Territorialherrn und der Schutz des Territoriums
gewesen. Später ertrotzten sie eine herrschende
Stellung, indem sie sich gleichzeitig durch möglichst
hohe Anforderungen in Bezug auf Ahnenzahl,
Besitz „adeliger Güter"“ usw. nach unten hin ab-
schlossen. Auch dort wo es dem Zeitalter des Ab-
solutismus gelang, den politischen Einfluß dieser
A. Korporationen zu brechen, waren sie ständig
bemüht für den Schutz und Ausbau ihrer Privile-
gien. Am günstigsten war die Rechtsstellung des
A. in den geistlichen Territorien, wo er die Dom-
herrnstellen besetzte und damit auch den Landes-
herrn aus seiner Mitte stellte. Hier besonders
kommt sogar für den Adeligen das Recht einer be-
sonderen Hutfarbe, eines besonderen Pflasters vor
seinem Hause, einer besonderen Bauart des Daches
und unzählige andere Privilegien derart vor. Im
östlichen Deutschland wußte der landsässige Grund-
A. namentlich durch Ausbildung der Gutsherr-
schaft seine wirtschaftliche und soziale Stellung zu
steigern. Ueberall kehrt in dieser Zeit für den
ganzen niederen A. ein eximierter Gerichtsstand
wieder mit Befreiung von bloß lokalen Statuten-
rechten in Bezug auf Familien= und Erbrecht, an
deren Stelle für die A. Korporationen ein statutari-
sches Familiengüterrecht und Erbrecht tritt, Wap-
penrecht und Siegelmäßigkeit (d. h. Gleichstellung
des Siegels mit öffentlichen Urkunden), ausschließ-
liches Recht auf den Erwerb von Rittergütern als
Folge der passiven Lehnsfähigkeit, Landtags-
fähigkeit, Steuerfreiheit, patrimoniale Gerichtsbar-
keit und Polizeigewalt. Erst der Gedanke eines all-
gemeinen, gleichberechtigten Staatsbürgertums
hat diese Privilegien im 19. Jahrhundert fast aus-
nahmstlos beseitigt.
# 2. Der Hochadel.
a) Die Zugehörigkeit. Der Begriff des