Eisenbahnen * h
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begleitende oder nachfolgende Ncebenleistungen
(Nebengebühren) — nelst den Bestim-
mungen über ihre Anwendung und Berechnung
(Tarifvorschriften) heißt Tarif. Die
gesamte äußere Anordnung des Tarifs bezeichnet
man mit Tarisschema, die Grundsätze, nach
welchen die Bedingungen für die Anwendung des
Tarifs festgesetzt sind, mit Tarifsystem. Im
Gütertarif werden unterschieden: das Raum-
system (Taraklassifikation, Gliederung des Ta-
rifs nach der Transportleistung der Bahn, sog.
natürliches System), — das Wertsystem
(Wertklassifikation, Gliederung des Tarifs nach
dem Werte — Handelswert, Verkehrswert, Trans-
portwert — der Beförderungsgegenstände, sog.
historisches System), — das gemischte Sy-
stem (Vereinigung beider Grundsätze).
Man unterscheidet weiter: Lokaltarife
(zwischen Stationen derselben E. Verwal-
tung) und direkte Tarife (Nachbartarife,
MWechseltarife, Verbandtarife [UEisenbahn-=
verbändet, deren Geltung sich über zwei oder
mehr Verw Bezirke erstreckt); sodann Normal-=
tarifc, die auf dem allgemeinen Tarifschema
einer E. beruhen (s. & 7), und Ausnahme-
tarife (unregelmäßig gebildete Tarife), die
von diesem Schema abweichen.
Unter Differentialtarifen werden
in der Regel solche Tarifverschiedenheiten ver-
standen, die aus der ungleichen Tarisierung
gleicher Mengen desselben Gutes auf
demselben Bahnwege sich ergeben, — in
einem weiteren Sinnc auch solche Verschieden-
heiten, die aus ungleicher Tarifierung gleicher
Mengen desselben Gutes auf gleich langen
Strecken derselben Eisen bahn entsprin-
gen. Im weitesten Sinne läßt sich jede ungleich-
mäßige, nicht genau der Entfernung entsprechende
Festietzung der Beförderungspreise als differen-
tielle Tarifbildung ansehen, — auch die Abstufung
der Streckeneinheitssätze mit zunehmender Ent-
fernung (Staffeltarife: s. Krönig, Diffe-
rentialtarise S 3—5, 60; Ulrich, EWesen
648 ff; Ulrich, Staffeltarife und Wasserstraßen
3 ff; Bauer, Personen= und Güterverkehr
515 ff). — Tarifoildungen, nach denen auf dem-
selben Bahnwege nach einer vorgelegenen Sta-
tion an Gesamtfracht mehr erhoben wird, als nach
einem darüber hinaus gelegenen
entsernteren Bestimmungsorte (vgl. den BRBeschl
6. 4. 77 & 187 der Prot unten zu § 6) werden
lis Frachtdisparitäten bezcichnet (s.
Krönig a. a. O. S 15, 33, 62; Ulrich, EWesen
83, der diesen Begriff erweitert).
8 2. Feststellung. Staatliche Genehmigung.
I. Im Interesse des Gemeinwohles, zur Ver-
hütung übermäßiger und willkürlicher Belastung
des Verkehrs wie zur Sicherung einer einheitlichen
Verkehrspolitik ist die Feststellung der ET überall
ganz oder mit gewissen Einschränkungen an die
Genehmigung des Staate,s, bei Staats-
bahnen an die Genehmigung der o ber sten Ver-
waltungsinstanz gebunden (öffentlich-
rechtliche Feststellung der Tarife). Diese
Genehmigung ist durch Gesetz oder Konzession in
der Regel schon für die erste Feststellung
und sodann entweder für jede spätere
Abänderung des Tarifs oder nur für eine
spätere Tariferhöhung dder auch nur
— — — — — —— — — — — —
für die Festsetzung einer Höchstgrenze, die
nicht überschritten werden darf, vorgesehen. Die
Genehmigung des Staates setzt bei Privatbahnen
einen Antrag der letzteren voraus und kann,
wie im ganzen erteilt oder versagt, so auch nur
für einen Teil oder mit Einschränkungen — unter
Bedingungen, auf Zeit, widerruflich — gewährt
werden. Abgesehen von der aus dem Aussichts-
recht fließenden Befugnis, die Beseitigung un-
statthafter Tarifbildungen zu verlangen,
ist dem Staat für gewisse Fälle durch Gesetz oder
Konzession. auch das Recht vorbehalten, aus eige-
ner Initiative Tarifänderungen an zu-
ordnen. Hierher gehört das Recht, die Herab-
setzung der Tarife herbeizuführen, wenn das Rein-
erträgnis einer Bahn 10% des Anlagekapitals
überschreitet (§33 preuß. G v. 3. 11. 38) — unten II
1a — sowie die vielfach dem Staate vorbehaltene
Befugnis, die Ermäßigung der Tarife für gering-
wertige Massengüter nach Maßgabe des a 45 RV
und die Einrechnung bestimmter ermäßigter
Frachtsätze in direkte Tarife zu verlangen.
Wegen der Notstands tarife, der Militär-
und der Posst tarifc, welche den E. von Reichs
wegen auferlegt werden können, s. zu § 6.
Wegen der Anhörung der E. Beiräte in Tarifsachen
Eisenbahnbeiräte S 674.
II. Bezüglich einzelner größerer Bundesstaaten
ist zu bemerken:
1. Preußen.
a) In Preußen wurde nach § 26 G v. 3. 11.
38 (68 505) (auf die neu erworbenen Landes-
teile durch V v. 19. 8. 67(GS 14261 ausgedehnt)
die Bestimmung der Beförderungspreise für die
ersten 3 Jahre nach der Betriebseröffnung zu-
nächst den'“ Unternehmern überlassen. Nach Ab-
lauf dieser Zeit sollten auch andere gegen Ent-
richtung eines im Streitfalle von der Ausfsichts-
behörde festzusetzenden Bahngeldes zum
selbständigen Betriebe auf der nämlichen E. zu-
gelassen werden (&& 27—31 a. a. O.) und es der
Gesellschaft überlassen bleiben, die Preise, welche
sie für die Beförderung an Fuhrlohn neben
dem Bahngelde erheben wollte, nach ihrem
Ermessen anzusetzen:; diese Preise soll-
ten aber nicht auf einen höheren Reinertrag als
10% des in dem Transportunternehmen ange-
legten Kapitals berechnet und eintretendenfalls
auf dieses Maß herabgesetzt werden. Die Gesell-
schaft sollte zugleich verpflichtet sein, den Fracht-
tarif öffentlich bekannt zu machen und ohne Ge-
nehmigung der Regierung nicht zu erhöhen
(§ 32 a. a. O.).
Die Bestimmungen über die Innehaltung einer
Reinertragsgrenze von höchstens 10% des An-
lagekapitals und über den Mitbetricb Dritter gegen
ein Bahngeld (Trennung des Fahr= und Fracht-
geschäftes) sind bisher nicht wirksam geworden,
dic letzteren jetzt wohl auch allgemein als unaus-
führbar erkannt. In einigen Fällen, in denen an-
schließenden E. Verwaltungen zur Verbindung ge-
trennter Glieder ihres Bahnnetzes die Mitbenutzung
kurzer Strecken eingeräumt wurde (Péagecvertrag,
running powers), ist dies durch Vertrag ge-
regelt. Das nach dem Gesetze von 1838 auf
Tariferhöhungen beschränkte Genehmi-
gungsrecht des Staates wurde bald bei Konzessio-
nierung der einzelnen Unternehmungen erheblich
erweitert und in der Regel auf die Genehmi-