Eisenbahnen (VI. Haftpflicht)
Gesundheitsbeschädigung und beschränkt den Begriff
teineswegs auf äußere Verletzungen des Körpers,
Verwundungen usw., sondern umfaßt jede Stö-
rung der Funktion der äußeren und inneren Or—
gane, also auch der geistigen Gesundheit (Rch
44, 253).
II. Haftbar istder Betriebsunternehmer, d. h.
derjenige, auf dessen Kosten und Gefahr
der Betrieb geführt wird, so daß ihm das ökono-
mische Ergebnis des Betriebes Vorteil und Nach-
teil bringt, nicht derjenige, der den technischen
Betrieb ausübt (OH# 21, 175, Re 16. 6. 80,
E. Entsch 1, 223). Ueber Haftung bei Konkurrenz-
betrieb s. Eger a. a. O. 103 ff.
5 3. Einwendungen gegen die Haftpflicht.
Gegen den Schadensersatzanspruch aus einem
Betriebsunfall gibt das Gesetz dem haftpflichtigen
Unternehmer zwei Einreden, einmal die der
höheren Gewalt, sodann die des eigenen
Verschuldens des Vorletzten.
1) Der Begriff „höhere Gewalt“, der sich
in der Reichsgesetzgebung öfter findet — z. B.
44 St PO, 5 233 3PO, ( 203 Abs 2, 5& 701 Abs 1,
1996 Abs1 BGB, 5453, 456 H#GB — ist nirgends
gesetzlich bestimmt. Man hat angenommen, der
Begriff lasse sich nicht begrenzen, es sei Tatfrage,
ob einfacher Zufall oder potenzierter Zufall
(eben höhere Gewalt) vorliege (Lehmann, Tötung
und Körperverletzung auf deutschen Eisenbahnen
32 ff). Dies ist irrig. Es sind für die Begriffs-
bestimmung auch objektive Voraussetzungen auf-
zustellen; solche sind aber 1. die Unabwendbarkeit
des Ereignisses durch die nach Lage des Falles
gebotene Vorsicht, 2. die Unüberwindlichkeit des
eingetretenen Ereignisses oder seiner Folgen
durch menschliches Bemühen. Bei der Beurtei-
lung der Frage, ob einem Ereignisse vorzubeugen
oder seine schädlichen Folgen abzuwenden waren,
kann aber nicht ein absoluter, sondern nur ein
relativer Maßstab angelegt werden. Es kommt
nicht darauf an, ob die Abwendung des schädlichen
Ereignisses überhaupt in abstracto möglich war,
sondern, ob die Abwendung bei den gegebenen
Verhältnissen durch die äußerste Sorgfalt und
durch Mittel, deren Anwendung dem Haftpflich-
tigen vernünftigerweise zugemutet werden dürfte,
erreicht werden konnte (so R# Entsch v. 23. 3. 88,
E.Entsch 6, 216 ff u. a. vgl. Eger, Haftpflichtgesetz
32 ff). Im übrigen ist festzuhalten: Der Unter-
nehmer haftet unbedingt für den sog. inneren
Zufall (Handlung seiner Leute in Ausübung des
Dienstes, Mängel der Betriebsmittel (R##22. 7.
03, E.Entsch 20, 181). Für den sog. äußeren Zu-
fall (Naturereignisse und Handlungen
Personen) tritt die Haftung nur nach dem eben
erwähnten relativen Maßstabe ein, d. h. der Un-
ternehmer haftet, sofern der Unfall durch alle
erdenklichen Mittel, deren Anwendung mit der
vernünftigen Einrichtung des Betriebes verein-
bar ist. Wann dies der Fall ist, ist Tatfrage. So
hat das R einen orkanartigen Sturm in einem
Falle als höhere Gewalt bezeichnet (Entsch v.
4. 4. 88, E.Entsch 7, 140), aber dies dann ver-
neint, wenn die Gefahr der Bahn bekannt war
und den Organen zur Pflicht gemacht war, bei
gewissen Windstärken den Betrieb einzustellen
und sie dies nicht bcachtet haben (RE Entsch v.
27. 3. 05, E. Entsch 21, 394). Bei der Beurtei-
dritter
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lung, welche Maßregeln zu treffen dem Unter-
nehmer zugemutet werden kann, muß hauptsäch-
lich auch danach gefragt werden, ob nicht durch
die Auferlegung übertriebener Pflichten das
Unternehmen unrentabel gemacht werden würde
(And. Ans. R 15. u. 29. 1. 00, E.Entsch 17, 57).
Bei Handlungen dritter Personen
kommt jede Haftung in Wegfall, wenn die Hand-
lung mit dem Betriebe nicht im Zusammenhange
steht (Ermordung eines Passagiers durch einen
andern, Schießen aus der Ferne auf einen Zug).
Höhere Gewalt ist auch dann anzunehmen, wenn
der Unfall durch plötzliche Geisteskrankheit oder
natürliche Verstandesschwäche (Kind) eingetreten
ist, wofern diese geistigen Mängel trotz Vorsicht
nicht vorausgesehen werden konnten (RG# Entschv.
9. 7. 80, E Entsch 1, 250. And. Ans. Entsch v.
2. 12. 79, das. 1, 31).
In neueren Entscheidungen hat das Reichs-
gericht den Begriff höhere Gewalt dadurch sehr
einschränkend ausgelegt, daß es seine Anwendung
ausgeschlossen hat, wenn es sich um Ereignisse
handelte, die mit einer gewissen Häufigkeit bei
einem Betriebe vorzukommen pflegen und nach
der Natur des Betriebes nicht vermeidbar sind.
Solche Unfälle habe der Betriebsunternehmer
von vornherein in Aussicht zu nehmen, weil sie
mit dem Betrieb und seinen Gefahren in Zu-
sammenhang ständen und sie müßten daher von dem
Unternehmer vertreten werden. Dies ist beson-
ders bei Unfällen, die beim elektrischen Straßen-
bahnbetriebe in verkehrsreichen Städten durch
den Unverstand von Kindern, Scheuen von Tie-
ren usw. verursacht worden sind, angenommen
worden (R3 44, 116, E. Entsch 11, 337; Gru-
chot 42, 1132; Seufferts Arch 48, 254; 50, 250;
JW. 28, 542: E.Entsch 24, S 390, 392).
2) Vom gleichen Gesichtspunkte aus sind auch
Unfälle, welche im Bahnbetriebe durch die Rat-
losigkeit und Bestürzung des Verletzten verur-
sacht worden sind, nicht als Fälle höherer Gewalt
erachtet worden (Rö E. Entsch 18, 336; 31, 31).
Vgl. hierzu Eger, Haftpflichtgesetz 144# ff.
Zur Begründung der Einrede des eigenen Ver-
schuldens genügt es nicht, daß der Unternehmer
beweist, daß ihn kein Verschulden treffe. Der
strikte Nachweis des Verschuldens des Verletzten
ist erforderlich. Verschulden der Leute des Ver-
letzten genügt nicht, auch nicht der aufsichtspflich-
tigen Eltern eines minderjährigen Kindes.
Was den Einfluß des konkurrierenden
Verschuldens anbelangt, so war man vor
dem Inkrafttreten des B(MB darüber einig,
daß die Abwägung des beiderseitigen Verschul-
dens für die Frage der Haftung überhaupt von
Erheblichkeit ist, so daß derienige, den das über-
wiegende Verschulden trifft, als Unternehmer
voll haftet, als Verletzter den Anspruch verliert
(Eger 189 ff). Seit dem Inkrafttreten des BGB
hat das Reichsgericht den § 254 BGB für anwend-
bar erklärt, wonach das konkurrierende Verschulden
auch bei der Abmessung des Schadensersatzes in
Rechnung gezogen werden kann (RE 33, 75,
E.Entsch 20, 136). Dem ist nicht beizutreten
(vgl. hierüber Eger 199 ff).
#* 4. Umfang des Ersatzes. Als Schadens-
ersatz ist im Falle der Tötung der Ersatz der Kosten
einer versuchten Heilung und der Aufwendungen,
die durch eine verminderte Tätigkeit oder be-
sondere Kosten während der Krankheit entstanden