Eisenbahnen (VII. Schutzgebiete)
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gelt und Gewinnbeteiligung gemietet. Die Bau-
ausführung, Betriebsführung, Verwaltung und
Rechnungslegung der Bahnen wird von den Be-
amten des Gouvernements, neuerdings, außer in
Togo, von den durch Gouvernementsverfügung
(Ostafrika v. 10. 4. 09, Kamerun 29. 5. 0O9,
Südwest 21. 3. 10, getrennt für Nord und Süd)
dazu bestellten Eisenbahn - Kommissa-
riaten, soweit erforderlich überwacht. Im
Eigenbetriebe des Gouvernements befindet sich
gegenwärtig nur die Staatsbahn Swakopmund—
Windhuk, deren untere Strecke (bis Karibib) aber
mit Verstaatlichung der OtaviE. seit dem 1. 4. 10
außer Betrieb gesetzt ist und deren obere Strecke
zur Zeit in Kapspur umgebaut wird. (Kostenan-
schlag 11 150 000 Mk.).
Die Tarife der afrikanischen E. werden vom
Kolonialamt nach Anhörung der Vorschläge der
Betriebspächter und des Gouverneurs festgesetzt.
Ihrem Aufbau liegt im allgem. das heimische
Tarifwesen zu Grunde. Die Ausgestaltung ist
noch völlig im Flusse. Der Schantung E. ist für
die ersten 10 Jahre nach Betriebseröffnung die
Tarifhoheit gewährt.
III. Bei der einzigen tatsächlich noch bestehen-
den afrik. Privatbahn, der Manengubabahn, hat das
Reich auf 11 Mill. Mark Stammanteile (Gesamt-
anlagekapital 17 Mill. Mk.) eine Zinsgewähr
von 3% übernommen. Auch bei der durch den
Erwerb der Anteilscheine inzwischen verstaatlich-
ten E. Daressalam—Morogoro besteht eine Zins-
bürgschaft des Reichs von 3% auf das Anlage-
kapital von 21 Mill. Mark, und eine Verpflichtung
zur Rückzahlung der ausgelosten Anteilscheine
(binnen 87 Jahren) mit 120%. Der Ostafrikani-
schen E.Gesellschaft werden die Mittel zum Wei-
terbau der Bahn nach Tabora gegen Ver-
pfändung der Stammstrecke und des jeweils fertig-
estellten Teils der Neubaustrecke vom Fiskus in
Form eines Darlehens überwiesen. Die Gesell-
schaft führt auch den Betrieb auf der Stamm-
strecke Daressalam—Morogoro und der inzwischen
vollendeten Neubaustrecke bis Dodoma (im gan-
zen 464 km) selbst und hat wegen der Ausführung
des Bahnbaus bis Tabora in Gesamtunterneh-
mung durch die Akt.-Gesellschaft Ph. Holzmann
u. Co. in Frankfurt a. M. mit dieser einen Bau-
vertrag abgeschlossen.
& 4. Nentabilität. Finanzielles. I. Unsere
afrikanischen Bahnen bringen von der Eröffnung
an oder bald danach ihre Betriebs= und Unter-
haltungskosten auf, einige haben sogar von vorn-
herein eine ansehnliche Rente erzielt. Die allge-
meinen Wirkungen der Kolonialbahnen
auf unbesiedelte Neuländer bestehen
in einer Erhöhung des Ein= und Ausfuhrhandels,
in der Steigerung der Zolleinnahmen und der
Steuern in jeglicher Gestalt, seien es Kopf--,
Hütten-, Wege= oder Arbeitssteuern, in der Siche-
rung und friedlichen Ausdehnung der Reg Gewalt,
in der politischen und strategischen Sicherung des
Schutzgebietes, in der Erhöhung der Beweglich-
keit der Schutztruppe, in der Verminderung der
Ausgaben für diese. Der E.Bau selbst ist ein wich-
tiges Mittel zur Erziehung des Eingeborenen zur
Arbeit, zu seiner Hebung auf eine höhere Kultur-
stufe. Die E. machen die Trägerkarawanen ent-
behrlich und dadurch zahlreiche eingeborene Ar-
beitskräfte frei für wichtige kulturelle Aufgaben
v. Stengel-Fleischmann, Wörterbuch 2. Aufl. I.
des Landes. Auch für die Weißen werden bessere
Lebensbedingungen geschaffen, die Gründung
einer Familie oder ihre Ueberführung aus der
Heimat wird erleichtert, das mühevolle Werk der
Missionare wird von einem Teil seiner Gefahren
befreit und in seinen Leistungen erhöht.
Bei der Frage der Rentabilität der
Schutzgebietsbahnen ist daher stets ihre mittel-
bare Rentabilität zu berücksichtigen, die sich
freilich in Zahlen oft schwer ausdrücken läßt. Die
Baukosten unserer meter= oder kapspurigen Schutz-
gebietsbahnen schwanken heute etwa zwischen
50 000 und 100 000 Mk. f. d. Kilometer; die Kosten
des Grunderwerbs sind meist unwesentlich, die für
den Gleis-Oberbau fallen stark ins Gewicht.
II. Die Mittel für die ersten in den Schutzge-
bieten hergestellten Staats E. wurden durch die
unentgeltlich gegebenen Reichszuschüsse oder durch
die ordentlichen eigenen Einnahmen der Schutz-
gebiete in aufeinander folgenden Jahren bereit
gestellt, so für die Strecke Tanga—Mombo der
Usambara-Bahn, für die Bahn Swakopmund—
Windhuk in Süd-West und die Küstenbahn
Lome—Anecho in Togo. Das Kapital für die
Inlandbahn Lome—Palime — 7,8 Mill. Mk. —
wurde dem Schutzgebiet Togo in Form eines
mit 3 ½% zu verzinsenden Darlehens be-
willigt (G v. 23. 7. 04), dessen anfangs 30jährige
Tilgungsfrist später in eine 60jährige umgewan-
delt wurde. In der Kolonialbahnvorlage von 1908
wurde für die Bahnbauten die Schutzge-
bietsanleihe (4%) unter Bürgschaft des
Reichs geschaffen (G v. 18. 5. 08). Der Zinsen-
u. Tilgungsdienst beginnt binnen 6 Jahren nach
Begebung der Anleihe. In der Bahnvorlage von
1910 (R v. 8. 2. 10) wurde auch für Deutsch-
Südwestafrika die Schutzgebietsanleihe an Stelle
des früheren Darlehens eingeführt. Die für die
Ausführung erforderlichen Jahresbeträge werden
durch den Außerordentlichen Etat der Schutz-
gebiete bereitgestellt.
III. Nebenfonds. Die Einnahmen aus
den Pachtbetrieben werden durch die Etats den
Einnahmen der Schutzgebiete zugeführt; dabei
werden jährliche Rücklagen in den Erneue-
rungsfonds der Bahnen für die Erneuerung
des Oberbaus und der Fahrzeuge, in bestimmter
Höhe nach Prozenten des Beschaffungswertes,
gemacht. Ferner hat jede fiskalische Bahn einen
regelmäßig zu speisenden Spezialreserve-
fonds für Bestreitung von Aufwendungen aus
Anlaß von Unfällen oder Elementarereignissen
u. dgl., endlich noch einen Reservebau-
fonds zur Bestreitung der Ausgaben für Er-
weiterungen oder Verbesserungen, die sich als
eine Bestandsvermehrung darstellen.
Literatur: Die Eisenbahnen Afrikas,
Grundlagen und Gesichtspunkte für eine koloniale E. Politik
in Afrika. April 1907. Reichstags-Drucksachen Nr. 262;
Blum u. Giese, Wie erschließen wir unsere Kolonien?
1907; Köbner, Einführung in die Kolonialpolitik, 1908;
Arch f. E. Wesen 1908 S 817 ff, 1910 S 642 f; Zentralblatt
d. Bauverwaltung 1908 S 597 ff, Die E. in den deutschen
Schutzgebieten; Baltzer, Die E. in den deutschen Schutz-
gebieten, Glasers Ann. f. Gew. und Bauwesen 1909, 65,
S. 171 ff: Zur Frage der Rentabilität der E. in den d.
Schutzgebieten, Kolonialblatt 1910, S 271. Valtzer.
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