Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
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Elsaß-Lothringen 
  
  
der Landesverwaltung für dessen Gebiet mit wich- 
tigen Zuständigkeiten. Quer durch die Ordnung 
der Gemeinden hindurch zieht sich die Einteilung 
in Kantone die, auf ein gewisses Gleichmaß 
von Bevölkerung berechnet, einerseits eine Mehr- 
zahl kleinerer Landgemeinden zusammenfassen 
können, andererseits Unterabteilungen des Ge- 
meindegebietes der größeren Städte bilden. Die 
Einzelgerichte, die Polizeikommissariate, die ka- 
tholischen Pfarrsprengel waren danach abgegrenzt; 
jetzt sind sie vor allem noch von Bedeutung für 
gewisse Wahlen ([# Bezirk & 2, Kreis § 21. 
Amtsbezirke einer allgemeinen VerwGehäörde, 
Verwaltungseinheiten nach der fran- 
zösischen Terminologie, waren ursprünglich nur 
Gemeinde, Departement und Staat. Der Unter- 
präfekt zählte nicht, weil er überhaupt keine eige- 
nen Zuständigkeiten besaß. Jetzt ist der Kreis als 
weitere VerwéEinheit hinzugekommen. Die ge- 
setzliche Zuständigkeitsverteilung zwischen den 
übereinander aufgebauten Behörden ist dadurch 
beweglicher geworden, daß das Gv. 30. 12. 71 
die Uebertragung von Zuständigkeiten der oberen 
Stufe auf die unteren dem Verordnungswege 
überläßt. 
Die Behörden der verschiedenen Verw tufen 
sind zusammengefaßt durch ein nach dem einheit- 
lichen Mittelpunkt führendes Unterordnungsver- 
hältnis (Zentralisation) und bilden dadurch ein 
gegliedertes Ganze, die hibrarchie ad- 
ministrative. 
5 3. Zentralverwaltung. Träger der Zentral- 
verwaltung waren nach französischem System: 
das Staatsoberhaupt, das Ministerium und der 
Staatsrat. 
Die VerwZuständigkeiten des Staatsoberhaup- 
tes sind in E. auf den deutschen Kaiser 
übergegangen. Zu diesen Zuständigkeiten gehört 
vor allem das Verordnungsrecht d. h. die Befug- 
nis, rechtssatzmäßig bindende Regeln innerhalb 
des vom Gesetz dafür eingeräumten Spielraums 
für das ganze Land aufzustellen. Dazu noch Be- 
gnadigungsrecht, Ernennungsrechte und zahl- 
reiche andere Einzelverfügungen, welche nach 
besonderer gesetzlicher Bestimmung nur vom 
Staatsoberhaupte selbst erlassen werden können. 
Alles das wird im Gesetzblatt für E. zur Ver- 
öffentlichung gebracht. Dabei erscheinen auch die 
Einzelakte mißbräuchlicherweise unter dem Na- 
men Verordnungen: dazwischen findet sich dafür 
auch der Ausdruck Erlaß. 
Was das Ministerium anlangt, so hat es 
folgenden Entwickelungsgang genommen. Bei 
der ersten Einrichtung der Verwaltung ergab es 
sich von selbst, daß der Minister des Kaisers für die 
Reichsregierung, der Reichskanzler, zu- 
gleich dessen Minister für die Landesregierung in 
E. sein mußte. Das Reichskanzleramt lieferte ihm 
auch hiefür die Gehilfen: unter dem Namen 
Reichskanzleramt für E. wurde eine besondere 
Abteilung gebildet, für die Justizverwaltung 
diente das Reichsinstizamt. Gemäß R v. 17. 3. 
78 wurden die Vorstände dieser Reichsbehörden 
zugleich zu Stellvertretern des Ministers für E. 
berufen. 
Man hatte es jedoch für notwendig gehalten, 
daß die Zentralverwaltung einen Fuß im Lande 
selbst habe, und zu diesem Zwecke das Amt eines 
Ober-Präsidenten mit dem Sitze 
  
  
in 
Straßburg geschaffen. Das Vorbild dafür gaben 
die Ober-Präsidenten der preußischen Provin- 
zen. Die Zuständigkeiten, welche das elsaß- 
lothringische Verw G v. 30. 12.71 dem Ober-Präsi- 
denten überweist, sind im wesentlichen der Dienst- 
Instr für die preußischen Ober-Präsidenten v. 
31. 12. 1825 entnommen. Nach 56 jenes Gesetzes 
sollte der Reichskanzler dem Ober-Präsidenten 
noch andere Ministerialbefugnisse zur Erweiterung 
der eigenen Zuständigkeit desselben übertragen 
können. Der Ober-Präsident bildete so eine 
volle Zwischenstufe zwischen Ministerium und 
Mittelbehörde: er war Unterbehörde gegenüber 
dem Reichskanzler, Oberbehörde gegenüber den 
Bezirkspräsidenten. 
Das G v. 4. 7. 79 will nunmehr die Zentral- 
verwaltung gänzlich ins Land verlegen. An der 
Spitze steht der vom Kaiser ernannte Statt- 
halter /I. Daß ihm landesherrliche d. h. ge- 
setzlich dem Staatsoberhaupte vorbehaltene Be- 
fugnisse durch Kaiserliche Verordnung übertragen 
werden können, macht nicht die wesentliche Be- 
deutung seines Amtes aus. Die Hauptsache ist, 
daß er die Zuständigkeiten des Reichskanzlers er- 
halten hat: er ist der eigentliche Minister für Elsaß- 
Lothringen. 
Die Behörde, welche den Namen Ministe- 
rium für Elsaß-Lothringen führt, 
hat die Aufgaben und Zuständigkeiten des Reichs- 
kanzleramtes für E. und die des Reichsjustizamtes, 
soweit dieses für E. in Anspruch genommen war, 
übertragen erhalten, dazu die Obliegenheiten des 
bisherigen Ober-Präsidenten. Das Ministerium 
zerfällt in Abteilungen mit der erforderlichen Zahl 
von Ministerialräten und sonstigen Beamten, an 
der Spitze je ein Unterstaatssekretär. 
Ueber diesen Abteilungen steht der Staats- 
sekrcetärs: er hält die Einheit der Behörde auf- 
recht, hat die Aufsicht über den ganzen Geschäfts- 
betrieb, entscheidet in Geschäftsverteilungsfragen, 
hat auch das Recht, aus allen Abteilungen Sachen 
zu eigner Entscheidung sich vorzubehalten und an 
sich zu ziehen. Durch das Gesetz ist ihm die Be- 
arbeitung einer Reihe von Angelegenheiten vor- 
behalten, die zur Zuständigkeit des Statthalters 
gehören: Verhältnis zum Reich, Korrespondenz 
mit den obersten Reichsbehörden, Beziehungen 
zum Landesausschuß, Instruktion der Kommissare 
beim Bundesrat, Personalien und Geschäftsord- 
nung des Ministeriums. Der Staatssekretär ist 
der Generalstellvertreter des Statthalters für die 
Ausübung seiner Ministerialbefugnisse (nicht für 
die landesherrlichen Befugnisse); er vertritt ihn 
auch in der Gegenzeichnung von Erlassen des 
Kaisers und gibt dem Statthalter selbst die Gegen- 
zeichnung, wenn es sich um Ausübung landesherr- 
licher Befugnisse handelt. Seinerseits wird der 
Staatssekretär im Falle der Behinderung vertre- 
ten durch einen vom Statthalter zu bezeichnenden 
Unterstaatssekretär: dessen Vollmacht umfaßt aber 
weder die dem Staatssekretär zustehende Ver- 
tretung des Statthalters, noch eine Gegenzeich- 
nung. 
Die Abteilungen, in welche das Ministerium 
zerfällt, werden durch Kaiserliche Verordnung 
festgestellt. Es waren ihrer ursprünglich vier; durch 
V v. 25. 4. 87 wurde die IV. Abteilung unter- 
drückt, durch V v. 16. 1. 95 aber wiederhergestellt. 
Danach bestehen zur Zeit die Abteilungen: des
	        
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