Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

Elsaß-Lothringen (Behörden) 
715 
  
Innern, für Justiz und Kultus, für Finanzen, 
Handel und Domänen und für Landwirtschaft und 
öffentliche Arbeiten. Dem Staatssekretär kann 
zugleich die Leitung einer solchen Abteilung un- 
mittelbar übertragen werden, wie das zur Zeit 
der Fall ist. Zu seiner Vertretung für den Um- 
fang der Geschäfte dieser Abteilung ist ein Mini- 
sterialdirektor bestellt, der tatsächlich einem Unter- 
staatssekretär fast gleichsteht. 
Durch V v. 21. 4. 82 wurde das von der I. Ab- 
teilung abgezweigte Unterrichtswesen einer be- 
sonderen, aus dem Rahmen des Ministeriums her- 
austretenden Zentralbehörde übertragen, dem 
Oberschulrat. Die Leitung hat der Staats- 
sekretär; ihn vertritt der Direktor des Oberschul- 
rats. Die ursprüngliche Absicht einc wesentlich 
kollegial verfaßte Behörde zu schaffen, hat nur in 
geringem Maße Verwirklichung gefunden. Tat- 
sächlich ist der Oberschulrat eine unregelmäßig 
gestaltete Ministerialabtcilung. 
In dieser Weise baut sich dann die Zentralver- 
waltung auf in den Stufen des Ministeriums un- 
ten, des Statthalters oben; innerhalb des Mini- 
steriums sind noch einmal die Abteilungen mit 
ihren Vorständen dem Staatssekretär unterstellt. 
Der Statthalter ist für alle Geschäfte des Mini- 
steriums dessen Dienstvorgesetzter und seinen An- 
weisungen ist überall Folge zu leisten. Für die 
Wirkung nach außen ist aber zu unterscheiden zwi- 
schen den Befugnissen, welche das Ministerium 
vom Ober-Präsidenten, und denjenigen, welche es 
vom Reichskanzleramt überkommen hat. Bei Aus- 
übung der ersteren und der etwa durch die spätere 
Gesetzgebung noch hinzugefügten bildet es eine 
Verw Stufe unter dem Statthalter; dieser kann 
nicht unmittelbar statt des Ministeriums handeln; 
er kann aber seine Beschlüsse von Amts wegen oder 
auf Beschwerde, aufheben oder abändern. Wo 
dagegen die viel umfassendere Geschäftsbesorgung 
in Frage kommt, die das Ministerium vom Reichs- 
kanzleramt geerbt hat, da bereitet es nur den Be- 
schluß des Statthalters vor oder handelt durch 
den Staatssektetär in dessen Vertretung. Hier 
kann der Statthalter stets die Sache an sich ziehen 
und selbst entscheiden; er kann auch jeden vom 
Ministerium gefaßten Beschluß wieder aufheben 
oder abändern, aber dieses hier nicht als Ober- 
behörde, sondern nur soweit als eine Behörde 
befugt ist, ihre eigenen Beschlüsse zurückzuneh- 
men. 
Nach den hier noch maßgebenden Regeln des 
französischen Staatsrechts umfaßt die Zuständig- 
keit des Ministeriums grundsätzlich die gesamte 
Staatsverwaltung, soweit darüber nicht anderweit 
verfügt ist, dazu noch die dienstliche Beaufsichti- 
gung und Leitung aller anderen Verw Behörden, 
nebst dem Rechte der Aufhebung und Aenderung 
der Beschlüsse der nächstunteren. Diese Zuständig- 
keitsvermutung kommt jetzt unmittelbar nur dem 
Statthalter zugute. Das Ministerium hat ledig- 
lich den dem Oberpräsidenten oder ihm selbst 
besonders zugewiesenen Teil, dafür aber die um- 
fassende Vertretung des eigentlichen Ministers 
für den seinigen. Ein Verordnungsrecht stand 
nach französischer Einrichtung dem Ministerium 
nur für einzelne gesetzlich besonders hervorgeho- 
bene Gegenstände zu; es war ein Ausnahmefall. 
Die deutsche Gesetzgebung hat den Kreis dieser 
Gegenstände erweitert, und zwar teils zugunsten 
  
des Statthalters, teils zugunsten des Ministe- 
riums. 
Der Staatsrat (I#, welcher in der fran- 
zösischen Zentralverwaltung eine so hervorragende 
Rolle spielt, hat in seiner Neugestaltung durch das 
Gv. 4. 7. 79 § 9 nur mehr eine politische Bedeu- 
tung. Er kann von der Regierung zur Beratung 
von allerlei Maßregeln und zur Erstattung von 
Gutachten benutzt werden; so ersetzt er einiger- 
maßen die fehlende erste Kammer. Verwaltungs- 
rechtlich kommt er nicht in Betracht. 
§& 4. Bezirksverwaltung. Der französische 
Präfekt führte die Verwaltung des Departements 
allein. Als Vorstand seines Bureaus diente ihm 
ein Gencralsekretär, welcher ihn auch im Notfalle 
vertrat. Außerdem hatte jeder Präfekt 3—4 
Präfekturräte neben sich, die jedoch nicht seine 
Gehilfen bei der eigentlichen Verwaltung waren, 
sondern ein Kollegium bildeten zur Beratung 
wichtiger Angelegenheiten, vor allem auch zur 
Mitwirkung bei der Verwechtspflege. 
Der Bezirkspräsident, der die Nach- 
folge des Präfekten übernommen hat, steht an der 
Spitze einer Anzahl von Regierungsräten und 
sonstigen Gehilfen, die unter seiner Leitung die 
Geschäfte besorgen und ihn, soweit er es ihnen 
überläßt, vertreten. Das Bezirkspräsidium ist 
eine „bureaukratisch“ organisierte Behörde. 
In den Fällen, für welche das französische Ge- 
setz die Mitwirkung der Präfekturräte vorschreibt, 
werden diese durch die Reg Räte ersetzt. Sie bilden 
unter Vorsitz des Bezirkspräsidenten den Be- 
zirksrat. Die neuere Gesetzgebung hat diese 
Einrichtung mehrfach bestätigt. Die Regel ist, 
daß die Beratung im Bejirksrat nur eine Form- 
bedingung ist für die Gültigkeit des Beschlusses, 
den der Bezirkspräsident allein zu erlassen hat. 
In gewissen Fällen bildet aber der Bezirksrat 
ein wahres Kollegium mit entscheidender Stimme 
aller Mitglieder; so vor allem, wenn es sich um 
die Ausübung der Verwaltungsrechts- 
pflegels] handelt. 
Die Zuständigkeit des Bezirkspräsidenten ist 
grundsätzlich die des alten Präfekten. Sie ist eine 
allgemeine, gleich der der Ministerialstufe. Ge- 
wisse Angelegenheiten sind ihm besonders durch 
Gesetz oder Verordnung überwiesen (wichtig vor 
allem die sog. Dezentralisationsdekrete v. 25. 3. 52 
und 13. 4. 61). Außerdem aber ist er Träger der 
ganzen Staatsverwaltung, soweit sie bezirks- 
mäßig zu üben ist, gerade wie der Minister für das 
Land, ausgenommen nur solche Angelegenheiten, 
welche anderen Behörden besonders zugewiesen 
sind. In dringenden Fällen vertritt er das Mini- 
sterium schlechthin behufs vorläufiger Maßregeln. 
Diese Zuständigkeit des Bezirkspräsidenten hat 
allerdings erhebliche Einbußen erlitten: einerseits 
wurde eine Reihe von Verw Sachen, welche vor den 
Präfekten gehört hatten, auf den Ober-Präsiden- 
ten (jetzt Ministerium für E.) übertragen; anderer- 
seits verstärkte sich auf seine Kosten die Zuständig- 
keit der Kreisdirektoren. Daß die Bezirkspräsidien 
überhaupt noch bestehen, wird sich aus sachlichen 
Gründen allein nicht wohl erklären lassen. Nach 
der Stufenfolge der Behörden ist der Bezirks- 
präsident den Weisungen und dem Abänderungs- 
rechte des Ministeriums unterworfen, und seiner- 
seits der Vorgesetzte der Kreisdirektoren und Bür- 
germeister des Bezirks. Ein Verordnungsrecht
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.