Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
  
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Enteignung 
  
stimmten Gegenstandes für das Unternehmen, 
nicht absolute, sondern relative, wirt- 
schaftliche Notwendigkeit. Darin liegt aber 
zweierlei: einmal, daß das U nach seiner Natur 
und den Umständen des Falles entweder über- 
haupt nicht ausgeführt werden könnte oder we- 
sentlich geschädigt oder gefährdet werden würde, 
wenn ihm nicht mit Hilfe des E an bestimmter 
Stelle Raum für seine Existenz geschafft würde; 
sodann, daß im konkreten Falle der zur Durch- 
führung des U erforderliche Rechtserwerb an 
fremdem Grund und Boden im Wege freien Kau- 
fes entweder überhaupt nicht oder nur mit unver- 
hältnismäßigen Opfern und Weiterungen zu er- 
langen wäre. Bei neuen Eisenbahnen, großen 
Landstraßen, Kanälen und ähnlichen U, die 
sich über ganze Landesteile erstrecken, in ihrer 
Ausführungsweise an örtliche Verhältnisse ge- 
bunden sind und zu ihrer Durchführung des Er- 
werbes einer großen Menge von Grundstücken 
bedürfen, wird man jene Voraussetzungen in der 
Regel ohne weiteres als gegeben ansehen können; 
dagegen wird bei anderen, kleineren Unterneh- 
mungen, insbesondere Einzelanlagen, die Not- 
wendigkeit der E. nach den angegebenen Gesichts- 
punkten erst nach besonderer Prüfung der ein- 
schlagenden Verhältnisse anzuerkennen sein. 
Wie sind die Voraussetzungen der E. für den 
einzelnen Fall fest zustellen? Dreei ver- 
schiedene Systeme sind hierfür angewendet wor- 
den: a) die Zulässigkeit der E. wird für jeden 
einzelnen Fall durch ein besonderes 
Gesetz bestimmt (früher zum Teil in Sach- 
sen, ferner in einigen Thüringischen 
Staaten, in Bremen, Hamburg und 
Lübeck); b) das ER wird durch ein allge- 
meines Gesetz oder durch Einzelgesetze 
für bestimmte Gattungen von Unter- 
nehmungen ein für allemal begründet (so 
hauptsächlich in Bayern, früher zum Teil 
auch in Sachsen); c) das Gesetz bestimmt ein 
Organ der vollziehenden Gewalt, 
dem die Entscheidung der Frage in jedem einzel- 
nen Falle überlassen ist, und zieht der Verord- 
nungsgewalt dieses Organes nur gewisse allge- 
meine Grenzen, ohne die Art der die E. recht- 
fertigenden Unternehmungen speziell festzusetzen 
(so in Preußen, Württemberg, Ol- 
denburg, Baden, Hessen,, jetzt auch 
in Sachsen). Die neuere Rechtswissenschaft 
und Gesetzgebung haben sich überwiegend für das 
letzte System entschieden, da nur hierbei dem je- 
weiligen Bedürfnisse des in fortwährendem Flusse 
befindlichen Staatslebens wirklich Rechnung ge- 
tragen werden kann. Die Garantien gegen einen 
etwaigen Mißbrauch der weitgehenden Ermäch- 
tigung der Verwaltung müssen eincsteils in der 
Fassung der allgemeinen Formel selbst und der 
Stellung und Eigenschaft des zu ihrer Anwendung 
berufenen Staatsorganes, sodann aber auch in 
einem sich in festen gesetzlich bestimmten Formen 
bewegenden gut durchgebildeten E. BVerfahren 
(unten § 14) gesucht und gesunden werden. 
§5. Die Subjekte der Enteignung. Bei jeder 
E. werden drei Personen rechtlich tätig oder in 
Mitleidenschaft gezogen: a) die Staatsge- 
walt, die den E.Fall feststellt, d. h. durch ihren 
Ausspruch die Zulässigkeit der E. für ein U an- 
erkennt oder überhaupt erst begründet und dar- 
  
nach die E. vollzieht; b) der Unternehmer, 
dem das Es verliehen und für den die E. voll- 
zogen wird; c) der Staatsuntertan, dem 
durch die E. ein Recht entzogen oder beschränkt 
wird. 
a) Eine besondere Tätigkeit der vollziehenden 
Gewalt wird bei der E. zunächst dann entwickelt; 
wenn der einzelne E.Fall nicht durch Spezialgesetz 
festgestellt, sondern das ER entweder für bestimmte 
Gruppen von Fällen oder für öffentliche Unter- 
nehmungen überhaupt durch ein allgemeineres 
Gesetz gegeben und die Staatsverwaltung ermäch- 
tigt worden ist, es für jeden einzelnen Fall anzu- 
erkennen oder zu begründen. Dann ist, je nach- 
dem das Eine oder das Andere vorliegt, der die 
Zulässigkeit der E. feststellende Ausspruch der 
Staatsgewalt deklaratorischer oder konstitutiver 
Natur. Im ersteren Falle wird anerkannt, daß 
das geplante U seiner Natur nach unter eine ge- 
setzlich mit dem E ausgestatteten Kategonen 
fällt und daß nach den vorliegenden Umständen 
die Anwendung der E. gerechtfertigt ist. Im letz- 
tern Falle wird das U erst auf Grund der allge- 
meinen Gesetzesformel mit dem E ausgestattet. 
Hier spricht man ebenso, wie im Falle der unmittel- 
baren Begründung der ER durch Spezialgesetz, 
von Verleihung des ER für ein U und an 
den betreffenden Unternehmer. 
Ist der Enteignungsfall festge- 
stellt, was meistens durch die oberste oder eine 
höhere Staatsbehörde zu geschehen hat, so ist dann 
durch ein bestimmtes Organ der Staatsgewalt, 
in der Regel eine untere VerwBehörde, die E. 
für das betreffende Unternehmen zu voll- 
ziehen. Auch hier tritt die Staatsgewalt als 
die Trägerin des E auf. Sie übt es aus in ihrem 
Namen zugunsten des Unternehmers; sie ist der 
eigentliche Enteigner, nicht der Unternehmer, der 
nur das Recht hat, die Vollzichung der E. zu ver- 
langen und das Verfahren zu betreiben. Dieses 
Verhältnis besteht auch dann, wenn der Staat 
selbst oder ein Selbstverwaltungskörper als Unter- 
nehmer auftritt. Auch hier treten sich der Staat 
als Enteigner einerseits und der Staat oder der 
Selbstverwaltungskörper als Unternehmer an- 
dererseits rechtlich und tatsächlich als von einan- 
der getrennte Subiekte gegenüber. 
b) Die Rechtsstellung des Unternehmers. 
Er ist nicht der Enteigner, sondern nur das zum 
Anspruch auf Ausübung des E zu seinen Gun- 
sten berechtigte Subjekt. Aktiv tritt er bei der E. 
nur insofern auf, als er die Tätigkeit der Staats- 
gewalt durch seine Anträge in Bewegung setzt 
und das EVerf betreibt. Die Rechtswirkungen der 
E. treten, sobald der Unternehmer die erforder- 
lichen Anträge gestellt hat und die sonstigen Vor- 
aussetzungen der E. erfüllt sind, auch in Bezug 
auf seine Person ohne weiteres ein. Er erwirbt 
die von ihm begehrten Rechte nicht unmittelbar 
durch seine Tätigkeit, sondern sie werden ihm 
von der Staatsgewalt übertragen; die Entschädi- 
gung wird von der Behörde bestimmt und ihre 
Leistung ihm auferlegt. Abwehr nach Maßgabe 
der besonderen Bestimmungen des E. Gesetzes. 
— Als Unternehmer berechtigt kann ieder 
sein, der befähigt und befugt ist, ein öffent- 
liches Unternehmen, für das die E. angewendet 
werden darf, auszuführen. Dies ist in erster Linie 
der Staat selbst. Sodann alle Selbstverwaltungs-
	        
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