Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
  
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Erbschafts= und Schenkungssteuer 
  
besonders steuerfähiges Einkommen der Besteue- 
rung, welches sonst unberechtigterweise steuerfrei 
bleiben würde. Sie entsprechen damit durchaus 
den obersten Grundsätzen der Besteuerung und 
beruhen auf dem allgemeinen Besteuerungsrechte 
des Staates. Dieses trifft namentlich für die 
EsSt zu, deren Berechtigung auf diese Weise finanz- 
wissenschaftlich festzulegen ist. Die Versuche, die 
ESt als eine sozialpolitische Maßregel auf einem 
gewissen Miteigentumsrechte oder einem Miterb- 
rechte des Staates zu begründen, müssen als ver- 
sehlt angesehen werden. Die Et wird, weil sie 
einen sonst frei ausgehenden Vermögenszuwachs 
zur St heranzieht, in erster Linie als eine folge- 
richtige Ergän zung der Vermögens- 
besteuerung anzusehen sein; sie muß sich als 
solche mit mehr oder weniger Notwendigkeit in 
das Gesamtsystem einer staatlichen direkten und 
indirekten Besteuerung einreihen. 
III. Ergänzungen und Erweite- 
rungen. 
a) Steuer auf den Besitz der „tto-s 
ten Hand" (Steueräquivalent). Die 
ESt belastet ausschließlich das im Verkehre be- 
findliche Vermögen in seiner Gesamtheit, da sie 
sich an den Vermögensübergang anschließt und 
auf diese Weise das von solchem berührte Vermö- 
gen nach gewissen Zeitabschnitten stetig und voll- 
ständig erfaßt. Von einer bezüglichen Besteue- 
rung befreit, verbleibt mithin das gesamte Ver- 
mögen der sog. toten Hand im weiteren Sinne, 
wie das der Kirchen, Korporationen, Stiftungen, 
und überhaupt nichtphysischen Personen, sofern 
es sich dauernd ohne Wechsel in demselben Besitz 
erhält [Amortisationsrechts. Um nach 
den Forderungen der Gerechtigkeit dieses Ver- 
mögen mit dem im Verkehr befindlichen Vermö- 
gen gleich zu stellen, hat man eine Ausgleichs- 
abgabe (Stfequivalent, Gebührenäquivalent), 
welche nach festen Zeitabschnitten von diesem Ver- 
mögen der toten Hand oder teilweise auch nur 
von solchem unbeweglichen Vermögen erhoben 
wird, zur Einführung gebracht. Die Besteuerung 
des Deutschen Reiches kennt jedoch eine derartige 
Ausgleichsabgabe nicht. 
b) Schenkungssteuer. Aus der Natur 
der Est dürfte ohne weiteres folgen, daß sie die 
Sch von Todes wegen in der gleichen Weise wie 
den Vermögenserwerb durch Erbanfall erfassen 
muß. Eine notwendige Ergänzung der EsSt, die 
einesteils eine gleichmäßige steuerliche Behand- 
lung an sich verwandter Vermögensübergänge 
herbeiführen und andernteils einer Umgehung der 
Est wirksam vorbeugen soll, bildet die Schen- 
kungsstener, d. i. die Erhebung einer Abg von den 
Sch unter Lebenden. Die Sch St charakterisiert 
und begründet sich vollkommen übereinstimmend 
mit der Est, weshalb die obigen Ausführungen 
gleichermaßen auf sie Anwendung finden. Bei 
der inneren Uebereinstimmung und Zusammen- 
gehörigkeit beider St Arten kann es nur zweck- 
mäßig und natürlich erscheinen, wenn die Be- 
steuerung der Sch unter Lebenden nach den glei- 
chen Grundsätzen wie die des Erwerbes von Todes 
wegen geordnet wird. Letzteres Verfahren ist 
jetzt bei der einheitlichen bezüglichen Besteuerung 
durch das Deutsche Reich eingeschlagen. 
c) Das gesetzliche Erbrecht des 
Staates. 
  
Erbrechts der Blutsverwandten zugunsten des 
Staates wird in gewisser Beziehung als eine Er- 
weiterung der ESt angesehen werden können und 
ist mit letzterer in der wissenschaftlichen Erörterung 
auch entsprechend in Verbindung gebracht. Um 
ein unter gewissen Voraussetzungen eintretendes 
Erbrecht des Staates zu begründen, wird es aber 
stets materiell wie formell eines unmittelbaren 
Eingriffs in die bürgerliche Rechtsordnung bedür- 
fen; es kann sich dabei nie um eine eigentliche 
Besteuerung handeln. Auf ein derartiges gesetz- 
liches Erbrecht hier hinzuweisen, glaubten wir aber 
nicht unterlassen zu dürfen, zumal bei der großen 
Finanzreform des Deutschen Reiches von 1908/09 
ein vom By beschlossener Entw eines Gesetzes über 
das Erbrecht des Staates dem R vorgelegt wurde, 
allerdings ohne beim RT Zustimmung zu finden. 
IV. Charakterisierung nach der 
Erhebungsform. Nach der Erhebungs- 
form, je nachdem sich die Erhebung in der Form 
des Stempels oder durch unmittelbare 
Einziehung von dem Stmflichtigen voll- 
zieht, kann sich die ESt sowohl wie auch die Sch St 
entweder als eine Stempel St oder als eine 
selbständige St charakterisieren. Im allgemeinen 
bildete die Erhebung durch Stempel den Aus- 
gangspunkt; ESt und SchSt erscheinen anfangs 
meist lediglich unter der allgemeinen Stempelt. 
Daraus hat sich die selbständige Besteuerung unter 
unmittelbarer Einziehung nach und nach heraus- 
gebildet und zwar im großen und ganzen zu- 
nächst bezüglich der ESt, erst später bezüglich der 
Sch St. In der Besteuerung des Reichs ist die 
Selbständigkeit beider St Arten gewahrt; es er- 
folgt nur eine Erhebung durch unmittelbare Ein- 
ziehung von dem StPflichtigen. 
Erbschaftsgebühren sind Zah- 
lungen, die für die amtlichen Verrichtungen der 
staatlichen Behörden, sofern solche bei der Nach- 
laßregulierung Verstorbener in irgend einer Weise 
mitwirken, zu leisten sind. Sie unterscheiden sich 
grundsätzlich scharf von der ESt und stellen sich 
als reine Gebühren der Zivilverwaltung auf dem 
Gebiete der freiwilligen Gerichtsbarkeit dar. 
Folgeweise bleiben die EGebühren durch die E- 
und SchBesteuerung des Deutschen Reichs un- 
berührt; sie zu regeln ist nach wie vor Sache der 
Bundesstaaten. Durch die Reichsgesetzgebung ist 
nur bestimmt, daß das Verfahren in Eteuer- 
angelegenheiten — Sch St Angelegenheiten stehen 
dem gleich — kosten-, gebühren= und stempelfrei 
sein solle. « 
§2.Gefchichtlichecutwicklnug.l.sor 
der reichsgesetzlichen Regelung. 
a) Erbschaftssteuer. Die ESt sieht auf 
eine im Verhältnis lange Geschichte zurück. Die 
ersten Anfänge einer Besteuerung der Erban- 
fälle liegen schon bei den Aegyptern und dem- 
nächst unter der römischen Republik, während ihr 
die römischen Imperatoren bereits eine weitere 
Ausgestaltung gaben; nach längerer in den Zeit- 
verhältnissen begründeten Unterbrechung nehmen 
zunächst im 16. Jahrhundert die italienischen 
Städte die St Art wiederum auf, von wo sie im 
17. und 18. Jahrhundert zunächst in Holland, Eng- 
land und Frankreich, sodann auch in Norwegen, 
Dänemark, der Schweiz Wurzel faßte. In Deutsch- 
land kommt sie vereinzelt schon im 17. Jahrhundert 
Die Beschränkung des gesetzlichen vor, gelangt aber allgemeiner erst im 18. Jahr-
	        
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