Erbschafts= und Schenkungssteuer (Geschichtliches)
hundert in den einzelnen deutschen Staaten zur
Einführung, bei einzelnen sogar erst im 19. Jahr-
hundert. Durchweg erscheint die ESt im Anfang
in den gesetzlichen Vorschriften eng mit den Be-
stimmungen über Stempel, Gebühren, Sporteln
u#sw. verknüpft; meist bildet sie später einen Teil
der Stempelgesetzgebung entsprechend der übli-
chen Erhebungsweise durch Stempel.
Erst mit dem Preußischen G betr. die Est v.
30. 5. 73 wird die Et aus der Stempel= und Ge-
bührengesetzgebung herausgezogen und zu einer
selbständigen Ausgestaltung ge-
bracht, wie sie von da an aber in einer verhältnis-
mäßig raschen Folge auch für die große Mehrheit
der übrigen deutschen Bundesstaaten Platz greift.
Der Stand, zu welchem sich die Est in den ein-
zelnen Bundesstaaten bis zum Jahre 1890 ent-
wickelt hatte, ist in der ersten Auflage des Wörter-
buchs (1, 361 f) als der derzeit geltende eingehender
zur Darstellung gebracht, worauf wir hier lediglich
Bezug nehmen wollen. Aber auch in den folgen-
den Jahren bis zu dem 1906 stattfindenden Ein-
greifen des Reiches vollzieht sich in den meisten
Bundesstaaten noch eine weitere Entwicklung der
ESt durch neue vollständige oder nur ergänzende
gesetzliche Regelung, welche einerseits auf eine
sachgemäßere und gerechtere Ausbildung der St-
Art überhaupt, andererseits aber auch auf eine
stärkere fiskalische Ausnützung dieser St Quelle
für die Regel hinausläuft. Die durch die ESt
gegebene steuerliche Belastung stellte sich danach
in Deutschland sehr verschieden; im Jahr 1904
berechnete sich der auf den Kopf der Bevölkerung
entfallende Betrag nach dem Gesamtdurchschnitt
für das Deutsche Reich auf 0,48 Mk., während der
bezügliche Satz in den Hansestädten auf über 3 Mk.,
in Elsaß-Lothringen auf über 11½ Mk. sich erhob,
auch in Baden und Hessen immerhin über 0,75
Mark ausmachte, dagegen für Sachsen Meiningen,
Reuß ä. und j. L. und Schaumburg-Lippe nicht
einmal die Höhe von 0,20 Mk. erreichte.
Da die bezüglichen Gesetze der einzel-
nen Bundesstaaten inzwischen durch die
Reichsgesetzgebung im wesentlichen — soweit sie
in Gültigkeit verblieben, haben wir sie unten zu
berühren — außer Kraft gesetzt sind, so seien hier
die unmittelbar vor der Reichsregelung maßge-
benden EstW Gesetze der einzelnen Bundesstaaten
lediglich aufgeführt (Waldeck allein erhob keine
Erbschaftsstener):
Preußen: G v. 24. 5. 91 und 31. 7. 95;
Bayern: Gv. 18. 8. 79 (Fassung v. 11. 11. 99);
Sachsen: Gv. 13. 11. 76, 3. 6. 79 und 9. 3. 80;
Württemberga: Gv. 26. 12. 99;
Baden: Gv. 14. 6. 99:
Hessen: Gv. 22. 12. 00;
Mecklenburg-Schwerin: V v. 22. 12. 99;
Sachsen-Weimar: Gv. 22. 6. 04;
Mecklenburg-Strelitz: Vv. 11. ö. 05;
Oldenburg:
Herzogtum Cldenburg, G’v. 16. 7. 68 und 21. 3. 00;
Fürstentum Lübeck, v. 20. 7. 68;
Fürstentum Birkenfeld, G#v. 20. 7. 68;
Braunschweig: Gv. 18. 4. 76 und 10. 6. 92;
Sachsen-Meiningen: G v. 20. 5. 85;
Sachsen-Altenburg Gv. 29. 5. 79 und 18. 12. 85;
Sachsen-Coburg: Gv. 22. 12. 03;
Sachsen-Gotha: Gv. 17. 5. 02;
Anhalt: G v. 26. 3. 05;
Schwarzburg-Sondershausen: Gv. 9. 2. 92;
Schwarzburg-Rudolstadt: Gv. 6. 1. 94 (und vorhergehende);
Reuß, ält. Linie: Gv. 3. 3. 75;
Reuß, jüng. Linie: Gv. 25. 3. 05;
Schaumburg-Lippe: G v. 26. 4. 80;
Lippe: Gv. 29. 12. 69, 12. . 77, 20. 4. 97;
Lübeck: G v. 30. 11. 03;
Bremen: Gv. 7. 6. 04;
Hamburg: Gv. 2. 3. 03:
Elsaß-Lothringen: G v. 17. 6. 00.
b) Schenkungssteuer. Die Sch St zeigt
im allgemeinen einen gleichen Entwicklungsgang
wie die Et, nur daß die eigene Ausgestaltung
später einsetzt und folgeweise in engerer Begren-
zung verbleibt. Zunächst wird die Sch St aus-
schließlich unter den Stempeln und Gebühren er-
hoben, aber weniger allgemein, da eine Reihe
von Staaten die Sch überhaupt nicht besteuerten,
und meist auch insofern in einer beschränkteren
Weise, als nur besonders beurkundete Sch der St
unterworfen wurden. Ausgedehnter wurde erst
in neuester Zeit auch die Sch St aus Gebühren
und Stempeln ausgesondert und dabei für die
Regel mit der Est als eine notwendige Ergän-
zung derselben in eine mehr oder weniger enge
Verbindung gebracht. Der Stand vom Jahre 1890
ist in der ersten Auflage dieses Wörterbuchs (Art.
„Schenkungssteuer“ II 405) eingehender darge-
stellt. Die vorberührte Entwicklung hat sich dann
aber bis zum Eingreifen der Reichsgesetzgebung
fortgesetzt, so daß bei letzterem die Ausgestaltung
in den einzelnen deutschen Bundesstaaten folgen-
des Bild von größerer Mannigfaltigkeit zeigt.
Zunächst hatte ein Teil der Bundesstaaten —
Württemberg, Baden, Hessen,
Sachsen-Weimar, Sachsen-Coburg-
Gotha, Bremen — die Sch unter Leben-
den dem Erwerb von Todes wegen in der Be-
stenerung mehr oder weniger vollkommen gleich-
gestellt und meist eine bezügliche Regelung mit
dem EstWGesetz — ein Teil der Staaten wiederum
mit einzelnen Sonderheiten — verbunden, wie
teilweise schon aus der Bezeichnung der bezüg-
lichen Gesetze hervorgeht: den vorbezeichneten
Staaten schließt sich Elsaß-Lothringen
enger an, welches eine allgemeine Sch St aber
nach einem besonderen mit den EsStSätzen nicht
ganz übereinstimmenden Tarif erhob. Andre
Staaten — Preußen, Sachsen, Braun-
schweig, Sachsen-Altenburg — be-
steuerten die Sch nur, falls sie beurkundet ist, und
zwar durchweg nach den für Urkundenstempel gel-
tenden Grundsätzen beziehungsweise nach Masß-
gabe der Gesetzgebung über den Landesstempel:
diesen Staaten ist Reuß j. L. anzugliedern, das
nur eine St von den beurkundeten Sch erhob,
diese St aber mit der Est regelte. Eine Be-
steuerung der beurkundeten Sch, daneben aber
noch eine allgemeine Besteuerung derjenigen Sch,
deren Vollzug bis zum Tode des Schenkers auf-
geschoben ist, fand sich in Oldenburg. Aus-
schließlich und ohne Rücksicht auf eine Beurkun-
dung besteuerten diejenigen Sch, deren Vollzug
bis zum Tode des Schenkers aufgeschoben ist,
Bayern, Mecklenburg-Schwerin,
Mecklen burg-Strelitz, Sachsen-
Meiningen, Lübeck und Hamburg:
v. Stengel. Fleischmann, Wörterbuch 2. Aufl. 1. 47