Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
  
Kirchenregiments durch einc ev. Kirchenregierung 
vorgesehen. In allen übrigen deutschen Staaten 
besteht das landesherrliche Kirchenregiment im 
wesentlichen noch wie zur Reformationszeit mit 
dem Recht der obersten Gesetzgebung und der 
Besetzung der Kirchenämter, nur neuerdings mehr 
oder minder eingeschränkt durch die den Synoden 
eingeräumten Rechte (s. unten zu 5b). Es liegt 
aber in dieser Verbindung der ev. K. mit dem 
Staat durch die Person des Landesherrn einer- 
seits die Notwendigkeit einer bedeutenden Ab- 
hängigkeit von Staatsinteressen, andererseits eine 
Bevorzugung gegenüber anderen Religionsgesell- 
schaften, deren Vereinbarkeit mit den heutigen 
Staatsgrundlagen immerhin in Frage gestellt 
werden kann [[Kirchenhoheit)l. 
2. Die kirchenregimentlichen Aufgaben des 
Landesherrn wahrzunchmen, war Aufgabe der 
landesherrlichen Behörden. Bald wurden jedoch 
für diese Aufgaben besondere Behörden herge- 
stellt, die somit sachlich einen selbständigen kirch- 
lichen Charakter gegenüber den Staatsbehörden 
hatten, die Konsistorien, ursprünglich (seit 
1539) nur für Ehegerichtsbarkeit, später für das 
gesamte Kirchenregiment, soweit es sich nicht der 
Landesherr selbst vorbehielt (jura reservata), und 
für die ganze Kirchenverwaltung (jura vicaria). 
Solche Konsistorien wurden in der 2. Hälfte des 
16. Jahrh. allenthalben in Deutschland eingerich- 
tet, für jede Landeskirche eines oder bei größerem 
Territorialumfange auch mehrere; sie bestehen 
heute noch für sämtliche Landeskirchen, in Preu- 
zßen für jede Staatsprovinz eines (V v. 30. 4. 1815). 
Die Zusammensetzung war von Anbeginn ge- 
mischt aus Juristen und Theologen und ist dies 
heute noch; vielfach werden die Stellen im Neben- 
amt bekleidet. Den Vorsitz hat in Preußen immer 
ein Jurist (seit 1598). Durch die neueste Ent- 
wickelung haben die Konsistorien prinzipiell den 
Charakter von Staats behörden verloren, wenn 
auch denjenigen von landesherrlichen behalten 
(Zorn 366 ff; Schoen 1, 230 ff). Wegen des Ober- 
kirchenrats vgl. unten 5 4. 
Die Aufgabe der Konsistorien ist für ihren 
Bezirk die Wahrnehmung der gesamten inner- 
kirchlichen Verwaltung (jus in sacra) im Gegen- 
satz zu den kirchlichen Staatshoheitsrechten (zjus 
circa sacra), welche von Staatsbehörden wahr- 
genommen werden müssen. Eine Abgrenzung 
dieser beiden Sphären kann nur sprzialgesetich 
gegeben werden (preuß. G v. 3. 6. Vov. 
.9. 77) und ist in vielfach v. biekener Weise 
erfolgt. In einigen Staaten besteht auch heute 
noch keine Trennung (Weimar, Altenburg, Mei- 
ningen, Schwarzburg, Koburg-Gotha, Fürstent. 
Lübeck, Bremen). In Preußen steht den Konsi= 
storien auch die Ernennung der Pfarrer zu (Zorn 
369 f; Schoen 2, 75 ff). 
3. Noch vor der allgemeinen Einführung der 
Konsistorien (seit 1525) war ein anderes kirchen- 
regimentliches Amt entstanden, das der Su- 
pverintendenten (Dekan, Propst, Ephor). 
Dieses Amt wurde in der Entwickelung überholt 
durch die Konsistorien und gewann im Gegensatz 
zu letzteren als Regiments= und Verwül#mtern 
den Charakter eines persönlichen geistlichen Auf- 
sichtsamtes, dem allerdings auch einzelne gering- 
fügigere Verw Funktionen übertragen wurden. 
So besteht das Amt noch heute in den deutschen 
Evangelische Kirche (Verfassung) 
  
  
  
Landeskirchen als Ephorie, Inspektion eines kirch- 
lichen Kreises, überall in Verbindung mit einem 
Pfarramt. Viel später wurde dann über die 
Superintendenten, in den kleineren Landeskirchen 
über alle, in Preußen über diejenigen einer Pro- 
vinz, ein Generalsuperintendent ge- 
stellt, welcher in Hinsicht des persönlichen Verhält- 
nisses zur Geistlichkeit eine quasi-bischöfliche Stel- 
lung einnimmt, an den Reg= und VerwGeschäften 
in Preußen als geistlicher Direktor des Konsisto- 
riums beteiligt ist. Einige deutsche Staaten (z. B. 
Bayern) kennen dieses Amt nicht. Auch mit der 
Synodalverfassung ist das Amt der Superinten- 
denten in organische Verbindung gebracht worden. 
Dem Generalsuperintendenten obliegt die per- 
sönliche Visitation der Superintendenten und ihrer 
Pfarreien, deren Einführung und mancherorts auch 
die Ordination der Geistlichen u. a. m. (preuß. 
Kab O v. 7. 2. u. 29. 8. 1828: Instr v. 14. 5. 1829. 
Zorn 370 ff; Schoen 1, 16 ff, 277 ffgj. 
4. Schon in der Reformationszeit waren An- 
sätze hervorgetreten, welche die Kirchenverfassung 
auf der Gemeinde aufzurichten bezweckten, wie 
dies ursprünglich auch der Gedanke von Luther 
selbst war. Doch hatte dieser Gedanke in Deutsch- 
land zunächst keine Folgen. Wohl aber wurde in 
der reformierten Kirche die Verfassung 
auf der Gemeinde aufgebaut und 
zwar in der Weise, daß die Gesamtheit der Ge- 
meindegenossen sich ihr Presbyterium (con- 
Ssistoirc) wählte, welchem auch der Pfarrer kraft 
Amtes angehörte; mehrere Gemeinden konnten 
sich dann zu einem größeren Verbande zusammen- 
schließen, an dessen Spitze gleichfalls ein aus Wahl 
hervorgegangenes leitendes Kollegium (Syn- 
ode) stand, zu dessen ständiger Vertretung ein 
Ausschuß (Moederamen) bestellt wurde. Die- 
ser Verfassungstypus ist allgemein reformiert ge- 
worden und wurde von Calvin als auf biblischer 
Vorschrift beruhend dogmatisch gefaßt. In Deutsch- 
land hatten denselben die vereinzelten reformier- 
ten Gemeinden, welche nur in Nordwestdeutsch- 
land sich zu einem größeren Verbande zusammen- 
schlossen. Der Landesherr ist an dieser Verfassung 
nicht beteiligt (Zorn 159 ff). 
5. Im Zusammenhang mit politischen Bewe- 
gungen wurde im 19. Jahrh. für die ev. K. die 
Forderung prinzipieller Selbständigkeit 
gegenüber dem Staate erhoben und allgemein als 
berechtigt anerkannt, ja mehrfach verfassungs- 
mäßig garantiert (Zorn 202 ff). Dieser Grundsatz 
der Selbständigkeit hatte eine doppelte Folge: 
a) Ausgestaltung und Umbildung der Konsistorial- 
verfassung, b) Einführung der Synodalverfassung. 
Nur wenige Landeskirchen verhielten sich dieser 
Bewegung gegenüber völlig ablehnend, so daß 
jetzt in Deutschland fast allenthalben eine ver- 
einigte konsistorial-synodale Ver- 
fassung vorhanden ist (über die historischen An- 
knüpfungspunkte Zorn 156 ff; über das geltende 
Recht Schoen 1, 412 ff). [Rirchengemeinde.] 
a) Die Konsistorialverfassung wurde grundsätz- 
lich dahin umgebildet, daß eine sorgsame Ab- 
grenzung im einzelnen erstrebt wurde zwischen 
dem kirchenrechtlichen Wirkungskreis der Konsi= 
storien und dem staatskirchenrechtlichen der staat- 
lichen Verw Behörden (s. oben unter 2). 
Ueberdies wurden in den größeren Landes- 
kirchen selbständige kirchliche Zen-
	        
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