Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
  
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Exterritorialität 
  
personal dagegen nur, soweit es nicht im Emp- 
fangsstaat staatsangehörig ist; sie erstreckt sich auch 
auf Wohnungen, Wagen und Hausgeräte, endlich 
auf Sendungen, die ankommen und abgehen. Die 
Wirkung des Privilegs beginnt mit dem amtlich 
angekündigten Eintritt in die Grenzen des Emp- 
fangsstaates. Die E. ist ein Privileg, welches der 
Empfangsstaat dem diplomatischen Personal eines 
anderen Staates aus amtlichen Rücksichten bei 
sich gewährt. Daraus ergibt sich notwendig die 
Begrenzung auf diesen Staat; ein fremder 
Staat (z. B. bei kriegerischer Okkupation) braucht 
das Privileg nicht zu respektieren und es ist be- 
grifflich in einem fremden Staate, z. B. bei Durch- 
reise, Landaufenthalt u. dgl., nicht vorhanden. 
Die Gewährung von Privilegien in solchen Fällen 
ist Sache des freien Beliebens. — Das Asyl- 
recht, zu welchem in früheren Zeiten die E. 
der Gesandten für ihre Amtsräume, ja sogar für 
ein größeres Gebiet, vielfach das ganze Stadt- 
viertel (Quartierfreiheit), gesteigert worden war, 
ist jetzt überall beseitigt. 
Die E. der Gesandten Pläßt sich in ihren einzel- 
nen Bestandteilen nur aus der Gesetzgebung der 
einzelnen Staaten ableiten. Zu eng ist es, die E. 
(wie Gesscken und Beling es tun) bloß auf die Be- 
freiung von der Gerichtsbarkeit zu beziehen. Die 
deutsche Gesetzgebung kennt ein E. Privileg be- 
züglich der Gerichts= und der Finanz- 
gewalt. Das sog. Kapellenrecht der 
Gesandten, d. h. die Befugnis derselben, in eige- 
ner Kapelle den Gottesdienst ihrer Konfession 
auszuüben, war in früheren Zeiten von größter 
Wichtigkeit, ist aber seit der Anerkennung der all- 
gemeinen Kultusfreiheit bedeutungslos gewor- 
den. Kein besonderer Vorzug der Gesandten ist 
ihre häufig aufge führte persönliche Unverletzlich- 
keit, da heute jedermann hierauf Anspruch erhe- 
ben kann; doch hat sich daraus ein erhöhter 
strafrechtlicher Schutz (gegen Beleidi- 
gung) entwickelt (St GB K 104). 
Die Gesandten, einschließlich des oben bezeich- 
neten Personals, sind befreit von der 
Zivil= und Strafgerichtsbarkeit 
des Deutschen Reiches (GVG KF 18—20) und 
unterstehen der Gerichtsbarkeit ihres eigenen 
Staates nach Maßgabe des hierfür geltenden 
Rechtes (für die deutschen Gesandten im Ausland 
s. RBeamten G v. 18. 5. 07 5 21). 
Dieses Privileg ist für die Strafgerichts- 
barkeit ein absolutes, weil „omnis coactio 
abesse debet a legato'“; für die Zivilge- 
richtsbarkeit beruht es insofern auf dem 
Willen der exterritorialen Personen, als die Er- 
hebung einer Klage und die Einlassung auf eine 
solche (hierzu Martens-Bergbohm, Völker R. 2, 
56) als statthafte Unterwerfung unter die inlän- 
dische Gerichtsbarkeit in allen Instanzen erscheint. 
In Bezug aus Immobiliarstreitigkeiten ist eine Be- 
freiung von der inländischen Gerichtsbarkeit nicht 
anerkannt (GV 5.20, B8PO 5 24). Die Be- 
freiung von der Gerichtsbarkeit schließt die Be- 
freiung von der Zeugnispflicht in sich. Ist ein 
fremder Gesandter deutscher Staatsangehöriger, 
was möglich ist, so hängt die Befreiung von der 
Gerichtsbarkeit von der Zustimmung desienigen 
Staates ab, dessen Staatsangehörigkeit der Ge- 
sandte besitzt (GV.G 8S8 18, 19). Auf kaufmännische 
oder gewerbliche Geschäfte, welche der Gesandte 
  
——.0 — — — —— — — — — 
  
  
neben seinem Amte bekleidet, bezieht sich die Be- 
freiung nicht (vgl. RBBeamten G § 16).— Eigene 
Gerichtsbarkeit über ihr Personal haben die frem- 
den Gesandten heute grundsätzlich nicht mehr. 
Die Befreiung von der staatlichen Finanz- 
gewalt umfaßt kraft Gewohnheitsrechts alle di- 
rekten persönlichen staatlichen und kommunalen 
Steuern und Abgaben (preuß. Eink St G 19. 6. 06 
&3, Komm Abg G 14. 7. 93 5 40), ferner Quartier- 
und Naturalleistung im Frieden (G v. 25. 6. 68 
&4“, Gv. 24. 5. 98 55P 3, 5), aber nicht im Kriege. 
Den beim Reiche beglaubigten Gesandten wird 
unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit auf 
Rechnung des Reichs für ihr Anzugsgut sowie für 
alle Gegenstände, welche zu ihrem oder ihrer 
Familienglieder persönlichen Ver= oder Gebrauch 
vom Ausland eingehen, Zollfreiheit gewährt 
(Bek des RK v. 20. 11. 02, R8 Bl 409). Ebenso 
bleiben Wappenschilder, Flaggen und andere 
Gegenstände, die von fremden Regierungen ihren 
in Deutschland bestellten Vertretungen zum 
dienstlichen Gebrauche zugesendet werden, unter 
der Voraussetzung der Gegenseitigkeit vom Zolle 
befreit (Zolltarifch v. 25. 12. 02, Roal 303, 
§&# 6 Z. 13). Ueber etwaige Be freiung der Ge- 
sandten von Gebühren lassen sich allgemeine Re- 
geln nicht aufstellen. 
2. Die im Deutschen Reiche angestellten Kon- 
fuln unterstehen der deutschen Zivil= und Straf- 
gerichtsbarkeit, sofern nicht in Staatsverträgen 
des Reichs Vereinbarungen über ihre Befreiung 
getroffen sind (GVG 5 21). Sie sind daher grund- 
sätzlich auch der Zeugnispflicht unterworfen. Bis- 
weilen wird diese Verpflichtung noch ausdrücklich 
festgesetzt. Dagegen bleiben die Konsuln unter 
Voraussetzung der Gegenseitigkeit in der Regel 
von direkten Steuern und Abgaben sowie von per- 
sönlichen Leistungen befreit. Dem Interesse un- 
gehinderter Ausübung ihres Amtes dient endlich 
die häufig besonders garantierte Unverletzbarkeit 
des Konsulararchivs und der Amtsräume des 
Konsuls. 
Eine außerordentliche privilegierte Rechts- 
stellung nehmen die sog. Jurisdiktions- 
konsuln in nichtchristlichen Staaten ein. Sie 
genießen mitsamt ihren Familien und ihrem Ge- 
schäftspersonal nicht nur die gleichen E. Rechte 
wie die Gesandten, sondern außerdem noch eine 
Reihe besonderer Vorrechte, insbesondere eine 
selbständige Polizeigewalt und eine eigene Zivil- 
und Strafgerichtsbarkeit (Konsulargerichtsbarkeit) 
RKonsulnj. 
* 3. Staatsoberhäupter und fremde Staaten. 
Nach völkerrechtlichen Grundsätzen enthalten sich 
die Staaten der Ausübung der Staatsgewalt 
gegenüber den fremden Staaten, den mit ihrer 
Genehmigung in ihrem Gebiete sich aufhaltenden 
fremden Staatsoberhäuptern, den die Staats- 
gewässer durchfahrenden Kriegsschiffen bezw. den 
das Staatsgebiet durchziehenden fremden Trup- 
pen. 
1. Die Frage, ob ein fremder Staat der in- 
ländischen Staatsgewalt, insbesondere der in- 
ländischen Gerichtsbarkeit unterstellt werden könne, 
ist streitig. Einige Autoren unterscheiden dabei, 
ob der fremde Staat im einzelnen Falle als Fis- 
kus oder als Subjekt von Hoheitsrechten auftritt. 
IZm ersteren Falle bejahen, im zweiten Falle leug- 
nen sie die Möglichkeit, daß der fremde Staat auch
	        
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