66 Agrargesetzgebung (Preußen)
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auch vielfach vorkam, zeigte gegenüber dem heute
damit verbundenen Begriff keine erheblichen Ab-
weichungen.
War hiernach der Gutsbesitzer zwar der Herr
des Bauernlandes, so war er doch in der Verfü-
gung darüber dadurch beschränkt, daß kein Bauern-
acker zum Rittergute eingezogen werden durfte,
daß er vielmehr im Falle der Erledigung des Be-
sitzes wieder mit einem Bauern, Kossäten, Häusler,
Gärtner usw. besetzt werden mußte. Das ganze
18. Jahrhundert ist erfüllt mit einem Kampfe zwi-
schen den Landesherrn und den Gutsherren wegen
der Befugnis der letzteren über den Grund und
Boden zu verfügen. Während die Gutsherren
eine nahezu völlig freie Verfügungsbefugnis be-
anspruchten, war die Sorge der Landesherren
darauf gerichtet, die bestehenden Bauernstellen in
ihrer Selbständigkeit einesteils als getrennte für
sich bestehende, andernteils als geschlossene und
unteilbare Ganze zu erhalten. Es hing das z. T.
mit der Steuerverfassung zusammen, indem die
Kontribution (Generalhufenschoß) nur von den
bäuerlichen Grundstücken, nicht aber auch von dem
gutsherrlichen Lande zu entrichten war. Die Ein-
ziehung bäuerlichen Landes zum Gutslande, das
„Bauernlegen“ wurde daher immer wieder unter-
sagt und immer wieder die Wiederherstellung und
Wiederbesetzung der bäuerlichen Nahrungen an-
geordnet (vgl. ALK II 7 & 14).
Die Gutsherren betrieben eigene Gutswirt-
schaft, sei es, daß sie ihr selbst vorstanden, sei es,
daf#sie sie verpachtet hatten. Aber auch die Bauern
wirtschafteten selbständig. Das zu den verschiede-
nen Besitzungen gehörige Land lag nicht etwa
geschlossen und im räumlichen Zusammenhange,
sondern mit dem der andern Besitzer im Gemenge:
zutsherrliches und bäuerliches, Dominial= und
stikalgrundstücke durcheinander zerstreut. An
Wegen in der Flur mangelte es fast gänzlich, die
Bewirtschaftung war daher in hohem Maße er-
schwert und nur durch die herrschende, seit Jahr-
hunderten gebräuchliche Feldgemeinschaft, den
„Flurzwang“ möglich. Die sämtlichen nahe beim
Dorfe belegenen Ackerländereien, die sog. Flur,
waren der fast ausschließlich geltenden Dreifelder-
wirtschaft gemäß in 3 Teile — Felder — eingeteilt,
von denen abwechselnd der eine ausschließlich mit
Winterfrucht, der andere mit Sommerfrucht bestellt,
der dritte aber als Brache genutzt wurde. Im fol-
genden Jahre wechselte die Bestellung. Die weiter
von der Dorflage entfernten, durchgehends schlech-
teren Ländereien wurden mehr zur Viehweide,
vereinzelt auch zum Anbau von Roggen benutzt.
Ein kleiner Teil des Ackers war eingezäunt (Feld-
gärten, Wörten, Wurten) und unterlag nicht dem
Flurzwange, sondern diente sowohl zum Gemüse-
bau, als auch zum Ackerbau. Zur Gemarkung ge-
hörte außer dem Acker der Regel nach ungeteiltes
Land, namentlich Weiden, Wiesen und Wald. Die
Nutzung dieser „Gemeinheiten" geschah
stets gemeinschaftlich: übrigens unterlag auch
durchgehends der Acker von der Ernte bis zur
Wiederbestellung gemeinschaftlicher Beweidung.
Bei den Gemeinheiten wurden in einigen Gegen-
den die sog. Allmenden von den cigentlichen
„Gemeinheiten“, „gemeinen Marken“ unterschie-
den. Unter letzteren verstand man dann dasienige
nicht angebaute unkultivierte Land, das zwischen
mehreren besiedelten Gemarkungen belegen war
und an dem den Einwohnern mehrerer Ge-
meinden Nutzungsrechte zustanden, im Gegensatze
zu der Allmende, die ebenfalls Land der bezeich-
neten Art war, aber im Gemeineigentum einer
Genossenschaft oder einer Gemeinde stand.
In Norddeutschland war allerdings das Wort
Allmende weniger bekannt, kannte man vielmehr
vorzugsweise „Gemeinheiten"“. Wie übrigens
hier bemerkt sein mag, sind die Allmenden und
Gemeinheiten in späterer Zeit in einigen Gegen-
den Eigentum der politischen Gemeinden (Käm-
mereivermögen) geworden, in andern Gegenden
wurden sie dagegen in der Weise als sog. Bürger-
vermögen in Anspruch genommen, daß jedes Mit-
glied der Dorfgemeinde als solches ein verhält-
nismäßiges Anteilsrecht daran hatte (Realge-
meinde). 1 Gemeindevermögen, Gemeinheits-
teilung.)
Der Gutsherr betrieb seine Wirtschaft nicht so
sehr mit dauernd und ausschließlich angenomme-
nem Gesinde, als durch Dienste, zu denen ihm die
Bauern in mannigfachster und ausgedehntester
Art verpflichtet waren. Zu unterscheiden waren
dabei namentlich Land- und Spanndienste
(Scharwerk, Robot, Frohnen), je nachdem zu ihrer
Ausführung ein Gespann (Zugpferde oder Zug-
ochsen) nötig war. Die rechtliche Grundlage des
dieserhalb bestehenden Verhältnisses lag teils im
privaten, teils im öffentlichen Recht, wenngleich
dieser Unterschied nicht immer klar hervortritt und
nirgends scharf abgegrenzt ist. In privatrechtlicher
Beziehung kommt in Betracht, daß bei der Be-
setzung der bäuerlichen Stellen als Gegenleistung
für die Ueberweisung der Stellen dem Ueberneh-
mer die mannigfachsten Dienste und Leistungen
auferlegt wurden oder auch von ihm gewohnheits-
mäßig zu leisten waren. In öffentlich-rechtlicher
Beziehung ergaben sich vielerlei Beziehungen aus
dem Untertanenverhältnis zum Gutsherrn. Der
Bezirk des herrschaftlichen Gutes war gleichzeitig
der kleinste Verwaltungsbezirk im Staate, der
Gutsherr war die Obrigkeit der in seinem Bezirk
Wohnenden; ihm stand auch die Patrimonial-=
gerichtsbarkeit und die Pol Verw zu. Der Regel
nach konnte nur ein Adeliger Gutsbesitzer sein
(daher „Rittergüter"); er war ein „freier Mann“
im Gegensatz zu seinen Untertanen, den „hörigen
Leuten“. Nicht der Besitzer eines jeden Gutes
hatte als solcher Untertanen, diese Eigenschaft war
vielmehr nur mit bestimmten Gütern nach ihrer
geschichtlichen Entwickelung verbunden. Unter-
tanen waren der Regel nach nicht nur die Bauern,
sondern auch die übrige ländliche Bevölkerung des
Gutsbezirkes; nicht etwa der Besitz von Grund und
Boden oder eine bestimmte Größe oder Art dieses
Besitzes war hierfür entscheidend: es gab Unter-
tanen ohne jeglichen Grundbesitz, aber auch Unter-
tanen, die völlig freie Eigentümer ihres vielleicht
großen Grundbesitzes waren. Die Untertanen
hatten der Herrschaft den Untertaneneid zu leisten,
sie schuldeten ihr Treue, Ehrfurcht und Gehorsam.
Als Folge davon ergab sich namentlich der völlige
Mangel der Freizügigkeit: der Untertan
durfte ohne Erlaubnis des Herrn das Gut nicht ver-
lassen, er war schollenpflichtig, glebae adscriptus;
hinsichtlich der Eingehung einer Ehe, der Ver-
wertung seiner Arbeitskraft, der Vererbung seiner
Rechte u. dgl. m. war er an die Genehmigung
seiner Herrschaft gebunden, dieser stand sogar ein