Agrargesetzgebung (Preußen) 69
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die Dritten darauf zustehen und aus Fideikommis-
sen, Majoraten, Lehnsverband, Schuldverpflich-
tungen, Servituten u. dgl. m. herrühren, dadurch
verletzt werden (dazu a 76 und 77 der Deklara-
tion v. 29. 5. 1816). Damit waren also alle bis
dahin noch bestandenen Einschränkungen der Ein-
ziehung und Zusammenlegung bäuerlicher Stel-
len — vorbehaltlich jedoch der etwaigen aus Pri-
vatrecht sich ergebenden Ansprüche — beseitigt.
Auch die zahlreichen Vorkaufs-, Näher= und Re-
traktrechte an Grundstücken wurden ausgehoben.
Zum Teil geschah das bereits durch das Edikt v.
9. 10. 1807 § 3, zum größeren Teil jedoch erst durch
das Reallastenablösungs G v. 2. 3. 50 82 Nr. 6 u. 54.
Dieses hielt nur noch das Vorkaufsrecht der Mit-
eigentümer zu ideellen Teilen und das Retrakt-
recht der Miterben nach rheinischem Zivilrecht auf-
recht; von diesen ist ersteres inzwischen durch das
BGB beseitigt worden, während letzteres sich
gemäß 2034 Abs 1 BGB nicht auf einzelne
achlaßsachen, sondern auf den Anteil an einer
Erbschaft bezieht, mithin für das Agrarrecht eben-
falls ausscheidet. Umgekehrt hat dagegen die
neuere Gesetzgebung eine Anzahl anderweiter
gesetzlicher Vorkaufsrechte wieder eingeführt,
nämlich
a) das Berg G v. 24. 6. 65 F 141 Abs 2:
b) das Enteignungs G v. 24. 6ö. 75 557 Abs/2, 3;
) das G betr. das Anerbenrecht bei Renten= und
Ansiedelungsgütern v. 8. 6. 96 (GS 124) 927 und
das G betr. das Anerbenrecht in Westfalen usw.
v. 2. 7. 98 (GS 139) 3 33, das Vorkaufsrecht
der anerbenberechtigten Miterben (aufrecht er-
halten durch a 64 EG#z. BG).
Außerdem ist durch a 59 EG z. BGB das in der
Provinz Hannover vorkommende, auf den statu-
tarischen Bestimmungen der Ritterschaft des Her-
zogtums Bremen beruhende Vorkaufs= und Re-
traktrecht der Agnaten an den ritterschaftlichen Erb-
stammgütern (§ 3 des G v. 24. 12. 72, GS 1873,
2) aufrecht erhalten.
Von den gesetzlichen Vorkaufsrechten sind die
durch Vertrag begründeten wohl zu unterscheiden.
Solche können sowohl als persönliche, wie auch als
dingliche rechtswirksam bestellt werden, letztere
durch Einigung und Eintragung im Grundbuch
nach näherer Maßgabe der Bestimmungen des
B (58 1094—1104); ebenso ist für Renten-
güter die Bestellung eines dinglichen Wiederkaufs-
rechtes zulässig (pr. AG z. BG B a 29).
Auch die aus dem Lehnrecht sich ergeben-
den Beschränkungen des Grundeigentums wur-
den beseitigt. Das Edikt v. 9. 10. 1807 ((9) er-
möglichte nur eine Abänderung oder Aufhebung
des Lehnsverbandes; das die Vu a 40 u. 41 er-
setzende G v. 5. 6. 52 (G 319) untersagte aber
die Errichtung von Lehen, und stellte die Auflösung
der in Bezug auf die vorhandenen Lehen noch be-
stehenden Lehensverbände in Aussicht. Thron-
lehen (nämlich die schlesischen Fürstentümer
Sagan, Oels, Troppau, Jägerndorf, das in Posen
belegene Fürstentum Krotoschin, die Lehen der
mediatisierten Fürsten und Grafen Stolberg, Witt-
enstein, Hohen-Solms, Solms-Braunfels und
ied) und die außerhalb des Staates liegenden
Lehen blieben von diesen Bestimmungen ausge-
nommen. Die verheißene Auflösung des Lehns-
verbandes ist erfolgt in Ostpreußen durch G v.
16. 3. 77 (GS 101), in der Kur-, Alt= und Neu-
mark durch G v. 23. 7. 75 (GS 537), in Alt-, Vor-
und Hinterpommern durch die G v. 4. 3. 67 (GS
362) und v. 27. 6. 75 (GS 406), in Sachsen und
den vormals sächsischen Teilen der Provinz Bran-
denburg durch die G v. 28. 3. 77 (GS 111), 10. 3.
80 (G 215) u. v. 20. 4. 83 (GS# 61), in Schlesien
durch Gv. 19. 6. 76 (GS 238), in Westfalen durch
Gv. 3. 5. 76 (GS 112), in Lauenburg durch G
v. 8. 3. 76 (Wochenblatt 69). Für Hannover vgl.
die hannoverschen G v. 13. 4. 36 (hannov. GS
Abt. I, 33), v. 19. 7. 48 und v. 24. 1. 51, abgeän-
dert durch das preuß. Gv. 13. 4. 87 (GE 115)
und den AE v. 29. 8. 84 (GS 341). Die VL a#40
hatte auch die Errichtung von Familien-
Fideikommissen untersagt und die Auflö-
sung der bestehenden angeordnet. Durch G. v.
5. 6. 52 (GS 319) ist diese Bestimmung aber wie-
der aufgehoben. Ein das wenig übersichtliche
Fideikommißrecht neu ordnendes Gesetz ist seit
lingerer Zeit in Vorbereitung. [J Fideikom-
missel.
8 5. Teilbarkeit der Grundstücke. In weiterer
Ausführung der durch das Edikt v. 9. 10. 1807 + 4
bereits zugelassenen, späterhin auch durch die VU
(a 42 u. Gv 14. 4. 56, GS 353) gewährleisteten
freien Teilbarkeit des Grundeigentums war noch
erforderlich, Bestimmungen zu treffen, daß nicht
aus der dabei erforderlich werdenden andern Ord-
nung der Gemeinde-, Kirchen- und Schulverhältnisse
und der privaten Belastungen unüberwindliche
Schwierigkeiten erwuchsen. Hier hat die spätere
Ggebung wiederholt erleichternd und ordnend
eingegriffen. Ueber die in solchen Fällen erfor-
derliche Regelung der öffentlich-rechtlichen Ver-
hältnisse, sowie über die Verteilung der öffent-
lichen Abgaben verhält sich das an die Stelle des
Gv. 3. 1. 45 (GS 25) getretene G betr. die Ver-
teilung der öffentlichen Lasten bei Grundstücks-
teilungen und die Gründung neuer Ansiedlungen
in den Provinzen Preußen, Brandenburg, Pom-
mern, Posen, Schlesien, Sachsen und Westfalen
v. 25. 8. 76 (GS 405) mit der dazu ergangenen
Novelle v. 10. 8.04 (GS 222). Entsprechende Ge-
setze sind ergangen für Hannover unter dem 4. 7. 87
(GS 324), Schleswig-Holstein unter dem 13. 6. 88
(GS#243) und Hessen-Nassau unter dem 11. 6. 90
(GS 173). [JAnsiedlungen .
Hinsichtlich der privaten Belastungen kommt in
Betracht, daß die Gläubiger an sich einer Teilung
nicht widersprechen können; jedes der Teilgrund-
stücke bleibt aber für die ganzen Schulden des
Stammgrundstücks verhaftet, eine Löschung kann
der Regel nach nur durch eine Mitwirkung der
Gläubiger bewirkt werden, die vielfach mit unver-
hältnismäßigen Schwierigkeiten, Weitläufigkeiten
und Kosten verbunden ist. Hier Erleichterung zu
verschaffen, ist die Aufgabe der sog. Unschäd-
lichkeitszeugnisse. Ursprünglich zur Er-
möglichung von Erbverpachtungen eingeführt
(Edikt v. 9. 10. 1807 5 5) erhielten sie ihre jetzige
erweiterte Bedeutung durch die für die alten Pro-
vinzen erlassenen G v. 3. 3. 50 (GS 145) und v.
27. 6. 60 (GS 384). Diese G wurden in den Reg-
Bez. Kassel ausschließl. der vormals großherzoglich
hessischen Gebietsteile und in die hohenzollernschen
Lande durch G v. 15. 4. 84 (GS 1135), in die Pro-
vinz Schleswig-Holstein durch Gv. 22. 4. 86 (GS
139) und in das Gebiet des rheinischen Rechts
durch Gv. 12. 4. 88 (GS 52) eingeführt. Im we-