Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
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Fiskus (Ersatzpflicht) 
  
werden können, eine Schadensersatzklage gegen 
den Staat wegen Unterschlagung der bei einem 
Hilfsbeamten hinterlegten Gelder zurückgewiesen. 
Daraus erklärt sich nun auch die Tatsache, daß 
nach deutschem Rechte die von den Vertretern 
des F. vorgenommene Beräußerung staat- 
lichen Verwaltungsvermögens über- 
all, und staatlichen Finanzvermögens in einzel- 
nen Partikularrechten als durchaus rechtsgültig 
betrachtet wird (S. Hatschek, Die rechtliche 
Stellung des F. im Preußischen Verwirch Bd.7 
§# 2 und die dort Zitierten), selbst wenn sie 
wider das Staatsbudget, die Dienstinstruktion. 
u. a. m., jedoch unter den oben ausgeführten Vor- 
aussetzungen (insbesondere einer bona fides des 
Dritten, der dem F. im bürgerlichen Rechtsver- 
kehre begegnet, und zwar einer bona fides, die 
sich auf Verkehrsanschauung stützt) vorgenommen 
worden ist. Das muß m. E. als ein bedeutsames 
Argument gegen die Bekämpfer des Dualismus 
von Staat und F. gelten. Wenn nämlich, wie im 
französischen Rechte, der F. eben nur der Staat 
in Privatrechtsverhältnissen, also ein Privat- 
rechtssubjekt von Fall zu Fall wäre, so müßte 
auch, wie dies im französischen Rechte der Fall. 
ist, jedes wider das Staatsbudget, die Dienst- 
instruktion u. a. m. vorgenommene Rechtsgeschäft 
ungültig sein. 
2) Für das Prozeßrecht verlangen 
das Gesetz (5 8 B8PO) und die Praxis (Ro 8, 
404; 8, 1; 15, 38; 20, 148 ff) allerdings, daß die 
Vertretung des F. genau nach den darauf bezug- 
nehmenden (s. weiter unten &+ 4) Vorschriften, 
wobei auch Dienstinstruktionen maßgebend sein 
können, erfolge. « 
III. Die Handlung muß die eines bestimm- 
ten, in der Klage genau bezeichneten Vertreters 
sein. Ein Klaganspruch auf Entschädigung ist dann 
nicht gegeben, wenn nur im allgemeinen der F. 
(3. B. für nicht gehöriges Bestreuen einer Eisfläche) 
verantwortlich gemacht wird, ohne daß die zum 
Bestreuen verpflichtete Person angegeben werden 
kann (R# 45, 169). 
IV. Die Handlung des Vertreters muß eine solche 
sein, die diesen zum Schadensersatz ver- 
pflichtet. Das ist der Fall, wenn er in seiner 
Eigenschaft als Vertreter, sodann wenn er, wie 
jedes andere Individuum, Schaden anrichtet. 
1) Der Vertreter haftet gemäß & 179 BG#, 
wenn er dolos oder kulpos seine Vertretungs- 
macht nicht nachweist und einen Vertrag über die 
Grenzen seiner Vertretungsmacht hinaus ab- 
schließt (§ 179 Abs 1 u. 2) oder sonst als falsus 
procurator einen Vertrag abschließt (arg. § 179 
Abs 1) und der Vertretene die Genehmigung 
verweigert. Nach 3 179 B # ist der Vertreter 
für den dadurch entstehenden Schaden haftbar, 
wenn nicht 3 179 Abs 3, d. h. das Wissen oder 
Wissenmüssen des kontrahierenden Dritten, als 
Entschuldigung dienen kann. Nach § 89 Abs 1 
B (in Zusammenhang mit 5 31 BGB) wird 
auch der Fiskus haften müssen, 
wenn er es nicht vorziehen sollte, den abgeschlosse- 
nen Vertrag zu ratifizieren. Praktisch wichtig 
wird diese Haftbarkeit des F. dann werden, wenn- 
das partikularrechtliche Staatsrecht ausdrücklich 
jede Veräußerung von staatlichem Finanzvermö- 
gen oder jede Darlehensaufnahme zu Lasten des 
Staates für ungültig erklärt, sofern sie nicht durch 
  
Gesetz erfolgt. Hier wird der F. nicht ratifizieren 
können oder nicht ratifizieren wollen und wird 
eben für den Schaden aufzukommen haben, den 
man als negatives Vertragsinteresse zu bezeichnen 
pflegt. Natürlich wird auch die Haftung des F. 
ebenso wie die des Vertreters im Falle des § 179 
Abs 3 BGB ausgeschlossen sein. 
2) Der Vertreter des F. haftet wie jedes andere 
handlungsfähige Individuum gemäß §823 BG, 
und daher auch der Fiskus. 
a) Also wenn der fiskalische Vertreter gegen 8 823 
Abs 1 verstößt. Bloße Reflexwirkungen objektiven. 
öffentlichen Rechts, wie z. B. der Gemeingebrauch, 
fallen nicht unter den Schutz des §& 823 Abs 1. 
Daher wird auch hier die Frage, ob die Anlie- 
ger einer öffentlichen Straße (oder 
auch an öffentlichen Flüssen, RG # 64, 27) für 
die an dieser vorgenommenen Veränderungen 
entschädigungsberechtigt sind, für gewöhnlich zu 
verneinen sein, es wäre denn, daß zugleich Privat- 
rechte, z. B. das Nachbarrecht, verletzt würden 
(Anschütz 111 ff; siehe aber Dreyer im Verwüärch 
17, 195 ff). Daher haftet der Eisenbahn F., „wenn 
durch die Anlagen der Bahn und die demnächstige 
Gestaltung der örtlichen Verhältnisse in unge- 
wöhnlicher Weise schädigende Einwirkung auf die 
angrenzenden Grundstücke sich ergebe“ (Rö 
53, 25). 
So ist auch der Staat als F. verantwortlich, 
wenn sein Schiff, das Wasserkorrektionsarbeiten 
dient, an einen fremden Dampfer anrennt und 
ihn zum Sinken bringt (Ro# 34, 38), aber nicht 
wenn sein Schiff ein Zollkutter ist (Re 32, 196). 
Auch wenn ein Schiff infolge unvollkommener 
Ausübung der Wasserpolizei an alten Pfählen in 
Flüssen festgerät (RG#Z 40, 300). So ist der Staat 
auch als Eisenbahn F. verantwortlich, wenn ein 
Eisenbahnbeamter in Ausübung des Eisenbahn- 
polizeireglements Ordnungsstrafen oder Verhaf- 
tung unrechtmäßig verhängt, oder wenn ein Be- 
amter einen Passagier, der einen schon in Bewe- 
gung befindlichen Zug zu besteigen versucht, daran 
verhindert und ihm hierbei Schaden zufügt 
(Seuffert Bd. 48 Nr. 244; siehe auch R 31, 
256). So wird der Staat als F. in Anspruch ge- 
nommen, wenn durch mangelhafte Bauführung 
staatliche Kurhallen (Norderney) einstürzen und 
jemand beschädigen (Re 31, 246), nicht aber, 
wenn die staatliche Straßenpolizeiverwaltung einen 
Baukonsens unrechtmäßig zurückzieht, denn durch 
die Erteilung der polizeilichen Bauerlaubnis er- 
langt der Bauunternehmer kein „unwiderrufliches 
unentziehbares Recht“ (R3 34, 243). 
Die Handlung des fiskalischen Vertreters muß 
als widerrechtlich bezeichnet werden kön- 
neun. Demnach werden beinahe alle Notstands- 
handlungen (bloßes Einwirken auf fremdes 
Eigentum 1 904 BGB) der Polizei, sofern 
diese auch als Vertreter des Fiskus in Betracht 
kommt (Wasser-, Wege= und Eisenbahnpolizei), 
den Staat zivilrechtlich verantwortlich machen, 
abgesehen von der eventuell damit konkurrierenden 
öffentlichen Entschädigung (Biermann, Privat- 
recht und Polizei 189 ff). Hier wird meistens der 
Fall eintreten, daß rechtmäßige Ausübung 
der Staatsgewalt zum Schadensersatze ver- 
pflichtet (so z. B. der Fall des § 904 BGB. Auch 
die Prot 2. Lesung 523 haben diese Fälle vor 
Augen). Die Notstandshandlung kann vom Stand-
	        
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