70 Agrargesetzgebung (Preußen)
sentlichen übereinstimmende Vorichriften wurden
für Hannover durch das G v. 25. 3. 89 (GS 65)
gegeben und durch G. v 19. 8. 95 (GS 481) auf
das Gebiet von Frankfurt a. M. und auf die vor-
mals großherzoglich hessischen Gebietsteile der
Provinz Hessen-Nassau und die Insel Helgoland
ausgedehnt. Für das Geltungsgebiet des G v.
3. 3. 50 und für das 1890 vorhandene Geltungs-
ebiet des G v. 25. 3. 89 gelten außerdem die
orschriften des G v. 15. 7. 90 (GS 226). Durch
das AG# z. BGB a 19 wurden alle diese Vorschrif-
ten aufrecht erhalten und noch in einzelnen Punk-
ten erweitert; die grundbuchmäßige Behandlung
der Unschädlichkeitszeugnisse wurde durch das A##
z. BGB v. 26. 9. 99 (GE 307) a 20 neu und ein-
heitlich geregelt. Auf Grund der in diesen G ent-
haltenen Bestimmungen ist jeder Grundeigen-
tümer, sowie jeder Lehns= und Fideikommiß-
besitzer befugt, einzelne Gutsparzellen (ländlicher
oder städtischer Grundstücke) gegen Kapital oder
Rente auch ohne Einwilligung der Lehns= und
Fideikommißberechtigten, Hypotheken= und Real-
gläubiger zu veräußern, sofern bei landschaftlich
beliehenen Gütern die Kreditdirektion, bei andern
die Auseinandersetzungsbehörde bescheinigt, daß
die Abveräußerung den gedachten Interessenten
unschädlich sei. Unter derselben Bedingung ist
auch die Vertauschung einzelner Gutsparzellen
gegen andere Grundstücke und ebenso auch die un-
entgeltliche Veräußerung zu öffentlichen Zwecken
zulässig. Ein solches Unschädlichkeitszeugnis darf
nur erteilt werden, wenn das Trennstück im Ver-
hältnis zu dem Hauptgute von geringem Wert und
Umfang ist und wenn — mit Ausnahme der un-
entgeltlichen Abveräußerungen zu öffentlichen
Zwecken — die auferlegte Geldabgabe oder das
verabredete Kaufgeld den Ertrag oder den Wert
des Trennstücks erreicht. Wenn die Belastungen,
von denen das Trennstück befreit werden soll,
noch auf anderen Grundstücken desselben Eigen-
tümers haften, wird die Gesamtheit der belasteten
Grundstücke als Hauptgrundstück behandelt. Auch
für die Abveräußerung größerer Trennstücke
zum Zwecke der Begründung von Renten-
gütern kann das Unschädlichkeitszeugnis dann
erteilt werden, wenn nur die Sicherheit der Real-
berechtigten dadurch nicht vermindert wird (Gv.
27. 6. 90, GS 209 51 Abs 5). Bei unentgeltlichen
Abtretungen zu öffentlichen Zwecken — zu Wege--,
Straßen-Anlagen usw. — darf das Unschädlich-
keitszeugnis nur ausgestellt werden, wenn das ab-
zutretende Trennstück im Verhältnis zu dem Haupt-
gute von geringem Werte und Umfange ist und
wenn die durch die öffentliche Anlage herbeige-
führte Wertserhöhung des Hauptgutes den Wert
des Trennstücks erreicht. Das Unschädlichkeits-
zeugnis hat zur Folge, daß das veräußerte Trenn-
stück aus dem Realverbande des Hauptgutes, zu
dem es bis dahin gehört hatte, ausscheidet und daß
den Realberechtigten gegenüber der Kaufpreis an
dessen Stelle tritt. Dafür zu sorgen, daß dieser
den Realberechtigten zugute kommt, ist Aufgabe
der Auseinandersetzungsbehörde, die zu dem Zweck
die „Verwendung zu regulieren“ hat. Die Aus-
zahlung des Kaufpreises und lastenfreie Abschrei-
bung des Trennstücks im Grundbuche kann daher
nur geschehen, wenn entweder die Realberechtigten
einwilligen, oder die Generalkommission eine Ver-
wendungsbescheinigung ausstellt. Um dieses zu
können, wird die General-Kommission der Regel
nach zum Zwecke der Wiederherstellung der durch
die Abveräußerung geschmälerten Sicherheit die
Abstoßung vorgehender eingetragener Belastun-
gen oder die Verbesserung der Substanz des ver-
bliebenen Pfandobjekts verlangen müssen. Die
Wirkungen des Unschädlichkeitszeugnisses beziehen
sich übrigens nur auf die privatrechtlichen Bela-
stungen, insbesondere nicht auf Rentenbankrenten,
Staats= und andere öffentliche Abgaben. Darüber,
daß ablösbare Reallasten bei einer Teilung von
Grundstücken auf die einzelnen Trennstücke ver-
teilt werden können (TUAblösung der Real-
lasten in Preußen 11).
Besteht nach dem vorstehenden im allgemeinen
eine freie Teilbarkeit der Güter, so hat doch die
Gesetzgebung der neueren Zeit wieder manche
Beschränkungen eingeführt, so namentlich bei den
Ansiedelungs-, den Renten-- und den An-
erbengütern (vgl. hierüber die Artikel Ansiede-
lungen (deutsche) in den Provinzen Posen und
Westpreußen, Innere Kolonisation).
6. Ablösung von Reallasten und Dienstbar-
keiten. Durch die gutsherrlich-bäuerliche Regu-
lierung wurden nur die zu geringerem Rechte be-
sessenen Stellen berührt, nicht aber auch die der
Eigentümer, Erbzinsbesitzer und Erbpächter, auf
denen Abgaben und Leistungen der mannigfaltig-
sten Art sowohl zu Gunsten der Grundherren, als
auch geistlicher und weltlicher Institute und ein-
zelner Berechtigter lasteten, die vielfach als drücken-
de Last empfunden wurden. Diesc unter günstigen
Bedingungen zu beseitigen, wurde Gegenstand
der AblösungsGgebung [UAblösung der
Reallasten in Preußen).
Um die zahlreich vorhandenen kulturschädlichen
Grunddienstbarkeiten und die auf privatrechtlichen
Verhältnissen beruhenden gemeinschaftlichen Bo-
dennutzungsrechte zu beseitigen, sowie um die
vorhandenen Gemeinheiten einer besseren Kultur
zuzuführen, wurden zwar in dem Landeskultur-
edikt v. 14. 11. 1811 verschiedene Anordnungen ge-
troffen; diese blieben aber von verhältnismäßig
geringer Bedeutung und bildeten nur den Aus-
gangspunkt zu der späteren umfangreichen Gesetz-
gebung über die sog. Gemeinheitstei-
lungen. [I Gemeinheitsteilungen
in Preußen)j.
8 7. Einrichtung von Agrarbehörden. Die
Aenderungen in dem seitherigen Agrarrecht, die
das Edikt v. 9. 10. 1807 teils selbst traf, teils ein-
leitete und der Ausführung durch spätere Gesetze
überließ, waren von sehr einschneidender Be-
deutung und verursachten den ausführenden Be-
hörden eine große Arbeit. Schon bald zeigte sich,
daß die vorhandenen Behörden dieser nicht ge-
wachsen waren. Um daher diejenigen Maßnah-
men, welche nicht von selbst ihre Wirkung äußerten,
vielmehr eine Auseinandersetzung zwischen meh-
reren Beteiligten erforderten, schnell und fach-
gemäß durchführen zu können, setzte man eine be-
sondere Behörde, die Generalkommission, ein.
Dabei ging man davon aus, daß diese nur berufen
sein solle, die einmalige Lösung der zwischen den
Beteiligten bestehenden alten Rechtsverhältnisse
herbeizuführen, daß sie mithin nur eine vorüber-
gehende Tätigkeit haben, nicht etwa eine dauernde
allgemeine Landeskulturbehörde, sondern nur für
einzelne bestimmte Geschäfte zuständig sein solle.