Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
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Fiskus (Vertretung) 
  
  
Grunde, weil als Partei der F. beteiligt ist, den 
Rechtsweg nicht ausschließen. Die Theorie, welche 
„Fiskus“ mit Staat in Privatrechtsverhältnissen 
oder bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten identifiziert, 
weiß mit dem & 4 nichts anzufangen. Für sie ist 
dieser § 4 eine Tautologie. Wer aber im F. die 
von uns oben angeführten Rechtsverhältnistypen 
begreift, nämlich A. Staat in Privatverhältnissen, 
welche der Erwerbung und Veräußerung seines 
Verw Vermögens dienen; B. Staat als Grund- 
eigentümer von Finanzvermögen; C. Staat als 
Eigentümer des Immobilienverwaltungsvermö- 
gens der öffentlichen Sachen und der öffentlichen 
Anstalten, dem sagt der §& 4, daß der Staat, wenn 
er sich in diesen Rechtsverhältnistypen bewegt, 
vor dem ordentlichen Richter Recht geben und 
nehmen muß, ohne daß irgend eine Landesgesetz- 
gebung in der Lage wäre, diese Gestellungspflicht 
des Staates aufzuheben. Doch ist es für die Lan- 
desgesetzgebung zulässig, neben dem ordent- 
lichen Rechtsweg in solchen Rechtsstreitigkeiten 
das VerwZwangsverfahren einzuführen oder 
bestehen zu lassen (wie z. B. nach § 42 der preuß. 
Vv. 26. 12. 1808). Nur gegen den Ausschluß des 
Rechtswegs richtet sich § 4 EG ZPO (siehe RG3 
55, 63). 
Die Kompetenzabgrenzungsfunktion, wie sie 
das deutsche Recht hat, fehlt sowohl im franzö- 
sischen wie im englischen Recht. In Frankreich 
hat das Prinzip der Teilung der Gewalten gerade 
zum entgegengesetzten Standpunkt geführt, daß 
der Staat in seinen Vermögensverhältnissen nur 
dann den Zivilgerichten und dem Zivilrechte unter- 
liegt, wenn er sich denselben unterworfen (Mayer 
S 378 Anm. 2 und S 379, 400 und Dareste, La 
justice administrative en France 2 1898 p. 272; 
„S'agit-il au contraire de déclarer I Etat debi- 
teur, c'’est un principe de droit administratif, 
due PFadministration est exclusivement compé- 
tente pour connaitre des actions qui ont cet 
objet. Le principe west pas sans exceptions, 
mais on peut dire, que les exceptions confir- 
ment la régle“). In England schließt der Grund- 
satz „der König kann nicht Unrecht tun“ in der 
Regel die Kognition der ordentlichen Gerichte aus. 
Es ist des Königs Gnade, wenn er sich ihnen un- 
terwirft, und selbst dies bewirkt noch nicht die 
Unterwerfung des Königs unter das Recht, das 
sonst für jeden Privaten gilt. 
& 4. Die Vertretung des Fiskus. Es gibt Staa- 
ten, in denen ein eigener Behördenorganismus 
dazu dient, den F. im Privatrechtsverkehr und 
vor den Gerichten zu vertreten. Einen solchen 
Behördenorganismus hat z. B. Oesterreich in 
der sog. Finanzprokuratur. Im Rechte des deut- 
schen Reichs und der einzelnen Staaten fehlt ein 
solcher besonderer Behördenorganismus und die 
Geschäfte des F. werden von den verschiedensten 
Staatsverwaltungsbehörden geführt. Das Nähere 
bestimmen teils Dienstinstruktionen, teils beson- 
dere Gesetze. 
I. Für die Vertretung des Reichsfiskus gilt 
kraft Gewohnheitsrechts der Satz, daß sie namentlich 
im Prozeß, Bestandteil der allgemeinen Vertre- 
tungsbefugnis dritten gegenüber ist und letztere, 
soweit sie nicht vom Kaiser persönlich ausgcübt 
wird, den mit der Verwaltung der Reichsangele- 
genheiten betrauten obersten Reichsbehörden, d. i. 
  
und den von demselben abgezweigten Reichs- 
ämtern zusteht. Diese Vertretungsbefugnis wird 
als Attribut der obersten Leitung des Staatswe- 
sens aufgefaßt (namentlich Re# Z 11, 94). Andere 
als jene Zentralbehörden haben die prozessuale 
Vertretung des Reichs nicht. Um sie zur Vertre- 
tung des Reichs zu bevollmächtigen, bedarf es 
immer einer ausdrücklichen Gesetzesbestimmung 
(z. B. § 13 PostG v. 28. 10.71, &+ 153 Reichsbe- 
amten G i. d. Fassung v. 17. 5. 07). 
II. Die prozessuale Vertretung des F. der Ein- 
zelstaaten ist, wie eingangs erwähnt, teils durch 
Gesetz, teils durch Dienstinstruktion angeordnet. 
Das Reichsgericht vertritt wiederholt die Meinung, 
daß auch eine Dienstinstruktion genüge (vgl. aber 
jüngst RGZ 68, 148). Doch wird man dagegen 
allerdings Bedenken tragen müssen, wenn es sich 
um die Passivlegitimation des F. handelt. Eine 
Abänderung der rechtlich bestehenden Prozeßver- 
tretung durch Verwaltungsanordnung, die jeweils 
wechseln kann, wird die Ermittelung des gesetz- 
lichen Vertreters, des F., wie das Reichsgerick 
selbst anerkennt (Ro# Z 35, 16), häufig schwierig 
machen. Dies umso mehr als auch das Reichs- 
gericht der Ansicht ist, daß eine solche VerwAnord- 
nung natürlich nicht in der Gesetzsammlung pu- 
bliziert sein muß. Man wird deshalb de lege 
Oerenda wohl die Forderung erheben dürfen, daß 
die Passivlegitimation des F. gesetzlich oder durch 
Rechtsverordnung, die im Gesetzesblatt publiziert 
werden müßte, festgelegt werden möge, zumal 
als geltender Rechtszustand angesehen wird, daß 
die Rüge des verklagten F., die Klage sei nicht 
der zur prozessualen Vertretung berufenen Be- 
hörde zugestellt, die Abweisung der Klage zur 
Folge hat (R 67, 76). Jedenfalls hat die Be- 
fugnis des Staates, die prozessuale Vertretung 
des F. durch Dienstinstruktion, ja sogar von Fall 
zu Fall zu bestimmen, bereits eine Schranke im 
geltenden Recht. Die Abänderung der bestehenden 
Vorschriften über prozessuale Vertretung des F. 
im Sinne einer Delegation für den betreffenden 
einzelnen Rechtsfall muß vor der Klageerhebung 
stattgefunden haben (Rö##bei Gruchot 36, 
1128 f). Zur prozessualen Vertretung des F. sind 
gewöhnlich die Zentralstellen (Ministerien), jede 
für ihr Ressort, dann aber auch mittlere Behörden 
nach geltendem Recht berufen. 
In Preußen wird der F. in der Regel durch 
die Provinzialbehörden, die Regierung (Ge- 
schäfts Instr v. 23. 10. 1817 §14), oder durch die 
Provinzialbehörde des betrefsenden Verwessorts 
(Gvv. 24. 5. 61, 30. 7. 80 5 18, V v. 3. 11. 84), 
insbesondere durch die Provinzialsteuerbehörde in 
Stempelsachen (Stempelsteuer G v. 31. 7. 95 
# 26 ff), vertreten. Die Eisenbahndirektionen 
vertreten die Eisenbahnverwaltung innerhalb 
ihres Geschäftsbereichs (Verw V für die Staats- 
eisenbahnen v. 15. 12. 94, GS 95 S 11 ff 5 6). 
Die Justizverwaltung wird gewöhnlich, sofern 
nicht besondere Bestimmungen vorhanden sind, in 
bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten (G v. 14. 3. 85, 
G 65, und Af des Justiz Min v. 23. 3. 85, 
Just. MBl 119, die sich auf 92 des Gesetzes gründet) 
durch die Staatsanwaltschaft desjenigen Ober- 
landesgerichts vertreten, in dessen Bezirk die 
Justizbehörde (& 1 der zit. Af) ihren Sitz hat. 
In bezug auf Rechtsstreitigkeiten, die aus der 
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dem Reichskanzler bezw. dem Reichskanzleramt Beitreibung der zu den Kassen der Justizbehörden
	        
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