Forstwesen (Nutzungen)
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3. Nebennutzungen. Unter den heutigen
Verhältnissen steht in Mitteleuropa in wirtschaft-
licher Bedeutung die Streunutzung obenan.
Diese wird in vielen Gegenden von der Land-
wirtschaft als Lager der Tiere in den Stallungen,
als Mittel zur bequemeren Ansammlung der
Düngerstoffe und zugleich als selbständig wirken-
der Dünger außerordentlich hoch geschätzt, kann
aber unter Umständen eine schwere Schädigung
der Holzerzeugung bewirken und sogar den Fort-
bestand des Waldes selbst gefährden. Man unter-
scheidet solgende Arten von Streu: a) Die aus
Aesten der Nadelhölzer und zwar fast ausschließlich
der Fichte und Tanne bestehende Hackstren
(Aststreu, Schneidelstreu) ist ganz waldunschädlich,
wenn sic, wie es in Deutschland die Regel bildet,
von gefällten Stämmen gewonnen wird. b) Das
gleiche gilt für die Unkrautstreu, be-
stehend aus Forstunkräutern aller Art, namentlich
Heide= und Beerkraut, ferner aus Schilf und
Binsen, wenn sie in Unland oder zur Holzzucht
nicht geeignetem Gelände oder zur Wundhaltung
des Bodens wegen Feuersgefahr entnommen
wird. Ebenso geschieht die Gewinnung der Un-
krautstreu ohne Schaden und sogar mit Vorteil
für den Wald, wenn sie zur Beseitigung des unter
ihr befindlichen Trockentorfes und zur Erleichte-
rung der künstlichen oder natürlichen Verjüngung
aus dem Walde entnommen wird. e) Die eigent-
liche Rechstre u (Bodenstreu) wird durch die
am Boden liegenden Blätter, Nadeln und sonstigen
Baumabfälle sowie durch die Moosdecke und die
sonstige Bodenflora gebildet. Sie kann in wald-
unschädlicher Weise an Gräben und Wegen ab-
gegeben werden, unter Umständen bilden zu starke
Ansammlungen hievon die Veranlassung zur Bil-
dung von Trockentorf oder müssen behufs Einlei-
tung der Verjüngung entfernt werden. Die
Rechstreu ist, abgesehen von den oben genannten
Fällen, wertvoll für den Wald, weil ihre Zer-
setzung neben der fortschreitenden Verwitterung
des Bodens den einzigen Ersatz der ihm durch
die Holznutzung entzogenen mineralischen Pflan-
zennährstoffe bildet. Außerdem ist die Streu und
der sich aus ihrer Zersetzung bildende Humus von
großer Bedeutung für die Fruchtbarkeit durch
Herbeiführung und Erhaltung eines günstigen
physikalischen Bodenzustandes (Erhaltung der
Krümelstruktur auf schwerem, Verhütung der
Auswaschung auf leichtem Boden). An Hängen
ist die Streudecke wichtig zur Verhütung von Ab-
flutungen und des Abspülens feiner Bodenteile.
Arme Böden sind empfindlicher gegen den Streu-
entzug als kräftige.
Von den Hauptholzarten leidet die Buche am
meisten durch Streunutzung, dann folgt die Fichte,
während bei Eiche und Kiefer nur unter sehr un-
günstigen Umständen (vollständige Entfernung
der Bodendecke und armer Boden) eine Minde-
rung des Holzzuwachses durch die Streunutzung
nachzuweisen ist. Die Gefahr des Streuentzuges
wechselt unter sonst gleichen Umständen je nach
der Häufigkeit des Rechens (Turnus der Streu-
nutzung). Sechs Jahre bilden ungefähr die Grenze
der Zulässigkeit. Wie sehr das Nationalvermögen
durch übermäßige Streunutzung geschädigt wird,
beweist z. B. der Umstand, daß man in Bayern
den hierdurch veranlaßten Zuwachsentgang in
den Sandgebieten Mittelfrankens, Oberfrankens
v. Stengel-Fleischmann, Wörterbuch 2. Aufl. I.
und der Oberpfalz auf jährlich 3,5 Millionen
Mark schätzt.
Unter den sonstigen Nebennutzungen hatte bis
in die neueste Zeit die Gewinnung der Baum-
rinde (Lohrinde) für die Zwecke der Gerberei
eine solche Bedeutung, daß in jenen Gegenden,
die sich wegen ihres milden Klimas zu der Er-
zeugung eignen, die Holzerzeugung hiegegen
häufig vollständig in den Hintergrund trat. Seit
etwa 20 Jahren ist jedoch in Deutschland der Preis
der Lohrinde infolge der gestiegenen Einfuhr aus
klimatisch bevorzugteren Gegenden, namentlich
aus Ungarn, Belgien, Frankreich sowie durch die
immer mehr zunehmende Verwendung anderer
Gerbstoffe, namentlich des Quebracho-Holzes, und
die Entwicklung der Mineralgerbung so gesunken,
daß diese Nutzung kaum mehr lohnt und die Schäl-
waldungen in immer größerem Umfang in Hoch-
waldungen umgewandelt werden.
Eine ihrem Umfange wie ihrem Geldertrag nach
bisweilen sehr bedeutende Nebennutzung ist die
Viehweide in den Waldungen, sowie die
Gras= und Futterlaubnutzung. In
früheren Zeiten lieferte die Waldweide, vor allem
der Eintrieb der Schweine in die Laubholzbestände
zur Mast, den Hauptertrag, ja vielfach sogar den
einzigen Ertrag der Waldungen. Seit der Ein-
führung der Stallfütterung hat sich dieses Ver-
hältnis wesentlich geändert, jetzt findet eigentlich
nur noch in den Gebirgen eine ausgedehnte Weide-
nutzung statt, welche in den dortigen landwirt-
schaftlichen Betriebsverhältnissen ihren Grund
hat. Die regelmäßigen Waldbestände des Hügel-
und Flachlandes begünstigen dagegen den Weide-
gang des Viehes in viel geringerem Maße, weil
in den geschlossenen Beständen wenig benutzbares
Futter aufkommt. Die Grasnutzung auf kleineren
Waldwiesen oder in den Schlägen und Kultur-
flächen der Waldungen hat in sehr bevölkerten
Gegenden eine große Bedeutung, weil sie dem
Waldbesitzer die Verwertung eines außerdem
oft unnutzbaren Produktes ermöglicht und auf
der anderen Seite der unbemittelten Bevölkerung
Gelegenheit zur Vermehrung der Futtervorräte
gibt. So wünschenswert daher diese Art der Ne-
bennutzung erscheint, so ist sie doch nur auf gutem
Boden zulässig und erfordert eine sorgfältige Ueber-
wachung, weil Beschädigungen der Kulturen und
natürlichen Verjüngungen leicht möglich sind.
Von den übrigen Nebennutzungen ist nur die
Torfgewinnung in manchen Gegenden
von großer Bedeutung, zuweilen auch der Betrieb
der Steinbrüche und Erdgruben.
Viel unbedeutender sind im geregelten Forst-
haushalt die Einnahmen aus der Harznutzung
in Nadelholzbeständen, weil die Gewinnung des
Harzes den Nutzwert der bei uns allein hierfür in
Betracht kommenden Fichte und den Zuwachs in
viel höherem Maße beeinträchtigt, als der Ertrag
von Harz abwirft.
Die Nutzung der Früchte des Waldes hat
entweder den Zweck, sie zur künstlichen Holzzucht
zu verwenden oder als Futterstoffe für die Land-
wirtschaft oder zur menschlichen Nahrung zu ver-
wenden. Die Erträgnisse hiervon sind im großen
Forsthaushalt ziemlich geringfügig, dagegen be-
sitzen sie oft eine sehr hohe Bedeutung für die Be-
völkerung des betr. Bezirkes, z. B. werden für die
in der Oberförsterei Eggesin (Pommern) gesam-
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