Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
Forstwesen (Staatswald) 
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gender und fördernder, teils beschränkender Natur 
ist, wird als Forstpolitik bezeichnet. 
Die Maßregeln, welche von seiten des Staates 
angewendet werden, um auf dem Gebiete der 
Forstwirtschaft für die Gesamtheit wünschens- 
werte Zustände zu schaffen, werden im wesent- 
lichen von der klimatischen Lage und der natürli- 
chen Beschaffenheit des betreffenden Landes, von 
der Größe und Gestaltung des Waldbesitzes sowie 
von politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen, 
der Rechtsanschauung und der geschichtlichen Ent- 
wicklung bedingt. In der Praxis der einzelnen 
Staaten hat sich daher ein außerordentlich ver- 
schiedener Stand der Forstpolitik und Forstgesetz- 
gebung entwickelt, auf welchen außer dem durch 
die Wirtschaft, den Verkehr und die Landesnatur 
bedingten besonderen Zustande namentlich noch 
der Umstand von wesentlicher Bedeutung war, ob 
sich der Wald vorwiegend in der Hand des Staates 
und der Gemeinden oder in jener von kleinen Pri- 
vaten befindet. Die Veränderung der allgemei- 
nen wirtschaftlichen, politischen und kulturellen 
Verhältnisse sowie der Rechtsanschauungen haben 
im Laufe der Zeit auch auf die Gestaltung der 
Forstpolitik einen gewaltigen Einfluß geübt. Da 
alle diese ursächlichen Momente niemals in Deutsch- 
land zu irgend einem Zeitpunkt die gleichen waren, 
bietet die auch nach der Verfassung des Deutschen 
Reiches der landesgesetzlichen Regelung vorbehal- 
tene Forstgesetzgebung in den einzelnen deutschen 
Staaten recht erhebliche Verschiedenheiten. 
Die Geschichte zeigt, daß schon im späteren 
Mittelalter, namentlich aber in der Zeit vom 
Beginn des 16. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts 
in Deutschland, Oesterreich und Frankreich von- 
seiten der Landesherren eine zwar zeitlich und 
örtlich verschiedene aber meist recht weitgehende 
Einwirkung der Landesherren auf die Forstwirt- 
schaft stattgesunden hat. Maßgebend waren hier- 
bei namentlich die Sorge für nachhaltige Befrie- 
digung des Holzbedarfs, Rücksicht auf Nutzbar- 
machung des auch ausgedehnte Waldungen um- 
fassenden Domanialvermögens und jagdliche In- 
teressen. Dem Wesen jener Zeit entsprechend 
haben die Maßregeln der Forstpolitik einen 
patriarchalischen und weiterhin einen polizeilich 
bevormundenden Charakter getragen. Im 19. 
Jahrhundert ist die Furcht vor Holznot, die früher 
eine so wesentliche Rolle spielte, mehr und mehr 
geschwunden, die jagdrechtlichen Verhältnisse ha- 
ben eine vollständige Umgestaltung erfahren. Auf 
dem Gebiete der Forstpolitik und Forstverwaltung 
haben allmählich die neueren volkswirtschaftlichen, 
juristischen und forstwissenschaftlichen Anschauun- 
gen Geltung gewonnen, welche die Grundlage des 
modernen Forstverwaltungsrechts bilden. 
II. Forstwirtschaftspflege 
1. Der Staatswald. 
Von der Gesamt= Von dieser Wald- 
fläche sind be= fläche sind Kron= u. 
  
waldet Staatssorsten 
2 haa 6% 
Deutsches Reich 25,9 4 697 185 33,7 
Preußen 23,7 2 630 890 31,8 
Bayern 32,5 837 136 33,9 
Sachsen 25,8 173 925 45,2 
  
Von der Gesamt- Von dieser Wald- 
fläche sind be= fläche fsind Kron= u. 
  
waldet Staatsforsten 
"“ ha. 2% 
Württemberg 30,8 193 998 32.3 
Baden 37,7 104 320 37,7 
Elsaß-Lothringen 30,8 152 399 30,3 11 
# 7. Geschichte des Staatswaldbesitzes. Die 
Entstehung des Staatswaldbesitzes reicht in Zei- 
ten zurück, in welchen die Auffassung über staats- 
oder privatrechtliche Stellung von Regent und 
Staat nicht so scharf ausgeprägt waren wie heute, 
weshalb denn auch später oft eine den veränder- 
ten Zeitverhältnissen anzupassende Rechtserklä- 
rung bezüglich des Domanialbesitzes auf unüber- 
windliche Schwierigkeiten stieß. Das jetzige Eigen- 
tumsverhältnis wurde in wenigen Ländern schon 
im 18. Jahrhundert durch mit den Landständen 
vereinbarte Reverse und durch Hausgesetze ge- 
schaffen (z. B. Preußen 1713 u. ALR II 14); meist 
erfolgte die Neuordnung erst zu Anfang des 19. 
Jahrhunderts gelegentlich des Erlasses der Ver- 
fassungsgesetze. In einigen Staaten, z. B. in 
Sachsen-Coburg-Gotha und Mecklenburg-Schwe- 
rin wurde diese Auseinandersetzung erst in neue- 
ster Zeit durchgeführt, in Mecklenburg-Strelitz 
und den beiden Reuß besteht noch der Doma- 
nialbesitz im alten Sinne fort [J Domänen!. 
6 8. Beräußerung, Beibehaltung und Ber- 
größernuung der SEtaatswaldungen. Um die 
Wende des 18. und 19. Jahrhunderts entstand 
ein lebhafter Streit darüber, ob die Staatsforsten 
beizubehalten oder zu veräußern seien. 
Veranlaßt wurde diese Bewegung durch die 
Lehre von Adam Smith, daß der Staat über- 
haupt ungeeignet zum Betrieb von Gewerben sei. 
Praktische Bedeutung gewann diese Ansicht in 
Deutschland jedoch erst infolge der ungünstigen 
Finanzlage während der napoleonischen Kriege 
und in den folgenden Jahrzehnten. Besonders 
in Bayern und Preußen wurde hierdurch die 
Veräußerung verschiedener, zum Teil nicht un- 
bedeutender Staatswaldflächen veranlaßt. In 
Frankreich war schon während der Revolutions- 
periode ein großer Teil der Staatswaldungen 
verkauft worden, in Oesterreich hat die Geldnot 
um die Mitte des 19. Jahrhunderts ebenfalls 
den Verkauf ausgedehnter Staatswaldungen 
sengefähr eine halbe Million Hektar) herbeige- 
ührt 
Durch diese Veräußerungen wurde eine lebhafte 
literarische Kontroverse über die Frage, ob Staats- 
wald oder Privatwaldbesitz im allgemeinen In- 
teresse vorzuziehen sei, angeregt. Die heutigen 
wirtschaftlichen Ansichten sind fast alle gegen 
eine Veräußerung von Staatswald im größeren 
Umfange (d. h. abgesehen von kleineren, ungünstig 
gelegenen Parzellen und neuerdings auch von 
Flächen, die zur Erweiterung der Städte erfor- 
derlich werden) lediglich in der Absicht, um die- 
selben in Privatbesitz übergehen zu lassen; aus 
sozialpolitischen Erwägungen ist man vielmehr für 
eine weitere Ausdehnung des Staatswaldes, na- 
mentlich soweit es sich um sog. „Schutzwaldungen“ 
(unten S 827) handelt, weil deren richtige, dem 
öffentlichen Wohle angemessene Behandlung durch 
den Staat mehr verbürgt wird als durch Private. 
Anders liegt die Frage bezüglich der Umwand- 
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