Forstwesen (Schutzwaldungen)
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Grundstockvermögens zu verwenden. Teilungen
von Gemeindewaldungen sind jetzt meist unzu-
lässig (Preußen, Deklaration v. 26. 7. 47) oder doch
nur unter bestimmten Voraussetzungen statthaft,
letzteres namentlich dann, wenn Ueberfluß an Wald
vorhanden und die betr. Fläche zur landwirt-
schaftlichen Benutzung geeignet ist.
Ein Aufforstungszwang für Gemeindelände-
reien, welche bisher nicht sorstmäßig benutzt wur-
den, wird zwar von manchen Seiten befürwortet,
ist aber gesetzlich nur in wenigen Fällen zulässig
(z. B. Preußen, östl. Prov., G von 1876 F 8, je-
doch nur dann, wenn ein dringendes Bedürfnis
der Landeskultur vorliegt und die Kräfte der
Gemeinde die Ausführung gestatten); praktische
Bedeutung hat der Zwang wohl nirgends.
3. Schutzwaldungen.
5#20. Begriff und Bezeichmungen. I. Als die
polizeiliche Bevormundung der Privat= und Ge-
meinde forstwirtschaft nach Beseitigung der grund-
losen Furcht vor Holznot und infolge der verän-
derten allgemein wirtschaftlichen Anschauungen
zu Anfang des 19. Jahrhunderts einer größeren
Selbständigkeit der Waldbesitzer gewichen war,
entbehrte die forstpolitische Gesetzgebung längere
Zeit sowohl der inneren Berechtigung als auch
der Begründung für das Maß des Eingriffes in
die private Tätigkeit. Erst als Morean de Jonnés
in seinem von der Akademie zu Brüssel 1825 preis-
gekrönten Mémoire sur le déboisement des forsts
nachgewiesen hatte, daß durch Ausrottung der
Wälder Veränderungen in dem physischen Zu-
stand der Länder entstehen können, fing man
an, die Bedeutung der Wälder und einer sorg-
samen Waldwirtschaft von einem höheren Ge-
sichtspunkt aus aufzufassen. Weitere eingehende
Untersuchungen haben ergeben, daß die Wichtig-
keit der Waldungen für ihre nähere und weitere
Umgebung keine gleichmäßige ist, sondern daß
neben solchen, deren Vorhandensein in dieser Be-
ziehung ganz indifferent erscheint, auch Wälder
existieren, deren Erhaltung im allgemeinen In-
teresse als unbedingt notwendig oder doch als höchst
wünschenswert betrachtet werden muß. Es ist so
wenigstens theoretisch die Grenze gegeben, bis
u welcher das Interesse der Gesamtheit eine Ein-
schränkung der individuellen Freiheit zu fordern
berechtigt erscheint, wenn auch über den Grad der
Wichtigkeit der Waldungen im allgemeinen und
einzelnen Forsten im speziellen die Ansichten noch
immer ziemlich weit auseinandergehen.
Unter Schutzwaldungen (in Oesterreich
und der Schweiz Bannwaldungen) ver-
steht man gegenwärtig solche Waldungen, die durch
ihre Lage und die Beschaffenheit des durch sie be-
stockten Bodens für die Kulturfähigkeit nicht nur
ihres eigenen Geländes, sondern auch benachbarter
Grundstücke oder ganzer Landstriche von Bedeu-
tung sind. Ein österreichischer Gesetzentwurf von
1878 unterschied auch noch „Schon waldun-
gen“", welche selbst eines besonderen Schutzes
bedürfen (z. B. Waldungen auf Flugsandboden).
Bestimmungen über Schutz= und Bannwaldun-
gen enthalten die Gesetze von Bayern (28. 3. 52),
Oesterreich (3. 12.52), Preußen (6.7.75), Schweiz
* 79 Italien (20. 7. 77) und Württemberg
. O. 79).
Nach der Schutzwirkung, die man vom Walde
erwartet, kann man zwei Hauptformen derartiger
Waldungen unterscheiden, nämlich einerseits solche,
die im Gebirge den allzu raschen Wasserabfluß
und die hiermit zusammenhängende Bildung von
Wildbächen und Muren verhindern sollen, andrer-
seits solche, welche in der Ebene, im Binnenland
sowohl wie an der Meeresküste, notwendig sind,
um das Flüchtigwerden von Sand (Flugsandbil-
dung) zu verhüten. Außerdem werden von den
Schutzwaldungen auch mannigfache andere Ein-
wirkungen erwartet, die sie jedoch nicht oder doch
nur in beschränktem Maße leisten können, so z. B.
Schutz gegen Lawinen, Förderung der Gesund-
heitspflege, Verbesserung des Klimas usw.
II. Gesetzliche Definitionen. Die
genügende Definition des Begriffes „Schutzwald“
ist wegen des Mangels wirklich zuverlässiger Un-
tersuchungen über die Wirkung der Waldungen so
schwierig, daß die Gesetze statt einer solchen die
Gefahren anführen, welche durch den Wald ver-
hütet werden sollen. Diese sind: 1. schädliche kli-
matische Einflüsse (Schweiz, Württemberg, Ba-
den). 2. Einfluß auf die Feuchtigkeitsverhältnisse
und zwar: Erhaltung der Quellen (Bayern,
Frankreich); Schutz gegen Ueberschwemmungen
(Preußen, Württemberg), gegen Abbruch und
Unterwaschungen an Ufern von Wasserläufen
(Preußen, Bayern, Schweiz, Frankreich), gegen
Ueberschwemmungen (Preußen, Frankrcich, Ita-
lien, Schweiz); Verhinderung des Eisganges
(Preußen). 3. Einfluß auf die Festigkeit des Bo-
dens, insbesondere Schutz gegen Erdabrutschungen,
Felsstürze (Schweiz, Oesterreich, Bayern, Preu-
ßen, Italien), gegen Bodensenkungen (Italien),
gegen Versandungen (Bayern, Preußen, Oester-
reich), insbesondere zur Dünenerhaltung (Frank-
reich, in Preußen ist hierfür spezielle gesetzliche
Regelung vorbehalten). 4. Schutz gegen nach-
teilige Einwirkungen der Winde (Preußen,
Schweiz, Bayern), insbesondere auf benachbarte
Bestände (Oesterreich, Württemberg). 5. Schutz
gegen Lawinen (Bayern, Oesterreich, Italien,
Schweiz). 6. Einfluß auf öffentliche Gesundheits-
pflege (Frankreich, Italien). 7. Verwendbarkeit
für die Zwecke der Landesverteidigung (Oester-
reich, Frankreich).
Ferner werden auch meist noch Merkmale, wie
Lage und Beschaffenheit des Bodens, angegeben,
nach denen der Wald als Schutzwald anzusehen ist.
Solche sind: Lage auf Bergrücken, Vorsprüngen,
Kuppen, an den Ufern von Wasserläufen und
in Quellgebieten; ferner starke Neigung des Ter-
rains und schließlich Beschaffenheit des Bodens,
insbesondere Neigung zu Flugsandbildung.
III. Bezeichnung der Schutz wal-
dungen — Waldschutzgericht. Die
Grundsätze für Bestimmung jener Waldungen,
die als Schutzwald (Sch) betrachtet werden sollen,
sind in den einzelnen Staaten sehr verschieden.
Am zweckmäßigsten ist eine amtliche Ausschei-
dung durch Kommissionen von Sachverständigen
und die hiernach zu betätigende Aufstellung von
Sch Verzeichnissen mit Anhörung der Einwendun-
gen der Interessenten und Zulassung der Beru-
fung an eine höhere Instanz. Auf diese Weise ist
jede Einseitigkeit und Willkür ausgeschlossen, die
Eigentümer wissen, daß ihre Waldungen den
gesetzlichen Beschränkungen unterliegen, und für